von Patrick Gunti
Herr Huber, Sie haben vor zehn Jahren die «Swiss Leadings Hospitals»-Gruppe gegründet. Welche Vision hatten Sie dabei und inwieweit liess sich diese bis zum heutigen Tage umsetzen?
Nach dem Vorbild der Leading Hotels of the World wollten ich einen Verbund von erstklassigen und unabhängigen Privatkliniken schaffen, welcher primär in der Schweiz, mittelfristig aber auch im Ausland aktiv wird. Das Qualitätsmanagement auf sehr hohem Niveau ist dabei der gemeinsame, rote Faden. Zudem erlaubt die jeweilige Unabhängigkeit einen auf den lokalen Markt fokussierten Auftritt. Heute darf ich mit Stolz feststellen, dass der Verband in der Schweiz gut etabliert ist, der Bekanntheitsgrad gross und die Anerkennung durch die Krankenversicherer, die Ärzte und ? am wichtigsten ? durch die Patienten gewährleistet ist. Sukzessive kommen nun auch ausländische Mitglieder in den relevanten Zielmärkten hinzu.
Die der Gruppe angeschlossenen Mitglieder orientieren sich an der Formel «Topmedizin plus Erstklasshotel» ? wie definieren Sie diese Formel im Detail?
Wir verbinden Spitzenleistungen in der Medizin mit einer ausgeklügelten Infrastruktur und hohem Serviceniveau, damit sich der Patient wie in einer gepflegten Hotelatmosphäre perfekt umsorgt, gehegt und gepflegt fühlt. Unsere persönliche Betreuung in komfortabler Atmosphäre trägt ausserdem wesentlich zum positiven Heilungsprozess bei.
Welche Bedeutung kommt dem Qualitätsmanagement zu?
Die Akteure im Gesundheitswesen werden künftig nicht um Kostenoptimierungen herum kommen. Zugleich aber bewegen wir uns in einem Bereich von höchster gesellschaftlicher Verantwortung. Das verlangt ein überzeugendes Qualitätsmanagement. Denn die Qualität muss auf sehr hohem Niveau gesichert bleiben. Und unter Qualität ist die Erfüllung der Patientenbedürfnisse zu verstehen ? das beinhaltet Behandlungserfolge, Leistungssicherheit und eine ausgeprägte Servicequalität. Auch müssen die medizinische Entwicklung und die ständige Verbesserung der Behandlungsmethoden sichergestellt werden.
Ist davon auszugehen, dass im zunehmenden Wettbewerb unter Spitälern die Transparenz hinsichtlich Behandlungsqualität einen wichtigeren Stellenwert einnehmen wird?
Ja, zwingend. Der Gesetzgeber verlangt ab 2012 die Veröffentlichung der Ergebnisqualität und damit Transparenz und Vergleichbarkeit. Es werden so öffentliche Standards entwickelt, die gesamtschweizerisch die Qualität der Spitäler und Kliniken vergleichbar machen. Und das wird den Wettbewerb unter den Spitäler fördern.
«Unter Qualität ist die Erfüllung der Patientenbedürfnisse zu verstehen ? das beinhaltet Behandlungserfolge, Leistungssicherheit und eine ausgeprägte Servicequalität.»
Der Standard in den öffentlichen Spitälern der Schweiz ist hoch ? auch für allgemeinversicherte Patienten. Was unterscheidet denn heute noch das Privatspital vom öffentlichen Spital?
Heute erhält tatsächlich jeder Patient in einem Schweizer Spital eine adäquate Behandlung. Grundversicherte Patienten haben in einem öffentlichen Spital allerdings nur wenige oder gar keine Möglichkeiten die Behandlung und ihren Spitalaufenthalt zu beeinflussen. Sie können beispielsweise ihren Arzt nicht selber wählen, was für viele Patienten enorm wichtig ist. Je nach Ort und Fachgebiet sind längere Wartezeiten unumgänglich. Im Gegensatz zu vielen öffentlichen Spitälern handelt es sich bei den privaten Anbietern von Spitalleistungen oft um kleinere, überschaubare Organisationen, was eine kundenfreundliche und trotzdem effiziente Arbeitsweise zulässt und von vielen Patienten geschätzt wird.
Wie steht es denn mit den Ansprüchen der Patienten. Haben die sich in den letzten Jahren verändert?
Das Bedürfnis vieler Versicherter steigt, individuelle Wünsche nach persönlicher Betreuung und Qualität bei einer Spitalbehandlung vorbringen zu können. Deshalb heissen die Wettbewerbsvorteile von morgen Individualität der Dienstleistungen, personalisierte Medizin, familiäre Atmosphäre und Behandlung aus einer Hand durch Ärzte mit exzellentem Ruf aus diversen Fachbereichen.
Wie präsentiert sich der Versicherungsmix der Patienten in den Kliniken der SLH-Gruppe?
Je ein Drittel privat-, halbprivat- und allgemein Versicherte. Es gibt grosse Unterschiede zwischen den Kliniken und den kantonalen Gepflogenheiten ? ich erwähne hier nur das Stichwort Leistungsaufträge.
Wenn von unterschiedlichen Leistungen im Gesundheitswesen die Rede ist, fällt schnell mal der Begriff «Zweiklassenmedizin». Würden Sie die Aussage unterstützen, diese sei eigentlich längst Realität und lasse sich bei der hervorragenden Grundversorgung in der Schweiz vielleicht sogar bis zum einem gewissen Grad rechtfertigen?
Immer wieder wird vor einer Zweiklassenmedizin gewarnt. Es gilt als ausgemacht, dass eine solche Zweiklassenmedizin moralisch verwerflich sei und deshalb in einer gerechten Gesellschaft nicht tolerabel. Warum eigentlich? Wir finden die zwei Klassen der SBB durchaus in Ordnung und leben auch mit fünf Klassen von Hotels ohne Skrupel. Entscheidend scheint mir, dass jede und jeder Versicherte einen möglichst raschen Zugang zu einer guten, seiner Krankheit angemessenen Gesundheitsversorgung hat. Und das ist in unserem Land sicher gestellt.
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Mit Ihrer Spital-Gruppe haben Sie qualitative Standards gesetzt. Wie aber müssen Spitäler künftig geführt werden, damit sie auch wirtschaftliche Standards erfüllen?
Wer sich im Gesundheitsbereich als innovativer Leistungsanbieter profilieren und positionieren will, muss ein klares Leistungsprofil vorweisen und ein hohes und transparentes Qualitätsniveau garantieren. Der Druck wächst. Und er führt dazu, dass die Abläufe in den Spitälern genauer analysiert, die Prozesse standardisiert und optimiert werden.
Eine Möglichkeit der wirtschaftlichen Verbesserung liegt in der Kostenoptimierung. Das Bild von übernächtigten Ärzten und Pflegepersonal, das immer weniger Zeit für die Patienten hat, vor Augen, fragt man sich, wo diese Optimierungen ohne Qualitätseinbusse möglich sind.
Kostenoptimierung heisst nicht, beim Personaleinsatz sparen. Viele Spitäler nützen ihr Potential zur Verbesserung und Steigerung von Produktivität und Effizienz zu wenig oder gar nicht. Mit der schweizweiten Einführung der DRG?s werden künftig jedoch Daten vorhanden sein, die für die administrative Planung, die Zuweisung der Mittel, die Förderung der Qualität und die Effizienzsteigerung eines Spitals unerlässlich sind und wirtschaftliche Verbesserungen bringen. Spitäler, die mit diesen Herausforderungen nicht mithalten können, werden auf der Strecke bleiben.
In welche strategischen und prozessualen Herausforderungen für die Spitäler münden die angesprochenen Punkte im Gesundheitswesen der Zukunft?
Wirtschaftlichkeit, Qualität und Effizienz werden die bestimmenden Faktoren im Gesundheitswesen sein. Es muss uns gelingen, die Behandlungs-, Kommunikations- und Managementprozesse im Hinblick auf die sich wandelnden Anforderungen effizient und flexibel zu gestalten. Wichtig ist auch eine qualitative Verbesserung der Kommunikation und des sektorübergreifenden Wissenstransfers. Vor diesem Hintergrund erfährt die Informationstechnologie eine zunehmend strategische Bedeutung.
«Kostenoptimierung heisst nicht, beim Personaleinsatz sparen. Viele Spitäler nützen ihr Potential zur Verbesserung und Steigerung von Produktivität und Effizienz zu wenig oder gar nicht.»
Kommen wir nochmals auf die SLH zurück. Derzeit umfasst sie 18 Mitgliederkliniken in der Schweiz. Welche Kriterien muss eine Klinik erfüllen, um Mitglied zu werden?
SLH garantieren mit ihren Kliniken in den Bereichen Akutsomatik, Rehabilitation und Psychiatrie/Psychosomatik eine schweizweite Präsenz und decken das gesamte Spektrum der medizinischen Gebiete mit herausragenden Kernkompetenzen, Top-Fachkräften sowie neuester medizinischer Technologie und Infrastruktur ab. Das strenge Qualitätskonzept der SLH basiert auf EFQM-Standards. Der Schlüssel zur Aufnahme ist ein systematisches Qualitäts-Assessment-Verfahren. Nur wer dieses besteht, ist berechtigt, das Qualitätslabel SLH zu verwenden. Geprüft werden die Qualitätsplanung, Qualitätslenkung, Qualitätssicherung und die Qualitätsverbesserung, das ärztliche Akkreditierungsverfahren, die medizinische Betreuung, die Pflege-Standards, die Hotellerie, administrative und infrastrukturelle Belange sowie die Patientenzufriedenheit. In einem regelmässigen Rhythmus werden die Qualitätskriterien und die Patientenfragebogen überprüft und bei Bedarf angepasst ? stets nach dem Erfolgsrezept: Top-Medizin plus Erstklasshotel. Alle drei Jahre muss sich jede Mitgliederklinik zudem einem Requalifikations-Assessment unterziehen. Punktuelle Kontrollen schaffen zusätzliche Sicherheit.
Wollen Sie in der Schweiz weiter expandieren?
Nicht zwingend. Die Beitrittshürde zu SLH ist das geforderte Qualitäts-Assessment-Verfahren. Diese Anforderung selektioniert. Wer diese Überprüfung standhält, ist für uns interessant.
Mit Ihrer Gruppe und Ihrem Geschäftsmodell wollen Sie auch auf ausländische Märkte vordringen. Der Betrieb einer Klinik in Moskau wurde 2007 aufgenommen. Welche weiteren Pläne verfolgen Sie im Ausland?
Unser langfristig angelegtes strategisches Ziel ist eine weltweite Verbindung von Leading Hospitals aufzubauen, welche sich dem exzellenten Qualitätslabel der SLH verpflichten. Nach der Klinik Medicina in Moskau konnte als zweite Klinik im Ausland das RAK Hospital in den Vereinigten Arabischen Emiraten akkreditiert werden. Mit weiteren potenziellen Mitgliedern sind wir in Verhandlung.
Herr Huber, besten Dank für das Interview.
Der Gesprächspartner
Beat Huber steht der Klinikgruppe The Swiss Leading Hospitals als Präsident vor und ist Direktor der Klinik Pyramide am See in Zürich. Er hat die Hotelfachschule in Lausanne besucht und das Aufbaustudium zum Management im Gesundheitsbereich an der Universität in Bern absolviert.
Das Unternehmen
Die 18 Mitgliederkliniken der Swiss Leading Hospitals SLH zeichnen sich durch eine Topinfrastruktur und ein einzigartiges Qualitätsverständnis aus. Die SLH-Mitglieder orientieren sich an der Formel «Topmedizin plus Erstklasshotel». Das Label SLH bürgt für höchste medizinische Qualität und für eine Ethik fernab von rein wirtschaftlich orientiertem Handeln. Die strengen Qualitätsanforderungen stellen einen Meilenstein in der schweizerischen Spitallandschaft dar. Die Swiss Leading Hospitals verfügen über eine schweizweite Präsenz und decken das gesamte Spektrum an medizinischen Fachgebieten ab. Sie sind damit die einzige unabhängige Klinikgruppe mit flächendeckendem Angebot. Zur Klinikgruppe gehören ausserdem zwei ausländische Spitäler.