von Patrick Gunti
Herr Sigg, die VJC blickt auf ein schwieriges 1. Halbjahr zurück: Tieferer Umsatz, weniger Logiernächte, ein Konzernverlust von 2,1 Mio. Franken. In welchem Umfeld bewegte sich die VJC im ersten Semester?
Das Umfeld war weiterhin sehr schwierig, da das Ausgabeverhalten von Gästen und speziell Firmen – meist aus Image-Gründen – sehr zurückhaltend war.
Vor allem das Geschäft mit Tagungen und Kongressen blieb verhalten. Erwarten Sie hier eine Kehrtwende im 2. Halbjahr, oder bestimmt auch weiterhin die Ungewissheit hinsichtlich der wirtschaftlichen Erholung den Verlauf?
Das Geschäft mit Tagungen und Kongressen blieb vorerst verhalten – wir spüren aber eine Belebung der Nachfrage, vor allem im langfristigen Planungsbereich.
Welche Massnahmen haben Sie im 1. Halbjahr getroffen, um den negativen Entwicklungen entgegen zu wirken?
Wir haben einerseits die Führungsstruktur der Gruppe verschlankt und auf eine höhere Effizienz ausgerichtet und andererseits die Verkaufsorganisation verstärkt und wieder in die Häuser integriert, was den Kontakt mit den Zielgruppen vor Ort verbessert sowie erleichtert.
«Das Geschäft mit Tagungen und Kongressen blieb vorerst verhalten – wir spüren aber eine Belebung der Nachfrage, vor allem im langfristigen Planungsbereich.» Beat R. Sigg, VR-Delegierter Victoria-Jungfrau Collection
Welche Vorteile für die einzelnen VJC-Hotels hat in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten die 2007 eingeführte Gruppenstruktur?
Die einzelnen Häuser profitieren von professionellen Strukturen in den Bereichen Marketing, International Sales und PR, Controlling, IT, Schulung und Einkauf, die sie sich in dieser Form nicht leisten könnten. Dies sind dauernde Vorteile, welche in wirtschaftlich schwierigen Zeiten besonders wichtig sind.
Was prägte das Geschäft im Eden au Lac in Zürich, in dem Sie Direktor sind?
Unser Geschäft war primär geprägt von einer enormen Kurzfristigkeit, die auf allen Stufen eine grosse Flexibilität verlangt.
Sie leiten das Eden au Lac seit 2007, nachdem Sie zuvor schon im Hotel Widder und im Grand Hotel Dolder an der Spitze standen. Was macht den besonderen Reiz des Eden aus?
Das EDEN AU LAC ist ein traditionsreiches Haus mit über 100-jähriger Geschichte, das noch über ein wesentlich grösseres Potential verfügt als andere. Diese Chancen zu nutzen ist ein enormer Reiz.
Das Palace Luzern hat gegen den Trend im 1. Semester in fast allen Bereichen zugelegt. Worauf ist das gute Ergebnis mit 12,8 % mehr Übernachtungen zurückzuführen?
Eine deutliche Steigerung im MICE-Geschäft sowie die organisatorischen Massnahmen und Veränderungen, welche das Management im schwierigen letzten Jahr ergriffen hat, zeigten rasch Wirkung und führen zu den gewünschten Resultaten.
Welche Faktoren waren für das deutliche Minus im Bellevue Palace mit 10,3 % weniger Übernachtungen und 11,9 % weniger Umsatz verantwortlich?
Die Region Bern und das BELLEVUE PALACE haben im 2009 unter anderem stark von der Eishockey WM profitiert – aber auch die Vorbereitung auf die 2-monatige temporäre Schliessung des Hauses für den totalen Umbau und die Renovation der Küche sowie des Untergeschosses zeigten entsprechende Wirkung.
Auch das Victoria Jungfrau in Interlaken blieb nicht verschont. Auffallend ist der Rückgang der Übernachtungen von Gästen aus Russland um fast 50 %. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Diese spezielle Konstellation ist hauptsächlich auf die Eishockey-WM und das gute Abschneiden des russischen Teams zurückzuführen. Überdies konnten wir Anfang Jahr, zur russischen Weihnacht, deutlich weniger Gäste willkommen heissen.
Auf der anderen Seite nahm in allen Häusern die Zahl der asiatischen Gäste, vor allem aus China und Indien, deutlich zu. Welche Vorzüge geniessen die asiatischen Gäste in den VJC-Hotels?
Die Zusammenarbeit mit Taj Hotels und unsere verstärkten Verkaufsanstrengungen im asiatischen Markt zeigen erste Resultate. Zudem werden wir den spezifischen Ansprüchen dieser Gäste mit verschiedenen Angeboten und Dienstleistungen gerecht.
«Es ist wichtig und möglich, mit Zusatzdienstleistungen die Angebote zu stärken und so dem Margenzerfall entgegen zu wirken.»
Was können Sie dem allgemeinen Preis- und Margenzerfall in der Hotelbranche entgegensetzen?
Es ist wichtig und möglich, mit Zusatzdienstleistungen die Angebote zu stärken und so dem Margenzerfall entgegen zu wirken. Hierbei sind Kreativität und das Gespür für Gästebedürfnisse besonders gefragt.
Mit welcher Zielsetzung haben Sie im Mai die Nachfolge von Emanuel Berger angetreten, der die Geschicke der Victoria-Jungfrau Collection AG massgeblich geprägt hat?
Nachdem ich mit Emanuel Berger eine intensive Übergangsphase erleben durfte, ist es mein Ziel, einerseits das Bestehende zu pflegen und andererseits die COLLECTION von den individuellen Stärken der einzelnen Häuser im Sinne der «best practice» noch stärker profitieren zu lassen.
Letzte Frage, die ich Sie bitte in einem Satz zu beantworten: Was gefällt Ihnen an Ihrem Job besonders?
Dass ich sowohl operativ, wie auch strategisch tätig sein kann.
Herr Sigg, besten Dank für das Interview.
Zur Person:
Persönliche Angaben
Beat R. Sigg (Geb. 27.07.1953)
verheiratet, 2 Söhne
Werdegang
1982 Diplom Ecole Hôtelière SSH Lausanne
4 Semester Jura-Studium, Universität Zürich
Seit August 2007 Direktor EDEN AU LAC, Zürich
2001 – 2007 Chief Executive Officer Dolder Hotel AG, Zürich
1994 – 2001 General Manager Widder Hotel, Zürich
1990 – 1994 General Manager Sheraton Hotel and Resort Limassol, Zypern
1988 – 1990 Resident Manager Sheraton Hotel and Towers, Stockholm
1983 – 1988 Food & Beverage Manager InterContinental Hotel, Frankfurt
Weitere Funktionen / Auszeichnungen
Verwaltungsrat VICTORIA-JUNGFRAU COLLECTION
Verwaltungsrat Kongresshaus Zürich
Verwaltungsrat Zoo Zürich
Verwaltungsrat Crystal Hotel AG St. Moritz
8 Jahre Vorstandsmitglied, davon 6 Jahre Vizepräsident Swiss Deluxe Hotels
Zunftmeister Zunft zu Oberstrass
Hotelier des Jahres 2001 Bertelsmann Verlag
Zum Unternehmen:
Zur kleinen, exklusiven Hotel-Gruppe der VICTORIA-JUNGFRAU COLLECTION gehören das VICTORIA-JUNGFRAU Grand Hotel & Spa in Interlaken, das PALACE LUZERN am Vierwaldstätter See, das BELLEVUE PALACE in Bern sowie das EDEN AU LAC in Zürich. Während sich die Häuser in Interlaken, Luzern und Zürich im Besitz der Victoria-Jungfrau Collection AG befinden, wurde für das BELLEVUE PALACE in Bern ein Pachtvertrag mit der Eigentümerin – der Eidgenossenschaft – unterzeichnet.