Dies habe die eineinhalbjährige Prüfung des Pharmasektors gezeigt, heisst es im Abschlussbericht, der am Mittwoch vorgestellt wurde. Eine erste kartellrechtliche Untersuchung wurde eingeleitet, wie Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes am Mittwoch vor den Medien in Brüssel erklärte. Einige frühere laufen noch und weitere könnten folgen. Der Abschlussbericht sei also erst der Anfang der weiteren Untersuchungen.
«Zeit zu handeln»
Die Kommission müsse sicherstellen, dass wettbewerbswidriges Verhalten gestoppt werden könne. «Die Untersuchung hat uns gezeigt, was falsch läuft, jetzt ist es an der Zeit zu handeln», sagte Kroes. Jede Woche, jeder Monat, um den sich der Markteintritt von Generika verzögere, koste Geld von Patienten und Steuerzahlerinnen. Bei der eingeleiteten kartellrechtlichen Untersuchung sind das französische Unternehmen «Les Laboratoires Servier» sowie mehrere Generika-Unternehmen aus verschiedenen Ländern betroffen. Unter anderem geht es um den Verdacht des Missbrauchs einer beherrschenden Marktposition sowie um wettbewerbswidrige Abkommen.
Appell an Mitgliedstaaten
Trotz der kartellrechtlichen Untersuchung gibt die EU-Kommission anders als noch im Zwischenbericht vom letzten November nicht mehr alleine der Pharmaindustrie die Schuld, dass preiswerte Generika verzögert auf den Markt kommen. So appelliert die Kommission an die Mitgliedstaaten, Zulassungsverfahren für Generika deutlich zu beschleunigen. Die EU-Kommission habe eingesehen, dass verschiedene unzureichende Rechtsvorschriften dafür verantwortlich seien, sagte Thomas Cueni, Geschäftsführer der Schweizer Interpharma und Leiter der Arbeitsgruppe des europäischen Dachverbands der forschenden Pharmaindustrie (EFPIA), in Brüssel vor den Medien.
«Bemerkenswert positives Ergebnis»
Für die Pharmaindustrie sei dies «ein bemerkenswert positives Ergebnis». Dass ein Erfinder nach 15 Jahren Forschung sein Produkt möglichst lange verteidigen wolle, liege in der Natur des Patentsystems, sagte Cueni. Die EU-Kommission hatte kritisiert, dass Hersteller eine Vielzahl Patente lösten, um so Generika vom Markt fernzuhalten. Ein Patent liege grundsätzlich immer im Konflikt mit dem Wettbewerb, erklärte Cueni weiter. Allerdings kann auch er nicht ausschliessen, dass «im Einzelfall jemand über die Stränge geschlagen hat». Schweizer Firmen seien von den jetzigen Untersuchungen nicht betroffen.
Geschäftsräume auch bei Sandoz durchsucht
Die Kommission hatte zu Beginn ihrer Untersuchung im Januar 2008 Geschäftsräume mehrerer Hersteller durchsucht, unter anderem auch bei der Novartis-Tochter Sandoz. Der nun am Mittwoch veröffentlichte Abschlussbericht fordert auch die Schaffung eines Gemeinschaftspatents und einer europäischen Gerichtsbarkeit für Patentstreitigkeiten. Diese Vorschläge werden auch von der Pharmaindustrie unterstützt, wie Cueni bestätigte. (awp/mc/ps/18)