Benno Suter, Partner Deloitte AG, Practice Leader Indirect Taxes Switzerland: MWST bei Banken – am Ziel oder am Ende?

Von Benno Suter

Hohe Erwartungen

Die Mehrwertsteuer (MWST) ist und bleibt für die Financial Industry eine Herausforderung. Aufgrund der vielen Steuerausnahmen verfügen die Banken nur über einen eingeschränkten Vorsteuerabzug. Die Eidg. Steuerverwaltung (ESTV) erneuerte auf den 1. Januar 2008 – fast – alle Ausführungsbestimmungen zur MWST. Die Ausnahme bildet die BB14, welche im Entwurfsstadium stecken blieb. Auch die sich in Beratung befindende Gesetzesreform wird wenig an der Komplexität der MWST bei Banken ändern können. Der noch geltenden BB14 aus dem Jahr 2001 kommt das Verdienst zu, in vielen Bereichen des Bankwesens komplexe Sachverhalte in lesbare Form verpackt zu haben. Die pragmatische Pauschalierung der Vorsteuerkürzung ist grundsätzlich anerkannt und wurde folglich in die neue, finalisierte BB 14a übernommen. Verbesserungsvorschläge sowie Praxisänderungen und -präzisierungen haben sich über die Jahre aufgestaut. Der im Dezember 2007 publizierte Entwurf zur BB14 erfüllte die gehegten Erwartungen klar nicht. Die Wunschliste an die neue BB14 ist sehr lang. Nachfolgende Ausführungen sind auf ausgewählte Themen beschränkt.


Versäumnisse

Off-shoring und Out-sourcing
Im Gegensatz zu Produktion und Handel ist die Auslagerung von Arbeitsschritten im Finanzsektor grundsätzlich mit zusätzlichen Mehrwertsteuerkosten verbunden. Die MWST-ausgenommenen Bankumsätze führen zu einem eingeschränkten Vorsteuerabzug. Wird eigene Wertschöpfung an Dritte (Vorleister) ausgegliedert, lastet darauf anschliessend 7.6% MWST. Oft erbringen die Vorleister qualitativ vergleichbare Leistungen wie die Bank. Damit eröffnet sich die Frage, ob die ausgegliederte Vorleistung ebenfalls zu einer MWST-ausgenommenen Leistung wird. Schon heute können Vorleister diese Regelung beanspruchen, sofern sie in sich geschlossene, MWST-ausgenommene Bankdienstleistungen an die Bank erbringen und diese gegenüber ihren Kunden keinerlei Leistungen hinzufügt. Folglich muss der Vorleister für den Nachweis der Steuerausnahme die Verwendung seiner erbrachten Dienstleistungen durch die Bank kennen. Sachgerecht und für die Anwendung der Steuerausnahme hinreichend wäre der Nachweis des Vorleisters, dass seine Leistungen an die Bank von unabhängigen Bankkunden als eigenständig wahrgenommen, nachgefragt und entschädigt würden.


Konzerninterner Personaltransfer
Die Globalisierung setzt örtlich flexibel einsetzbare Mitarbeiter voraus. Daher werden weltweit gültige, standardisierte Entschädigungsmodelle unabhängig vom Einsatzort vermehrt zur Norm. Im Konzernverhältnis führt dies oft zu sogenannten Assignment- oder Secondmentverträgen mit zentraler Entlöhnung und Weiterbelastung an den Einsatzort. Diese Mitarbeiter sind oft ohne schriftlichen Arbeitsvertrag in die Arbeitsorganisation des Einsatzorts eingebunden, so dass die gegenwärtige Qualifikation als mehrwertsteuerbarer internationaler Personalverleih zu stossenden steuerlichen Zusatzbelastungen führt. Vertreter der ESTV haben anlässlich des IFF-Seminars vom 4. März 2008 in St. Gallen in vergleichbaren Fällen eine Praxisänderung zu Gunsten der Annahme eines mehrwertsteuerlich neutralen Lohnaufwands in Aussicht gestellt, was erfreulich ist.&


Vermittlungstätigkeit
Das MWSTG sieht vor, dass die Vermittlung von Wertschriften, Devisen, Krediten und verschiedenen anderen Bankprodukten von der MWST ausgenommen ist. Noch immer wird vorausgesetzt, dass diese Vermittlungstätigkeit das ausdrückliche Handeln im Namen und auf Rechnung des Vertretenen bedingt. Soweit die Bank einer Vermittlungstätigkeit nachgeht, kann sie infolge des Bankkundengeheimnisses aber nicht im Namen des Auftraggebers auftreten. Soweit eine Drittpartei, z.B. ein Garagist oder Kleinkreditvermittler, für die Bank vermittelt, fehlt es regelmässig am Recht, im Namen der Bank abschliessen zu dürfen. Die aktuelle Interpretation der Ausnahmeregelung über die Bankvermittlung, welche die explizite direkte Stellvertretung voraussetzt, läuft in der Praxis meist ins Leere. Eine grosszügigere Auslegung des Vermittlungsbegriffs im Bankgeschäft ist ernsthaft zu prüfen.


Bezug von unentgeltlichen Konzerndienstleistungen
Ein aktueller – allerdings angefochtener – Entscheid der Steuerrekurskommission aus 2006 über die Preisfestsetzung konzerninterner Leistungen ausländischer Gruppengesellschaften an eine Schweizer Bank blieb im Entwurf BB 14 unberücksichtigt. Vereinfacht geht es darum, dass eine unentgeltlich (weder gegen bar noch gegen unmittelbar verknüpften Tausch) erbrachte Dienstleistung im Konzernverhältnis mangels Entgelt keine mehrwertsteuerliche Anknüpfung hat; hingegen wäre auf Ebene des Leistungserbringers die Eigenverbrauchsbesteuerung zu prüfen. In ähnlicher Sache könnte die BB14 eine Pionierrolle übernehmen, indem praktikable, zielharmonische Lösungsansätze für internationales Costpooling und profitbasierende Transfer Pricing Modelle gemäss OECD Guidelines aufgezeigt werden.

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Vereinfachungen?


MWST-Berechnung Pro Rata Temporis
Neu sollen gemäss Entwurf der BB14 steuerbare, sich über längere Perioden erstreckende Bankdienstleistungen bei grenzüberschreitender Sitzverlegung eines Kunden pro rata temporis auf den Inland- und Auslandanteil aufgeteilt werden. Diese Auslegung ist zwar nicht völlig aus der Luft gegriffen, aber wenig praktikabel. Unter der Annahme, dass sich die üblichen Migrationsbewegungen die Waage halten, sollte diese pro rata temporis Bemessung ersatzlos aus dem Entwurf gestrichen werden.


Fondsvertrieb
Die Anpassungen für den Fondsvertrieb sind hauptsächlich durch die Einführung des Kollektivanlagegesetzes (KAG) per 1.1.2007 bedingt. Leider besticht der Entwurf in dieser Sache noch nicht überall durch Verständlichkeit. Es ist zu wünschen, dass hier die Schlussfassung der BB14 schematischer wird. Vertriebsentschädigungen für nicht dem KAG unterstellte Anlagen mutieren unbesehen zu mehrwertsteuerbaren «Finder’s Fee». Diese Simplifizierung sollte in der BB14 einer systematischeren Analyse über andere Steuerausnahmen im Wertschriftengeschäft weichen. Ferner wären die formellen Anforderungen an die Aufgabendelegation der dem KAG unterstellten Anlagefonds zu vereinfachen. Es wäre prüfenswert, dass Banken und Effektenhändler die Steuerausnahme auf einmaligen und wiederkehrenden Vertriebsentschädigungen auch ohne komplexe, explizit festgehaltene direkte Stellvertretungen der Fondsleitung oder Depotbank geltend machen dürfen, sofern der Nachweis der Unterstellung des Fonds bzw. dessen Schweizer Vertriebs unter das KAG erbracht wird.


Passive Investmentgesellschaft
Wie zu erwarten wurden im Entwurf die Regeln für die umstrittenen passiven Investmentgesellschaften gefestigt. Das ausländische Domizil von passiven Investmentgesellschaften soll für die Steuerbefreiung aberkannt bleiben, falls diese ohne aktive Geschäftstätigkeit «off-shore» domiziliert sind, aber von Personen mit Sitz in der Schweiz oder dem Fürstentum Liechtenstein kontrolliert werden. Die entworfene neue «Safe Haven»-Regel fokussiert sich in erster Linie auf den Aktivitätsgrad der Auftraggeberin vor Ort (Managemententscheide, kompetentes Personal, Infrastruktur), damit der Status einer ausländischen aktiven Investmentgesellschaft erlangt wird. Unklar ist, wie der Leistungserbringer den Aktivitätsgrad einer unabhängigen ausländischen Auftraggeberin prüfen darf und kann und ob dies im Konzernverhältnis der Verlagerung von qualifizierten Arbeitsstellen ins Ausland Vorschub leistet. Unerwünschte negative Einflüsse auf den Standort Schweiz sind zu minimieren, weshalb die ganze Thematik auf Einzelfälle der offensichtlichen Steuerumgehung zu reduzieren ist.

(Deloitte/mc/hfu)

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