Die Grossbank habe auch ihre Aufklärungspflicht nicht verletzt, als sie dem Berner Kleinanleger Anlageprodukte verkaufte, die beim Zusammenbruch der Lehman Brothers wertlos wurden. Das entschied das Berner Handelsgericht am Mittwoch nach einer öffentlichen Urteilsberatung.
Forderung nach «0,0% USA» in Anlagen
Beim Kleinanleger handelt es sich um den früheren Spitzen-Langstreckenläufer und Grafiker Hugo Rey. Er hatte dem CS-Anlageberater gesagt, aus Abneigung gegen die Politik des früheren US-Präsidenten George Bush wolle er «0,0% USA» in seinen Anlagen. In seiner Klageschrift warf er der CS vor, das mit dem Kauf dieses Anlageprodukts verbundene Risiko nicht erwähnt zu haben. Zudem habe ihm der Anlageberater den Herausgeber des Anlageprodukts als niederländische Bank vorgestellt und verschwiegen, dass hinter dieser Lehman-Tochter die US-Grossbank steckt. Auch bei anderen Anlageberatungen habe die CS «Desinformation» betrieben, so Rey in der Klageschrift.
50’000 CHF verloren
Rey, der nach dem Einmarsch der US-Truppen in Irak nicht mehr in die USA reiste und seine Geschäftstätigkeit als Betreuer von Marathon-Teilnehmern in den USA aufgab, verlor mit dem Lehman-Anlageprodukt rund 50’000 CHF. Im vorliegenden Fall gehe es nicht um einen Vermögensverwaltungsvertrag, bei dem die Bank nach Weisungen des Kunden handle. Es gehe um einen Anlageberatungsvertrag, bei dem der Bankangestellte Empfehlungen abgegeben und Rey entschieden habe. Das hielt das Berner Handelsgericht Rey nun aber am Mittwoch vor.
Auch eine gewisse Verantwortung des Anlegers
In dieser Situation «gibt es halt auch eine gewisse Verantwortung des Anlegers», sagte ein Richter.
Das dreiköpfige Gericht warf Rey auch vor, den Anspruch «0,0% USA» nicht konsequent verfolgt zu haben. Schon bei einem Anlageentscheid im Jahr 2005, also weit vor dem Lehman-Brothers-Crash von 2008, habe er Geld in einen Fonds gesteckt, in dem Aktien einer US-Firma vertreten gewesen seien. Das habe Rey auf dem «Fact Sheet» der Credit Suisse, das er erwiesenermassen erhalten habe, sehen können. Das Gericht erklärte aber auch, es müsse sein Urteil aufgrund der vorhandenen Akten fällen. Es gebe keine schriftlichen Notizen der Gespräche, die Rey und sein Anlageberater geführt hätten.
Vergleichsverhandlungen ausgeschlagen
Rey hat im Verlauf des Prozesses bewusst auf den Vorschlag des Gerichts verzichtet, mit der CS Vergleichsverhandlungen aufzunehmen. Er wollte die CS verurteilt sehen. Nach dem Urteil sagte er auf Anfrage, er tendiere dazu, den Entscheid vor Bundesgericht anzufechten. Er werde aber zuerst die Klageantwort der CS analysieren. Den Prozess verfolgten zahlreiche Medienvertreter und viel Publikum. Zahlreiche Besucher waren – wie Rey – Mitglieder der Schutzgemeinschaft der Lehman-Anlageopfer. Das ging aus Schildern hervor, die sie vor und nach dem Prozess vor dem Gebäude in die Höhe streckten. (awp/mc/gh/20)