Chur – Das Ausstellungsprogramm 2020 zeigt vier Einzelausstellungen sowie eine grosse thematische Ausstellung zum «Totentanz», die gleichzeitig mit dem Domschatzmuseum Ende August eröffnet und in Chur einen besonderen Akzent setzen wird. Den Auftakt bildet die Ausstellung der Schriftstellerin und Künstlerin Erica Pedretti, die im Februar ihren 90. Geburtstag feiern kann. Zusammen mit den Künstlerinnen Evelina Cajacob und Ludovica Carbotta, die ebenfalls mit eigenen Ausstellungen gewürdigt werden, sorgen Künstlerinnen verschiedener Generationen für einen starken Beginn des Jahresprogramms.
Erica Pedretti. Fremd genug. 22. Februar – 7. Juni 2020
Erica Pedretti (*1930) ist eine Ausnahmeerscheinung in der Schweizer Kunst und Literatur. Neben ihren Erfolgen als Schriftstellerin hat sie als bildende Künstlerin ein eigenständiges Werk geschaffen, das heute neu entdeckt werden kann. Erica Pedretti übersiedelte 1946 von Tschechien in die Schweiz. Mit ihrem Mann, dem Maler Gian Pedretti, und ihren fünf Kindern lebte sie in La Neuve-ville und in Celerina. Mit ihren «Flügelwesen» trat Erica Pedretti in den 70er-Jahren erstmals als bildende Künstlerin an die Öffentlichkeit und entwickelte daraus eine grosse Familie von vogel- oder fischähnlichen Objekten. Diesen stellte sie skelettartige Strukturen gegenüber. Parallel dazu entsteht ein äusserst feines zeichnerisches Werk. Die Ausstellung ist in Zusammenarbeit mit dem NMB Neues Museum Biel entstanden. Für die Präsentation im Bündner Kunstmuseum konnten die Künstlerin Katalin Deér und der Architekt Lukas Furrer gewonnen werden.
Evelina Cajacob. tanzen anders. 21. März – 7. Juni 2020
Seit mehr als 25 Jahren entwickelt Evelina Cajacob (*1961) ein subtiles und vielschichtiges Werk, das in dieser Ausstellung erstmals im Überblick gezeigt wird. Die Ausstellung «tanzen anders» umfasst Objekte, Zeichnungen und Videoinstallationen und erstreckt sich über elf Räume des Bündner Kunstmuseums. Thematische Reihen mit poetischen Zeichnungen, das Interesse für Materialität und die dazugehörige Handarbeit sind Schwerpunkte, um die die Bündner Künstlerin immer wieder kreist. Es gibt aber auch die Beschäftigung mit Vorstellungen von Zeit, Bewegung und Wiederholung. Und letztlich zieht sich die Auseinandersetzung mit der Linie wie ein roter Faden durch ihr Werk. In schwebender Leichtigkeit führt uns die Künstlerin durch eine fragile Bildwelt, die emotionale und gedankliche Lebensbereiche gleichermassen berührt. Die Ausstellung ist in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Bochum entstanden.
Ludovica Carbotta. Die Telamonen. 21. März – 2. August 2020
Ludovica Carbotta (*1982) realisiert mit dem Auftritt im Bündner Kunstmuseum ihre erste Einzelausstellung in der Schweiz. Die italienische Künstlerin lässt sich von den Werken der Giacometti-Dynastie inspirieren und entwickelt daraus eine neue Gruppe von Skulpturen, welche sich auf das Konzept der Familie bezieht. Jeder Skulptur verleiht sie dabei ein eigenes Alter. Ludovica Carbotta hinterfragt die Familie als erstrebenswerte Beziehungsform und setzt sie in Beziehung zu Aspekten wie Identität oder Selbstbestimmung. Parallel zur Ausstellung im Bündner Kunstmuseum wird eine Skulptur in der Natur platziert. Als Teil der Ausstellung werden wir uns auf den Weg machen, um die ausgesetzte Skulptur zu finden und sie zurück in den Kreis der Familie zu führen.
Roman Signer.
Skizzen: 27. Juni – 13. September 2020
Installation: 27. Juni – 9. August 2020
Roman Signer (*1938) ist als Objektkünstler bekannt, der immer wieder Alltagsgegenstände verwendet und diese energetischen Prozessen aussetzt, sodass Bewegung und Veränderung zum zentralen Thema seiner Kunst werden. Seine Werke behalten sich stets einen experimentellen Charakter, werden aber minutiös vorbereitet. Ganz am Anfang steht aber eine Ideenskizze, in der Roman Signer mit schnellen Strich entwickelt, was er sich mit spielerischem Ernst ausgedacht hat und nach Möglichkeit einmal umzusetzen möchte. So sind weit über tausend Blätter entstanden, in denen der Kern des Schaffens von Roman Signer formuliert ist. Zum ersten Mal werden sie in grossem Umfang gezeigt und in einer umfassenden Publikation dokumentiert. Zudem zeigt das Bündner Kunstmuseum im Erweiterungsbau eine neue Arbeit des Künstlers.
Liebeslust und Totentanz. Ein Pas de Deux. 29. August – 22. November 2020
Ausgangspunkt der Ausstellung sind die Todesbilder, die 1543 nach den berühmten Holzschnitten von Hans Holbein d.J. für das Bischöfliche Schloss in Chur geschaffen wurden und ab Herbst 2020 nach vielen Jahren erstmals wieder öffentlich zugänglich sind. Für das Bündner Kunstmuseum ist das der Anlass, dem Thema «Totentanz» eine eigene Ausstellung zu widmen. Statt der ikonographischen Tradition der Konfrontation des Lebens mit dem Tod zu folgen, stehen in der Ausstellung der Tanz, die Bewegung, die Ekstase bis hin zur Auflösung im Tod im Zentrum. Die höchste Vergegenwärtigung schlägt um in ihr Gegenteil, bis nur noch Ahnung und Schatten bleiben. Die Ausstellung spannt einen Bogen vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart und konfrontiert uns mit Liebe und Tod in einer reichen Feier des Augenblickes und seiner Vergänglichkeit. Eine Ausstellung von Stephan Kunz und Stefan Zweifel.
Als wir verschwanden. Vier Videoarbeiten.
Yuri Ancarani, Julius von Bismarck, Julian Rosefeldt, Superflex
29. August – 22. November 2020
Zukünftige Generationen werden uns nicht verzeihen. Sie werden keine ruhmreichen Geschichten von der Eroberung des Mondes oder dem Siegeszug des Internets erzählen. Sie werden zurückblicken und Ausbeutung, Ungleichheit oder Machtmissbrauch sehen. In der Ausstellung Als wir verschwanden versetzen wir uns in die Perspektive unserer Nachkommen und betrachten die Gegenwart mit den Augen unserer künftigen Kinder. Einer lückenhaften Erinnerung gleich offenbaren sich die vier Videos der Ausstellung als Bruchstücke unserer innersten Ahnungen. Die Videos demaskieren uns im Blick derer, die wir ignoriert haben. Das Labor des Bündner Kunstmuseums wird zum Kino: Gezeigt werden in einer zeitlichen Staffelung Videofilme von Julian Rosefeldt, Superflex, Yuri Ancarani und Julius von Bismarck.
Willy Reber. 3. Oktober – 29. November 2020
Vieles in der Biographie von Willy Reber (1922-1995) liegt im Dunkeln. Der Arzt und Mitarbeiter des Schweizer Nachrichtendienstes hat sich in Valbella weitgehend zurückgezogen und auch sein insgeheim geschaffenes künstlerisches Werk hat er der Öffentlichkeit vorenthalten. Über 2500 Zeichnungen, Collagen, Aquarelle, Objekte und Keramiken sind erhalten. Prägend für Willy Reber waren zuerst Studienkurse beim Berner Surrealisten Otto Tschumi, später vor allem die Begegnung mit dem Werk von Joseph Beuys. Die Ausstellung im Bündner Kunstmuseum zeigt einen konzentrierten Blick auf das bildnerische Schaffen Willy Rebers, dessen Leben und Werk in einer umfassenden Monographie dokumentiert werden.
Jahresausstellung der Bündner Künstlerinnen und Künstler
13. Dezember 2020 – 31. Januar 2021
Zum Abschluss des Ausstellungsprogramms 2020 präsentiert das Bündner Kunstmuseum Chur die Jahresausstellung der Bündner Künstlerinnen und Künstler. Die Ausstellung bietet einen Überblick über das aktuelle Kunstschaffen in und aus Graubünden. Für die jurierte Jahresausstellung sind Kunstschaffende teilnahmeberechtigt, die Bürgerinnen oder Bürger von Graubünden oder hier aufgewachsen sind, sowie alle, die festen Wohnsitz im Kanton haben.
Zu allen Ausstellungen gibt es ein attraktives Rahmenprogramm mit zahlreichen Sonderveranstaltungen. Detaillierte Informationen finden sich vor Ausstellungsbeginn. (Bündner Kunstmuseum/mc/kbo)