Von Helmuth Fuchs
Informationsoffensive nach Medienkritik
Nach den in den letzte Wochen gehäuften kritischen Berichten in den Medien über die Leistung der Bundesanwaltschaft (BA), tritt der Bundesanwalt Valentin Roschacher mit einer Informationsoffensive (Pressekonferenz am letzten Montag, Auftritt gestern Mittwoch in der «Rundschau») seinen Kritikern entgegen.
Heute haben er und der stellvertretende Bundesanwalt Claude Nicati in Bern über den bevorstehenden Abschluss der nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 eingeleiteten Ermittlungen informiert. Die Resultate sind, wie Valentin Roschacher selbst ausführte, nüchtern und unspektakulär.
Schweiz spielt in den Fällen keine zentrale Rolle
Die Bundesanwaltschaft hat jetzt drei Verfahren abgeschlossen und wird in den nächsten Wochen dem Eidgenössischen Untersuchungsrichteramt die Fälle zur Weiterbearbeitung im Rahmen der Eidgenössischen Voruntersuchung (zweite Phase im dreiteiligen Strafverfahren des Bundes) überwiesen. Für alle Verdächtigen gilt nach wie vor die Unschuldsvermutung.
Grundsätzlich lässt sich nach Einschätzung des Bundesanwalts aufgrund der in den Ermittlungen gewonnen Erkenntnissen feststellen, dass die Schweiz in den kriminellen Aktivitäten des internationalen Terrornetzwerks Al-Qaida zwar bislang keine zentrale Rolle gespielt hat, aber von mutmasslichen Delikten im Bereich dessen logistischer Unterstützung und der Finanzierung mitbetroffen ist.
Die drei übermittelten Verfahren
Im ersten Fall handelt es sich um ein Ermittlungsverfahren gegen zwei Verantwortliche der in Lugano ansässigen Finanzgesellschaft «Nada Management Organization SA» (früher «Al Taqwa»). Die BA beschlagnahmte am 7. November 2001 in einer mit Italien und Liechtenstein international koordinierten Aktion eine grosse Anzahl von Dokumenten. Die beiden Beschuldigten stehen unter Verdacht, dass über die von ihnen eingerichteten Finanzkanäle zur Unterstützung terroristischer Aktivitäten dienende Gelder in die Schweiz und aus der Schweiz geflossen sind.
Im zweiten Fall steht ein saudischer Geschäftsmann unter Verdacht, als ehemaliger Vorsitzender einer Wohltätigkeits-Stiftung namens «Muwafaq» Vermögenswerte in Millionenhöhe an Personen, die eng mit dem Netzwerk Al-Qaida verbunden sind, über Schweizer Bankkonten transferiert zu haben. Die Bundesanwaltschaft sperrte Gelder in der Höhe eines zweistelligen Millionenbetrags in US-Dollar auf einer Bank in Genf.
Im dritten Fall ermittelte die BA im Zusammenhang mit dem Anschlag von Ryiad vom 12. Mai 2003, bei welchem auch ein Schweizer Staatsbürger getötet wurde. In Ryiad wurden bei verschiedenen Personen, die enge Kontakte mit den Attentätern unterhielten, Indizien für telefonische Kontakte in die Schweiz gefunden, konkret 36 Schweizer Telefonnummern. Die Bundesanwaltschaft eröffnete hier am 20. Mai 2003 ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Täterschaft unter anderem wegen des Verdachts der Unterstützung einer kriminellen Organisation und dehnte dieses Verfahren zwischen September und Dezember auf eine Gruppe von neun Personen ausländischer Staatsbürgerschaft mit Aufenthalt in der Schweiz aus. Die Ermittlungen führten am 22. Dezember 2003 zur einer ersten Verhaftung eines Beschuldigten. Weitere acht Verhaftungen sowie umfangreiche Hausdurchsuchungen in den Kantonen VD, GE, BE AG und ZH wurden am 8. Januar 2004 durchgeführt. Im Rahmen des Verfahrens stellte die Bundesanwaltschaft Rechtshilfeersuchen an Saudi-Arabien, Katar, Jemen, Belgien, Italien, Deutschland und Frankreich. Vier der Beschuldigte wurden inzwischen aus der Untersuchungshaft entlassen, weil für diese keine Kollusionsgefahr mehr besteht. Das Verfahren gegen diese Personen läuft indessen weiter. Anfangs Mai 2004 wurde eine weitere ins Verfahren einbezogene Person in Untersuchungshaft genommen, so dass sich zum heutigen Zeitpunkt im Rahmen dieses Verfahrens von insgesamt zehn Verhafteten noch deren sechs in Untersuchungshaft befinden.