Der «Dialog» über die unterschiedlichen Steuersysteme der EU und der Schweiz beginnt nächste Woche. Der Bundesrat habe sich zum Ziel gesetzt, die Wettbewerbsfähigkeit und die Steuerautonomie zu wahren, ohne den bilateralen Weg und die Unternehmenssteuerreform zu gefährden, sagte Merz in Bern.
Keine Anpassung des Steuersystems auf Druck der EU
Der im Auftrag der ständerätlichen Wirtschaftskommission (WAK) erarbeitete Bericht sei ein reiner Faktenrapport, der bewusst auf jede politische Wertung verzichte, sagte Merz. Klar sei aber, dass der Bundesrat das schweizerische Steuersystem nicht auf Druck der EU anpassen werde.
Unterschiedliche Ansichten zu kantonalen Steuerprivilegien
Nach Ansicht der EU verletzen die kantonalen Steuerprivilegien als «staatliche Beihilfen» das Freihandelsabkommen von 1972. Der Bundesrat stellt sich dagegen auf den Standpunkt, das Abkommen betreffe nur den Warenhandel. Kein Vertrag verpflichte die Schweiz dazu, ihre Unternehmensbesteuerung jener der EU anzugleichen.
Wie Merz referierte, gehen die Schweiz und die EU von gegensätzlichen Grundsätzen aus. Die EU schränke den Steuerwettbewerb ein, die Schweiz werte den Steuerwettbewerb positiv. In der EU gelte ein Beihilfeverbot mit Erlaubnisvorbehalt, in der Schweiz Steuerwettbewerb mit Verbotsvorbehalt. Staatliche Beihilfen seien in der EU weit verbreitet und würden als mit dem Binnenmarkt vereinbar beurteilt, sagte Merz. Nach schweizerischen Berechnungen hätten sie ein Volumen von 75 bis 80 Mrd CHF. Wenn es um den Steuerwettbewerb zwischen EU-Mitgliedstaaten gehe, sei die EU aber eher kritisch.
Wettbewerb der Systeme zentral
Für die Schweiz sei der Wettbewerb der Systeme zentral, sagte Merz. Die Schweiz setze weniger auf direkte Beihilfen, sondern auf eine wirtschaftsfreundliche Ausgestaltung der Rahmenbedingungen. Steuerwettbewerb setze wichtige Anreize, stärke die Effizienz und fördere Innovationen im öffentlichen Sektor.
Steuerliche Attraktivität zur Kompensation des kleinen Binnenmarktes
Die Schweiz sei darauf angewiesen, auf steuerlichem Gebiet attraktiv zu bleiben und so die Kleinheit ihres Binnenmarktes zu kompensieren, sagte der Finanzminister. Dem Steuerwettbewerb komme deshalb wirtschaftspolitisch eine Schlüsselrolle zu. Der Bericht werde für den kommenden Dialog mit der EU nützlich sein.
Botschafter Karrer leitet Delegation
Dieser Dialog finde auf Fachebene statt, gab Merz bekannt. Die Schweizer Delegation werde von Botschafter Alexander Karrer von der Abteilung internationale Finanzfragen und Währungspolitik im Finanzdepartement (EFD) geleitet. Es gehe um einen «Austausch der Standpunkte» ohne das Ziel, einen Entscheid herbeizuführen.
«Gespräch unter guten Nachbarn»
Die Schweizer Delegation werde ohne eine Drohkulisse der EU, dem wichtigsten Handelspartner, das gewachsene, demokratisch gewollte und autonom gestaltete System der Schweiz erklären. Zweck des Dialogs sei keine vertragliche Lösung, sondern «das Gespräch unter guten Nachbarn», schloss Merz.