Bundesrat Merz gibt Lebenszeichen, aber wenig Anlass zur Hoffnung


Das Positive vorneweg. Es gibt ihn noch, unseren Finanzminister. In rekordverdächtigem Tempo wurde aber aus einem strahlenden Optimisten ein glanzlos Verzagter. Angekommen in den politischen Realitäten, fehlen jegliche Visionen.

Von Helmuth Fuchs

Luxus höher besteuern und Stellen abbauen
Auch Bundesrat Hans-Rudolf Merz schafft es nicht, über das scheinbar Offensichtliche hinaus zu denken, oder im Bundesrat Allianzen für Neues und Ungewöhnliches zu finden. Deshalb fällt ihm zur Sanierung der Bundesfinanzen nicht viel Originelles ein: Höhere Steuern auf Zigaretten und Alkohol, «sozialverträglicher» Stellenabbau. Dass dies nur schmerzmindernde «Pflästerli» zur Beruhigung der politischen Gegner sind (und das sind für den Finanzminister jene, die etwas zu verlieren oder weniger zu verteilen haben, sprich alle Politiker und Lobbyisten), hat auch Bundesrat Merz erkannt und längerfristig tiefgreifende Systemreformen angekündigt. Als Einsatzfelder nannte Merz den Sozialbereich, die Hochschulen, die Bahnen und die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen.

Keine Vision und Strategie in SichtDiese Ankündigungen geben keinen Anlass zur Hoffnung, dass einige der fundamentalen Probleme unseres Landes angegangen werden. Wenn man sich anschaut, wie der Tabak und Alkoholkonsum verteilt ist, kann man folgendes feststellen: Bessere Ausbildung = bessere Gesundheit und Anstieg des Rauchens bei den Jugendlichen (und dort vor allem bei den Frauen). Das heisst, durch die Erhöhung der Tabak und Alkoholsteuer werden vor allem die Mittel- und Unterschicht und die Jugendlichen zur Kasse gebeten.

Mittelschicht und Jugendliche schröpfen, Bildung verschlechternOhne dem Bundesrat hier böse Absicht unterstellen zu wollen, aber in der Konsequenz bestechend, wird das Bildungswesen (vor allem der Bereich der Universitäten) vermehrt zum Opfer der Sparübungen. Die Menge der schlechter Ausgebildeten wird grösser und damit auch die Menge der Raucherinnen und Alkoholkonsumenten, die Steuereinnahmen steigen. Clever, Herr Bundesrat. Dass diese Leute dann gesundheitsbedingt schlechter in der Lage sind, die ihnen statistisch auferlegten und in der Menge wachsenden AHV-Bezüger zu ernähren ist nur einer der unschönen Kurzschlüsse im System.

Oder ist der Bundesrat doch viel weitsichtiger als vermutet und hebt die Steuern an, damit der Konsum sinkt, aber die Volksgesundheit besser wird und damit mehr Leistung erbracht wird? Das würde dann wieder von Weitsicht zeugen, auch wenn dadurch die vom Finanzminister erhofften Steuern ausblieben.

Kostenlose Steuerhilfe für KMUsAnstatt durch die Entlassung von Bundespersonal die Arbeitslosenkasse, Sozialhilfe und Invalidenversicherung noch weiter zu strapazieren (oder glaubt der Bundesrat ernsthaft, dass der Arbeitsmarkt auf freigestelltes Bundespersonal gewartet hat?) könnten zum Beispiel Experten des Finanzamtes die KMU (kleine und Mittlere Unternehmen) bei der jährlichen Bewältigung der unsinnig komplizierten Steuererklärung entlasten. Das würde zugleich das Verständnis der Beamten für die Auswirkung ihrer Erlasse und Prozesse stärken und über die Zeit erhebliche Verbesserungen bringen.
Da die Steuerberater in der Wirtschaft inzwischen selbst eingesehen haben, dass ihre Arbeit eigentlich eine Verschwendung von Geldern ist und sich nur dank der unnötig komplizierten Steuererhebung in der Schweiz rechtfertigen lässt, ist hier auch wenig Konkurrenz zu fürchten.

Politische Führung statt stiller NachvollzugGrundsätzlich darf man vom Bundesrat gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zumindest geistig antizyklisches Verhalten erwarten:
Führende Intellektuelle und Hochschulen fördern statt tatenlos dem «Brain drain» zuschauenGrosse Würfe wie olympische Spiele ermöglichenFür das Volksempfinden wichtige Bauten wie das neue Fussballstadion in Zürich unterstützenRaum für Kunst und Lebensstil schaffen (Gefässe wie die Expo02)
Bis anhin lässt vor allem Bundesrat Merz die politische Führung vermissen, was um so schmerzlicher ist, da er mit viel selbst gesäten Vorschusslorbeeren angetreten ist. Für positive Überraschungen ist es jedoch nie zu spät. Wir warten.

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Hans-Rudolf Merz 
Bundesrat, Leiter EFD
 
Dr.rer.publ. Hans-Rudolf Merz.
Geboren 10. November 1942 in Herisau.
Bürger von Beinwil am See (AG).

Studium an der Hochschule St. Gallen (HSG).
1971 Dissertation «Finanz- und Verwaltungsvermögen in öffentlich-rechtlicher und wirtschaftlicher Betrachtungsweise».

1969 bis 1974 Sekretär der FDP St. Gallen,
Geschäftsführer des Industrievereins Appenzell Ausserrhoden.
1974 bis 1977 Vizedirektor des Ausbildungszentrums Wolfsberg der UBS.
1977 bis 2003 Selbständiger Unternehmensberater.

Vor der Bundesratswahl
– Verwaltungsratspräsident der Helvetia Patria-Versicherungen St. Gallen, der AG Cilander Textilveredlung, Herisau, und der Beteiligungsgesellschaft Anova Holding AG, Hurden.
– Weitere Verwaltungsratsmandate in Firmen der Kabelindustrie.

1997 Ständerat des Kantons Appenzell Ausserrhoden
Präsident der Finanzkommission, Mitglied der aussenpolitischen und der sicherheitspolitischen Kommission.
Vizepräsident der OSZE-Delegation.

Im Dezember 2003 Wahl in den Bundesrat.

Hans-Rudolf Merz ist verheiratet und Vater von drei erwachsenen Söhnen. Kultur und Sport stehen im Mittelpunkt seiner Freizeitaktivitäten; Oper, Jazz, Kulturgeschichte, Belletristik, Eishockey zählen zu seinen Hobbies. Vor der Wahl in die Landesregierung war er Präsident des Volkskunde-Museums Stein / AR und der Ferdinand-Gehr-Stiftung St. Gallen sowie Mitglied des Verwaltungsrats des Stadttheaters St. Gallen und des Stiftungsrats der Steinegg-Stiftung.

Im Militär bekleidete Hans-Rudolf Merz den Rang eines Majors.

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