Bundesrat will Mehrwertsteuer-Einheitssatz
Die von Finanzminister Hans-Rudolf Merz präsentierte Botschaft hat zwei Teile. Wenig umstritten ist eine Totalrevision des MWST-Gesetzes mit Vereinfachungen in 50 Punkten. Aufs Ganze geht der Bundesrat mit der zweiten Vorlage, die zusätzlich den Einheitssatz und die Abschaffung der Ausnahmen bringt. «Ich bin überzeugt, dass das für die Schweiz die beste Lösung ist», sagte Merz vor den Medien zu seinem Wagemut. «Dies werden auch die Kritiker einsehen, wenn sie die Unterlagen genau studiert haben.» Scheitere der Einheitssatz, bleibe als Alternative die Totalrevision allein. Eine Lösung mit zwei Sätzen brächte nichts.
Einheitssatz von 6,1 % statt drei verschiedene Sätze
Der in der Konsultation zerzauste Einheitssatz von 6,1% soll die drei Sätze (7,6% normal, 3,6% Hotellerie, 2,4% täglicher Bedarf) ablösen. Ringen sich das Parlament und dann auch Volk und Stände zu dieser Pioniertat durch, erhält die Schweiz die einfachste und weitaus tiefste MWST in Europa.
Keine Ausnahme für Gesundheits- und Sozialbereich…
Um die leidigen Abgrenzungsprobleme zu beseitigen und die Basis der Steuer zu erweitern, will der Bundesrat 20 der 25 Ausnahmen aufheben. Trotz steifem Gegenwind beschloss er dies auch für den Gesundheits- und Sozialbereich, wo die Schattensteuer (taxe occulte) besonders stört. Hier werden zu den bisherigen 5’000 gegen 24’000 weitere Unternehmen steuerpflichtig.
… sowie für Vereine und gemeinnützige Institutionen
Auch ehrenamtlich geführte Vereine (beispielsweise im Sport) und gemeinnützige Institutionen sollen von der MWST nicht mehr ausgenommen sein. Der Bundesrat schlägt aber vor, die Umsatzgrenze für die Steuerpflicht auf 300’000 CHF zu erhöhen, so dass die Zahl der Abrechnungspflichtigen kaum steigen wird.
Fünf Bereiche von MWST ausgenommen
Fünf Bereiche bleiben von der MWST weiterhin ausgenommen, weil ihre Befreiung technisch nicht möglich ist oder zu aufwendig wäre: die Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, die Umsätze bei Lotterien und andern Glücksspielen, Verkauf und Vermietung von Immobilien, Land- und Forstwirtschaft sowie die Leistungen innerhalb eines Gemeinwesens.
Teuerungsschub von 2,5 % bei Krankenkassenprämien
Die Steuer auf Spital-, Arzt- und andern Gesundheitsleistungen führt zu einem einmaligen Teuerungsschub von 2,5% bei den Krankenkassenprämien, doch wird dieser laut Bundesrat durch die Effizienzgewinne gedämpft. Wegen der Einführung des Einheitssatzes droht im Übrigen Familien mit Kindern und Rentnerhaushalten eine Mehrbelastung.
Bund will zum Ausgleich 380 Mio. Franken bereitstellen
Um diese Mehrbelastung für die einkommensschwächsten 40 Prozent der Haushalte auszugleichen, will der Bundesrat 0,1 MWST-Prozentpunkte oder rund 380 Mio CHF bereitstellen. Die Kantone sollen dieses Geld vorzugsweise über den Kanal der KVG-Prämienverbilligung verteilen, was pro Person etwa 170 CHF im Jahr ausmacht.
«Fast alles wird billiger»
Kurzfristig kostet der Einheitssatz die Haushalte etwa 6 CHF pro Monat mehr. Während Gesundheit, Nahrung, Kultur, Sport, Bildung und Beherbergung teurer werden, sinkt die MWST im öffentlichen Verkehr und im Restaurant, beispielsweise aber auch auf Elektronik, Autos, Möbeln, Kleidern, Benzin und Heizöl. «Fast alles wird billiger», freute sich Merz.
Langfristig positive Auswirkungen
Auf die real verfügbaren Einkommen der Haushalte hat der Einheitssatz laut Bundesrat langfristig positive Auswirkungen. Experten rechnen mit einer Zunahme zwischen 0,1 und 0,7% oder um bis zu 2,2 Mrd CHF. Pro Haushalt macht dies im Jahr 100 bis 700 CHF aus. Das zusätzlich ausgelöste Wirtschaftswachstum wird auf 0,3 bis 0,8% geschätzt.
Kostensenkungen für 320’000 steuerpflichtige Unternehmen
Den rund 320’000 steuerpflichtigen Unternehmen ermöglicht die für den Fiskus weitgehend haushaltneutrale Reform Kostensenkungen von 20 bis 30%. Dazu trägt wesentlich die Totalrevision des MWST-Gesetzes bei. Die 50 Massnahmen sollen administrative Entlastungen, mehr «Kundenfreundlichkeit» und mehr Effizienz, aber auch mehr Rechtssicherheit bringen. (awp/mc/pg)