Carl Elsener jun., Direktor Victorinox

von Patrick Gunti


Herr Elsener, die Marke Victorinox gilt als Institution, als Verkörperung von Swissness schlechthin, ausserdem hat das Unternehmen den Ruf eines besonders mitarbeiterfreundlichen Arbeitgebers – wie nehmen Sie selbst das Image des Unternehmens in der Öffentlichkeit wahr?


Die täglich eintreffenden Briefe und  E-Mails zeigen mir, dass wir mit unseren Produkten, aber auch mit unserer Haltung gegenüber unseren Mitarbeitenden und der Öffentlichkeit auf viel Sympathie stossen. Bereits der Firmengründer hat vor fast 125 Jahren in sein Credo gesetzt: unseren Mitmenschen mit praktischen und funktionstüchtigen Erzeugnissen zu dienen. In diesem Sinne haben wir uns über Generationen diesem Leitgedanken verpflichtet.


Wie lautet das Erfolgsrezept von Victorinox aus Ihrer persönlichen Sicht?


Rezepte reichen für erfolgreiche Unternehmensführung nur bedingt. Wir verstehen uns als Marke, die für hohe Qualität, Funktionalität, aber auch für Verlass und Vertrauen steht. Zu diesen Werten verpflichten sich auch unsere Mitarbeitenden und Partner. So entstand unsere Marke und entwickelt sich immer weiter.


Victorinox lebt sehr stark von Fremdwerbung. Kaum ein US-Präsident, der nicht im Besitz eines Taschenmessers aus Ihrem Hause ist, George Bush sen. hat sich die Produktion in Ibach sogar persönlich angesehen. Die Geschichten, wie das Victorinox-Taschenmesser zum Lebensretter wurde, sind legendär. Wie stark lebt Victorinox vom Faktor «Mythos»?


Unser «Mythos» ist die Frucht langjähriger und sorgfältiger Arbeit mit Liebe zum Detail. Es sind nicht publikumswirksame PR-Massnahmen, die uns den Erfolg gebracht haben. Unsere Produkte sind zuverlässige Partner in allen Bereichen des Alltags. Das löst Geschichten aus, die das Leben schreibt.


Seit 124 Jahren produziert Victorinox Messer, seit 1891 beliefert das Unternehmen die Schweizer Armee mit Soldatenmessern. Mittlerweile werden über 360 verschiedene Modelle angeboten, vom Klassiker bis hin zum Modell für Frauen mit zusätzlicher Nagelfeile oder dem SWISSMEMORY mit einem USB-Memory-Stick. Nach welchen Kriterien und Ideen werden die neuen Modelle entworfen?


Die Bedürfnisse der Menschen verändern sich. Dem wollen wir Rechnung tragen und den Menschen gute, verlässliche und funktionelle Produkte mit praktischem Nutzen offerieren. Vor dem elektronischen Zeitalter gab es noch keine Bedürfnisse nach CyberTools oder handlichen Datenträgern. Es ist an uns, solche Trends zu erkennen und sinnvolle Lösungen mit hohem Nutzen für neue Bedürfnisse zu entwickeln.



«Unser «Mythos» ist die Frucht langjähriger und sorgfältiger Arbeit mit Liebe zum Detail.» Carl Elsener jr., Direktor Victorinox


Sie produzieren für über ein Dutzend verschiedene nationale Armeen Taschenmesser. Welchen Anteil an der Produktion haben die Armeemesser?


Der Anteil der Armeemesser ist sehr gering und beträgt weniger als 1% unseres Umsatzes. Für das Image und das Vertrauen in unsere Produkte sind diese Aufträge jedoch wichtig. Immer bedeutender  für uns sind Lieferungen an Sicherheits- und Rettungskräfte, Feuerwehren und Zivilschutzeinheiten. Also für Menschen in Organisationen, bei denen ein handliches Vielzweckwerkzeug von grossem Nutzen ist.


Nun soll die Schweizer Armee gezwungen sein, den Beschaffungsauftrag für ihr neues Taschenmesser weltweit auszuschreiben. Wie ist der Stand der Dinge und können Sie sich vorstellen, dass das Schweizer Armee-«Sackmesser» vielleicht bald aus China kommt?


In der Schweiz gilt die Bestimmung, dass Aufträge ab einer bestimmten Summe öffentlich ausgeschrieben werden. Dem haben auch wir uns zu unterstellen und wir haben Verständnis dafür. Natürlich kämpfen wir darum, dass auch in Zukunft die Produktion des Soldatenmessers in der Schweiz bleibt. Für uns wäre es eine sehr grosse Enttäuschung, wenn wir nach über 100 Jahren die Schweizer Armee nicht mehr beliefern könnten. Die Entscheidung, wer das Rennen macht, sollte Ende August fallen.


Wirtschaftlichen Schaden – vor  allem aus Fernost – erleidet Victorinox durch Produktepiraten. Wie geht Ihr Unternehmen gegen dieses Problem vor?


Wir betreiben einen grossen Aufwand, um Produktepiraterie zu bekämpfen. So arbeiten wir eng mit Zoll- und Polizeibehörden zusammen. Wir haben angefangen, unsere Produkte mit einem RFID-Code auszuzeichnen. Das erleichtert den Zollbehörden, aber auch unseren Händlern und Partnern, gefälschten Produkten auf die Spur zu kommen. Ferner arbeiten wir bei internationalen Messen mit professionellen Ermittlern zusammen, die Fehlbare offiziell anzeigen oder gar deren Messestand ausräumen.


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Sind mit den Produktepiraten gleichzeitig Ihre grössten Konkurrenten im Markt genannt?


Im Bereich der Taschenmesser sind die Billigkopien aus Fernost in der Tat die grösste Herausforderung. Besorgnis erregend ist aber auch die zunehmende Gewalt. Unsere äusserst nützlichen Vielzweckwerkzeuge werden in verschiedenen Märkten als Waffe abgestempelt und der Verkauf oder das Tragen wird mehr und mehr eingeschränkt.


Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 war es Victorinox nicht mehr möglich, die beliebten Taschenmesser in Shops und im Duty-Free-Bereich an Flughäfen zu verkaufen. Welche Auswirkungen hatte das damals auf das Unternehmen?


Die Folgen dieser unglaublichen Attacke in Amerika waren für Victorinox der härteste Schlag in der Unternehmensgeschichte. Praktisch von einem Tag auf den anderen wurden weltweit die für uns sehr wichtigen Vertriebskanäle auf Flughäfen und im Onboard-Shopping geschlossen. Der Umsatz im Multitool-Bereich brach um über 30% ein. Nur Dank der engen Zusammenarbeit von Mitarbeitenden und Geschäftsleitung konnten in dieser Extremsituation Entlassungen verhindert werden. Die Investitionen in neue Standbeine haben wir nach dieser Erfahrung noch verstärkt.


Über welche Kanäle werden heute Ihre Produkte hauptsächlich abgesetzt?


In erster Linie setzen wir unsere Produkte über den Fachhandel ab.  Die Kunden in der Schweiz und in Deutschland beliefern wir direkt ab unserem Lager. Weltweit sind wir in mehr als 120 Ländern vertreten und in 10 Ländern operieren wir mit eigenen Vertriebsgesellschaften.



«Unsere äusserst nützlichen Vielzweckwerkzeuge werden in verschiedenen Märkten als Waffe abgestempelt und der Verkauf oder das Tragen wird mehr und mehr eingeschränkt.»


Sie haben in den letzten Jahren diversifiziert und verkaufen heute auch Kleider, Uhren, Parfüm oder Gepäckstücke. Ist auch dies eine Folge des zunehmenden Drucks durch Konkurrenten, vornehmlich aus China?


Die Diversifikation hilft uns die einseitige Abhängigkeit abzubauen. Mit einem breiteren Produkteportfolio, verbunden mit eigenen Retailaktivitäten (Flagship Stores, Brand Stores, Shop-in-Shops) sind wir überzeugt, auf dem richtigen Weg zu sein. Wir sind auch überzeugt, dass eine starke Marke für den nachhaltigen Geschäftserfolg von existenzieller strategischer Bedeutung ist. Und wir setzen explizit auf wertvolle Qualiätsprodukte mit praktischen Nutzen, inspiriert von der Einzigartigkeit des Original Swiss Army Knife. 


Wie erwähnt ist Victorinox ein beliebter Arbeitgeber und gilt als vorbildliches Unternehmen mit hohen ethischen Grundsätzen. Wie sehr beruht die einzigartige Firmenkultur auf christlichen Werten?
 
Unser Führungsstil ist stark von unserer christlichen Grundhaltung geprägt. Sie gibt uns Rückhalt und erleichtert unsere Entscheidungen. Vertrauen, gegenseitiger Respekt und Toleranz sind Werte, die das Christentum aber auch andere Religionen lehren. Wir stehen mit unserer Unternehmenskultur zu diesen Werten. Es ist uns ein Anliegen, diese Werte immer wieder bewusst zu machen und vor allem in der täglichen Arbeit vorzuleben.


Wie schwer ist es, die Grundsätze im beruflichen Alltag mit erfolgreichem Unternehmertum in Einklang zu bringen?


Für uns ist der christliche Glaube eine unerschöpfliche Quelle, die uns immer wieder Kraft und Vertrauen gibt, schwierige Situationen zu meistern. Es ist für uns wichtig, dass wir in guten Zeiten Reserven bilden können. So ist es möglich auch schwierige Jahre ohne Entlassungen zu überbrücken. Im Jahr 2000 hat unsere Familie eine Unternehmens-Stiftung gegründet. Sie hat zum Ziel, die Arbeitsplätze langfristig zu sichern und die finanzielle Unabhängigkeit zu erhalten.


Herr Elsener, herzlichen Dank für das Interview.





Über VICTORINOX
Ein Jahrhundert Tradition und Erfahrung liegt den Victorinox-Taschenwerkzeugen zugrunde. 1884 wurde die damalige Messerwerkstatt von Karl und Victoria Elsener gegründet und bereits 1891 erfolgte die erste Lieferung von Soldatenmessern an die Schweizer Armee. Als Karl Elsener 1897 das Original Schweizer «Offiziersmesser» schuf, konnte er nicht ahnen, dass dieses auf der ganzen Welt zum Symbol für Qualität, Funktionalität und den Schweizer Erfindergeist werden sollte. Es ist heute als «Swiss Army Knife» international geschützt und steht wie kaum ein anderes Produkt für das weltberühmte «Swiss Made»-Qualitätslabel. Die einzigartige Erfindungsgabe, welche die Victorinox-Produktpalette prägt, hat ihren Ursprung in den Wünschen der Kunden, denen die Victorinox-Entwickler sehr aufmerksam zuhören. Sie führt zu neuen Produkten mit neuartigen Funktionen, die den vielfältigen Anforderungen und Wertvorstellungen der Verbraucher auf ideale Weise entgegenkommen.


Der Hersteller aus dem Swiss Knife Valley ist überzeugt, dass Funktionalität und Nützlichkeit allein nicht ausreichen, um auch die Gefühle der Menschen zu erreichen. Erst ein gutes Design, das die Ästhetik der intelligenten Funktion zum Ausdruck bringt, verleiht den Produkten eine unverwechselbare Identität, die aus zufriedenen Kunden treue Kunden macht. Die Victorinox-Taschenwerkzeuge, die Haushalt – und Berufsmesser, die Victorinox Swiss Army-Uhren, das Parfüm, das Reisegepäck und die Freizeit-Bekleidung sind geschaffen, um Probleme zu lösen, höchste Anforderungen zu erfüllen und durch schlichte Eleganz zu gefallen. Sie sind erdacht und gemacht, um den Menschen zu nützen.


Zur Person:
Carl Elsener-Britschgi ist Direktor von Victorinox, 50 Jahre alt, verheiratet und Vater von drei Kindern.

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