CentrePaquArt Biel: Zustand des Seins

Der grösste Raum des Kunsthauses wurde von der Künstlerin mit einem alles umfassenden monumentalen Gespinst aus schwarzen Wollfäden vernetzt, das eine aussergewöhnliche energetische Kraft ausstrahlt und den Besucher sogleich in den Bann zieht. Diese scheinbar in die Gegenwart gewebten Spuren des Vergangenen finden sich auch in den zum Zustand des Seins versammelten Arbeiten, in denen Gegenstände des Alltags die Abwesenheit des Körpers thematisieren.



Die Entstehung eines Kokons


Die monumentale Installation «In Silence» (2008) im 365m² grossen und 6 Meter hohen Salle Poma zeigt einen verbrannten Konzertflügel, der, durch das Feuer empfindlich verletzt, sein Inneres preisgibt. Wie die Fliege im Spinnennetz ist das Musikinstrument in eine Art Kokon aus schwarzen Wollfäden, die vom Boden bis zur Decke kreuz und quer durch den Raum gespannt sind, eingewoben. Dem verstummten Instrument gegenüber stehen fünfzig angesengte Stühle, die von demselben Gespinst erfasst und miteinander verbunden sind.

Das Publikum wartet auf Töne, die das Piano jedoch nicht mehr von sich geben kann. Der letzte Ton ist bei der vorausgehenden Performance der Verbrennung verklungen und erloschen.
Die schwarzen Fäden visualisieren einerseits das nicht Sichtbare und geben quasi die Töne im Raum wieder. Andererseits verbildlichen sie die komplexen Beziehungen zwischen den Menschen. Weder der Anfang noch das Ende des über 170 Kilometers langen Fadens ist sichtbar. Dies bleibt analog zum Leben ein Geheimnis: Niemand weiss, woher wir kommen oder wohin wir gehen.



In Silence, 2008. Installation (Konzertflügel, 50 Holzstühle, 172 km Wollfaden).


Als würden die Spuren sichtbar


Diese scheinbar in die Gegenwart gewebten «Spuren des Vergangenen» finden sich auch in den erstmals zu einer Gesamtinstallation versammelten Arbeiten «Trauma/Alltag» (2006-2008) in den Räumen der Galeries. Die mit schwarzen Wollfäden in einzelne dreidimensionale Rahmen eingewebten gebrauchten weissen Kleider und Gegenstände des Alltags thematisieren die Abwesenheit des Körpers. In den Räumen frei schwebend, verbildlichen die ruhenden Gebilde kurze Momente der Erinnerung oder das mystische Verharren im Zustand des Seins. Zwei Videos «Falling Sand» (2005) und «Bathroom» (1999) ergänzen die Ausstellung. Sie zeigen auf, dass die Künstlerin vor allem in ihren früheren Performances meist ihren Körper selbst in den Mittelpunkt stellt. In den jüngsten Werken löst sie sich zunehmend davon ab.



Weit jenseits von Betroffenheit


Die Werke handeln von der Frage nach der Identität des Individuums inmitten der globalisierten Welt und der Beziehungen der Menschen untereinander. «Die Fäden weben sich ineinander. Verwirren. Zerreissen. Entwirren sich» (Chiharu Shiota). Je nach gewähltem Objekt können sie auch als «Metaphern für das Gefangensein im Netz der Alpträume» verstanden werden. Die Künstlerin untersucht, ausgehend von subjektiven Empfindungen, Fragen, die jedoch weit über persönliche Betroffenheit hinausgehen. Ihre Installationen faszinieren durch die ausstrahlende Kraft ihres energischen Zugriffs auf den Raum und die Spannung zwischen Geborgenheit und Kälte. Obwohl nicht in den traditionellen japanischen Formen tätig, sind die Arbeiten von Chiharu Shiota dennoch stark von der japanischen Kultur geprägt. Besonders der zeichnerisch-kalligraphische Charakter der Fadenspannungen im Raum lässt an die Herkunft der Künstlerin erinnern. (dd/cp/mc)

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