Christian Gentsch, CEO Finanz-Logistik AG

Von Helmuth Fuchs


Moneycab:  Herr Gentsch, Mitte 2009 hat die Finanz-Logistik die Projektleitung für die Migration der vier Avance-Banken (Alpha RHEINTAL Bank, Bank CA St. Gallen, swissregiobank und Sparkasse Wiesendangen) inne gehabt und nimmt seither auch die Bankprozess-Verarbeitung für diese und weitere Banken wahr. Was waren rückblickend die wichtigsten Erfolgsfaktoren, was hat gut funktioniert, was würden Sie aus heutiger Sicht anders machen?


Christian Gentsch: Die Big Bang-Migration aller 4 Banken war «in time», «in budget» und qualitativ erfolgreich. Wir haben also alles Wichtige richtig gemacht. Die bedeutendsten Erfolgsfaktoren waren die motivierten und umsichtigen Mitarbeitenden der Finanz-Logistik und der Banken, die ausgereifte Finnova-Software, die bewährte Esprit-Betriebsplattform und mit Comit ein routinierter Implementator. Die Kooperation unter den Projektmitarbeitenden aller involvierten Parteien war sehr gut. Die Kommunikation und der Informationsfluss waren deshalb und dank klug gewählten Sitzungs-, Gremien- und Reporting-Definitionen immer sichergestellt.


Wertvoll war die Delegation von mehreren unserer Mitarbeitenden in Finnova-Zertifizierungslehrgänge. Sehr gut war auch, dass wir die gesamte Ausbildung durch interne Personen abgedeckt haben. Dies hat uns zusätzlich gefordert, aber auch sehr gute Resultate gebracht. Hingegen haben wir es nicht geschafft, bereits ab dem ersten Projektmonat die Kraft des «Projektmotors» voll auf die «Umsetzungsstrasse» zu bringen. In ausgewählten, speziellen Themen hätten wir früher noch stärker in die letzten Details gehen sollen. In gewissen Themen waren wir deshalb am Schluss ohne zeitliche Reserven. Prinzipiell haben wir aber den Deadline-Effekt dank ambitionierter Meilensteinplanung in Grenzen halten können. Faszinierend positiv war die durchwegs hohe System-Qualität und System-Stabilität ab dem Cutover und während des ersten Jahresabschlusses.


Diesem für die Finanz-Logistik wichtigen Projekt ging ein strategischer Entscheid Mitte 2007 voraus, sich vom Berner Banken-IT-Dienstleister und Softwarehersteller RTC (Real-Time Center mit IBIS Software) zu lösen und auf das Finnova-Bankensystem zu setzen. Was waren die Beweggründe für diesen fundamentalen Strategiewechsel?


Aus unserer Sicht bot IBIS als Bank-IT-Lösung zu diesem Zeitpunkt keine Gewähr, beziehungsweise zu hohe Unsicherheiten, dass längerfristig eine moderne Softwareplattform zu günstigen Betriebskosten zur Verfügung stehen wird. Aufgrund dieser Beurteilung und des Festhaltens der RBA-Holding, respektive der Entris Banking, an der IBIS-Einplattform-Strategie haben die Finanz-Logistik und ihre drei Aktionärsbanken entschieden, die IT-Sourcing-Verbindungen zu überprüfen. Wir sind überzeugt, mit Finnova eine sehr gute Lösung gefunden zu haben. Sowohl die Banken wie auch die Finanz-Logistik profitieren von den Vorteilen offener Banken-Kooperations-Netzwerke.



«Finnova unterstützt unser Geschäftsmodell, wie auch dasjenige unserer strategischen Kundenzielgruppe der Universal- und Privatbanken sehr gut und dies mit vernünftigen Kosten. Finnova ist eine moderne, funktional weit fortgeschrittene und zukunftsgerichtete Plattform, deren Weiterentwicklung auch durch die wachsende Community unterstützt wird.» Christian Gentsch, CEO Finanz-Logistik AG


Nebst der Finnova AG als neuem Partner standen wahrscheinlich auch andere Optionen und Bankensysteme zur Diskussion. Was hat zum Schluss den Ausschlag zugunsten von Finnova gegeben?


Finnova unterstützt unser Geschäftsmodell, wie auch dasjenige unserer strategischen Kundenzielgruppe der Universal- und Privatbanken, sehr gut und dies mit vernünftigen Kosten. Finnova ist eine moderne, funktional weit fortgeschrittene und zukunftsgerichtete Plattform, deren Weiterentwicklung auch durch die wachsende Community unterstützt wird. Die technischen und funktionalen Gründe werden mit der Tatsache ergänzt, dass wir den Freiheitsgrad zwischen den vorgegebenen, programmierten Finnova-Teilen und den individuell parametrisierbaren Teilen als optimal beurteilen.


Im Migrationsprojekt der vier Banken waren die Banken selbst, Finnova AG, Comit und die Finanz-Logistik eingebunden. Wie waren Sie organisiert, wer hat welche Verantwortungen inne gehabt und wie wurden kritische Entscheide gefällt?


Auftraggeber waren die Aktionärsbanken und die Finanz-Logistik AG; später dazu gekommen ist die Sparkasse Wiesendangen. Die CEOs der Aktionärsbanken bildeten den Steuerungsausschuss. Als Projektstab wurde ein Projektoffice, das Projektrisikocontrolling, eine Projektrevision und eine juristische Begleitung eingesetzt. Die Koordination dieser Aufgaben für fünf juristisch selbständige Einheiten (Banken und Finanz-Logistik) war sehr anspruchsvoll und entsprechend aufwendig. Als Gesamtprojektleiter durfte ich mit den Bankprojektleitern und Comit zusammenarbeiten, wobei auch das Teilprojekt «Produkte» eine ganz wesentliche Rolle gespielt hat. Nebst dem technisch-applikatorischen Teil gab es unzählige Bankprodukte, beziehungsweise deren Verträge, zu evaluieren, auszuhandeln und neu zu definieren.



«Wir haben über alle Avance-Einheiten und externe Partner etwa 55 Personenjahre aufgewendet (inklusive Evaluationsphase und Ausbildungen), wovon wir circa die Hälfte selbst, das heisst im Kreise der Finanz-Logistik AG und den zu migrierenden Banken geleistet haben.»


Innerhalb des eigentlichen Migrationsteilprojektes waren wir nach sogenannten applikatorischen und technischen Streams und darin wieder in Modulen organisiert, wobei viele Personen mehr als eine Rolle wahrgenommen haben. Finnova AG hat das gesamte Projekt begleitet, wo notwendig unterstützt und unsere Anforderungen termingerecht entwickelt.


Zwischen der Bekanntgabe der neuen Strategie und dem Abschluss der Migration lagen nur zwei Jahre. Wie gestaltete sich der zeitliche Ablauf des Migrationsprojektes und wie viele Personenjahre wurden dafür aufgewendet?


Über unseren Evaluationsstart haben wir am 15. Januar 2007 öffentlich informiert. Der Plattform-Entscheid konnte am 14. September 2007 bekanntgegeben werden. Nach einer Vorbereitungsphase war der Start der eigentlichen Migrationsprojekt-Aktivitäten im August 2008, der Stammdaten-Cutover am 13./14. Juni 2009 und das Going-Live am 11./12.07.2009. Wir haben über alle Avance-Einheiten und externen Partner etwa 55 Personenjahre aufgewendet (inklusive Evaluationsphase und Ausbildungen), wovon wir circa die Hälfte selbst, das heisst im Kreise der Finanz-Logistik AG und den zu migrierenden Banken geleistet haben.


Die Finnova AG positioniert die Finanz-Logistik als BPO (Business Process Outsourcing)-Partner für umfassende Back-Office-Dienstleistungen. Während Finnova an einem möglichst grossen BPO-Markt interessiert ist, bindet sich die Finanz-Logistik exklusiv an Finnova. Wo sehen Sie hier die Vorteile für sich, wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der Finnova zum Beispiel bei der Planung neuer Funktionen und strategischen Neuentwicklungen?


Aktuell gilt für uns klar die Fokussierung auf Finnova. Wir wollen unseren Kunden das Maximum an positiven Synergieeffekten bieten. Der BPO-Markt im immer noch wachsenden Finnova-Umfeld bietet einen guten Wachstumsmarkt. Bereits heute verarbeiten wir für Banken auf zwei Finnova-Betriebsumgebungen und eine dritte Finnova-Betriebsplattform kommt noch in diesem Jahr dazu. Weiter steht uns eine Ausweitung auf weitere Bank-IT-Plattformen jederzeit offen. Die Zusammenarbeit mit Finnova AG ist eine sehr konstruktive. Bereits im Rahmen des Avance-Migrationsprojektes haben Finnova und wir substanziell in Multi-Mandantenverarbeitungs-Funktionen investiert. Unser beider Ambition ist es, weitere Banken als Kunden zu gewinnen. Die bewährte Finnova-Plattform in Kombination mit einem BPO-Provider mit einem überzeugenden Leistungsausweis ist für evaluierende Banken ein interessantes Angebot.



«Wir haben das Ziel, die Verarbeitungsprozesse möglichst weitgehend zu übernehmen, sodass keine «administrativen Restfunktionen» in der Bank verbleiben.»


Kurz nach Ihrem Strategiewechsel zu Finnova haben sich im Herbst 2008 auch die rund 50 übrigen RBA-Banken von RTC und IBIS gelöst und entschieden, in Zukunft auch auf Finnova zu setzen. Comit wurde als Implementationspartner gewählt, Entris Banking als Gesamtprojektleiter. Welche Perspektiven eröffnen sich für die Finanz-Logistik in dieser Konstellation?


Wir freuen uns über das Wachstum der Finnova-Community und stehen allen Banken auf dieser IT-Plattform als leistungsfähiger BPO-Provider zur Verfügung. Wir unterstützen aus Überzeugung und Erfahrung die weitere Entwicklung von offenen Banken-Netzwerken, in denen der Best-of-Breed-Ansatz gelebt wird. Konkurrenz belebt den Markt und dies dient letztendlich dem Kunden, wobei ich dabei sowohl die Banken als auch deren Bankkunden meine.


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Der noch immer im Entstehen begriffene und wachsende Markt für BPO-Dienstleistungen hat für die Kunden vor allem die Effizienzgewinne und somit fallende Preise zum Ziel. Wo sehen Sie die weiteren Vorteile für die Kunden, welche Bereiche decken Sie durch Ihre Leistungen ab, wo kommt das Finnova-Bankensystem zum Tragen?


Die Finanz-Logistik hat dieses Ziel in den letzten Jahren in substanziellem Umfang zur Realität werden lassen. Davon haben unsere Kunden unmittelbar profitiert. Weitere Vorteile sind:
1. Variabilisierung der Kosten
2. Qualitätsverbesserungen: Das Verhältnis zwischen den Banken und dem Outsourcing-Partnern ist substanziell anders als wenn Leistungen intern ausgetauscht werden. Eine «gesunde Härte» rund um die SLA-Definitionen wirkt qualitätssteigernd.
3. Sicherstellung von Spezialisten-Know-How: Als BPO-Provider helfen wir die kritische Bankgrösse zu senken bzw. der tendenziell steigenden «kritischen Grösse» entgegen zu wirken.
4. Wegfall von Stellvertretungsproblematiken
5. Vereinfachungen durch zentrale Revision unserer Prozesse gemäss den FINMA-Outsourcing-Richtlinien


All diese Punkte bringen Kosteneinsparungen und entlasten die Bankführung. Die freien Kräfte können für die kundenseitigen Ziele eingesetzt werden. Wir haben das Ziel, die Verarbeitungsprozesse möglichst weitgehend zu übernehmen, sodass keine «administrativen Restfunktionen» in der Bank verbleiben. Dabei unterstützt uns die Finnova-Lösung sehr gut, lassen sich doch die Schnittstellen zwischen Bank und uns an allen sinnvollen Punkten klar, effizient und nachvollziehbar gestalten.


Die BPO-Thematik macht ja keinen Halt an den geografischen Grenzen der Schweiz. Zumindest die Nachbarn im deutschen Sprachraum, Deutschland und Österreich, könnten für Ihre Dienstleistungen ebenfalls zu den potentiellen Kunden gehören. Gibt es schon Pläne für eine Expansion ins Ausland und wie sähe dafür die Unterstützung seitens Finnova aus, da die Finanz-Logistik selbst den Betrieb der Plattform nicht anbietet?


Wir arbeiten bereits für Niederlassungen von ausländischen Banken in der Schweiz. Leistungen für Banken mit Domizil im Ausland stehen wohl in absehbarer Zeit kaum auf unserer Zielkundenliste. Die länderspezifischen Unterschiede sind erheblich.



«Ich stelle bereits seit längerem eine Tendenz von der Massenarbeit zur Know-how-lastigen Spezialistenarbeit fest.»


Aktuell sind nebst den geforderten strengeren gesetzlichen Vorgaben für den Finanzplatz vor allem auch die steuerlichen Aspekte ein zentrales Thema in der Finanzwelt. Welchen Einfluss hat das auf Ihr Angebot?


Wir unterstützen unsere Banken auch in diesem Bereich umfassend und bieten flexible Leistungen an. So decken wir sämtliche Anforderungen an die Banken zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen im Bereich Steuern ab (z.B. Qualified-Intermediary-Status). Wir sind in diesen Themen also weniger «Fabrik», sondern vielmehr «Kompetenzzentrum».


Welche Innovationen werden in den kommenden Jahren den Finanzsektor und Ihr Geschäft prägen?


Wenn ich die wüsste, dann wären es keine Innovationen mehr…, aber Spass beiseite. Prägen wird uns sicher der Aus- und Umbau der Regulatorien und die weitere Komplexitätszunahme der Finanzprodukte. Die Time-to-Market-Ansprüche der Banken werden auch von uns immer noch raschere Anpassungen der Dienstleistungen fordern. Die weitere Entwicklung, zum Beispiel der «Swiss Value Chain» und die zunehmend IT-mässige Abbildung diverser interner und externer Workflows, wird unsere Aufgaben noch verstärkter vom Massenabwickler zum Problemlöser, Spezialfall-Überwacher und Berater unserer Kundenbanken machen. Ich stelle bereits seit längerem eine Tendenz von der Massenarbeit zur Know-how-lastigen Spezialistenarbeit fest. Weiter werden auch die steigenden Ansprüche der Kunden unserer Banken Einfluss auf uns haben.


Wie soll die Entwicklung der Finanz-Logistik AG weiter gehen, welche Ziele haben Sie sich für dieses Jahr gesetzt, welches sind die wichtigsten Projekte?


Wir wollen unsere Kundenbasis in allen Sparten Wertschriftenverarbeitung, Zahlungsverkehr und Rechnungswesen verbreitern. Wir wollen in der ganzen Finnova-Community über alle bestehenden Betriebsplattformen hinweg tätig sein. Wichtig ist zu berücksichtigen, dass die Banken eine Sourcinglösung meistens nicht innert wenigen Monaten evaluieren, vorbereiten und umsetzen können. Meist sind personelle Konstellationen zu berücksichtigen. Dabei sind wir gerne behilflich und nehmen Rücksicht.


Wie beurteilen Sie rückblickend den Strategiewechsel zugunsten von Finnova, welche Erwartungen haben sich erfüllt, wo sehen Sie noch Potentiale, die Sie besser ausnutzen möchten?


Wie gesagt, dem Vernehmen nach würden unsere neu auf Finnova migrierten Kundenbanken und auch wir zum jetzigen Zeitpunkt wieder genau gleich entscheiden. Finnova hat unsere Erwartungen an die Funktionalität, die Betriebskosten und die Flexibilität voll erfüllt. Nun können noch weitere Funktionen an uns ausgelagert werden. Diesbezüglich gibt es noch erhebliches Potenzial. Finnova bietet diverse Möglichkeiten im Workflow- und Dienstleistungszentrums-Bereich, die es zu nutzen gilt und wo wir unsere Expertise einbringen werden.


Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. Wie sehen die aus?


Zum Ersten wünsche ich allen Banken Kenntnisse über ihre Prozesskosten. Unsere Angebote würden dann finanziell noch besser beurteilt werden. Zum Zweiten wünsche ich den Banken die Sicht, uns einfach als Werkzeug für die professionelle Prozessabwicklung zu betrachten.





Der Gesprächspartner:
Christian Gentsch ist eidg. dipl. Bankfachmann und Absolvent des Executive Program am Swiss Finance Institute. Seit Mitte 2004 steht er der Geschäftsleitung der Finanz-Logistik AG vor. Zuvor war er Mitglied der Geschäftsleitung einer Schweizer Bank. In den Jahren 2008 und 2009 war er Projektleiter der Bank-IT-Evaluation und des anschliessenden IT-Migrationsprojektes für 4 Banken.


Das Unternehmen:
Die Finanz-Logistik AG ist ein im 1996 gegründeter Business-Process-Outsourcing-Provider von Backoffice-Lösungen für Privat- und Universalbanken. Als Service-Center fokussiert sich das Unternehmen auf den sicheren, effizienten Betrieb von Bankprozessen auf der Finnova-Plattform in den Bereichen Wertschriftenverarbeitung, Zahlungsverkehr und Rechnungswesen. Die 60 Mitarbeitenden mit Bankfachausbildung und Back-Office-Spezialisierung stellen zudem das schnelle und sichere Anpassen an regulatorische Veränderungen sicher. Dank breiter Abdeckung der Sourcingbereiche, direkter Kommunikation und zentraler Revision erhält die Kundenbank Flexibilität und Spielraum für die Weiterentwicklung ihrer Kernkompetenzen.

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