Christian Vollmer, CEO und Verwaltungsratspräsident Escor: «Wir wollen dem Aktionär keine risikoreichen Abenteuer zumuten»

Von André Schäppi


 


Herr Vollmer, im März hat der Bundesrat die Konzession für ein Kasino in Zürich für die nächsten drei Jahre Bachab geschickt. Ein Projekt B-Kasino, in das Escor viele Erwartungen gesetzt und sich innerhalb der Casino Zürich AG engagiert hat. Ketzerisch gefragt: Heisst es für Escor demnächst «Rien ne va plus»?


 


Chrsitian Vollmer: Nein, sicher nicht, denn dieser Entscheid trifft uns nicht existenziell. Das Casino-Projekt in Zürich war eine Linie, die wir intensiv verfolgt haben und die wir auch nach dem vorläufigen Nein des Bundesrates weiterverfolgen. Denn der Standort Zürich ist nach wie vor interessant für ein Casino und ich bin sicher, dass der Entscheid für Zürich bis in drei Jahren gereift ist und Zürich dann auch für den Bund interessant ist. Deshalb werden wir auch wieder ein Gesuch einreichen.


 


Und was geschieht zwischenzeitlich mit dem Gebäude an der Börse, das dafür genutzt werden sollte und das im Besitz der Escor ist?


 


Wir prüfen, was für Mehrkosten während der nächsten zwei bis drei Jahre anfallen und suchen Möglichkeiten für Zwischennutzungen. Je nachdem fällen wir dann den Entscheid, ob wir es behalten oder veräussern.


 


Man ist wohl auf der Suche nach neuen Möglichkeiten. Aber auch die sind auch nicht so dicht gesät. Der Bundesrat wird über allfällige Neukonzessionen frühestens 2009 entscheiden. Was läuft in der Zwischenzeit?


 


Grundsätzlich sind wir nicht unter Druck, irgend etwas zu machen, wie die Zahlen für 2006 gezeigt haben. Wir lassen uns Zeit, neue Projekte anzugehen und wollen dem Aktionär keine risikoreichen Abenteuer zumuten, die durch politische Entscheide beeinflusst werden können, wie seinerzeit das neue Spielbankgesetz auf die Geldspielautomaten. Wir suchen deshalb Gebiete, die davon unabhängig sind.


 


Was heisst das konkret?


 


Wir prüfen laufend Möglichkeiten, etwa in unserem angestammten Gebiet, den Casino-Beteiligungen. Allerdings ist anzumerken, dass es hier schwierig ist. Die guten Beteiligungen sind sehr teuer und die schlechteren wollen wir nicht.


 


Bis 2009 dürfte Escor sich auf einer Durststrecke befinden, in der die Aktie zwischenzeitlich nicht gerade an Attraktivität gewinnen dürfte.


 


Nein, das trifft nicht zu. Wir erwirtschaften ja einen Gewinn, der künftig tendenziell eher zunehmen wird. Unser Geschäft basiert derzeit auf einem stabilen Fundament, das wenig risikoreich ist. Was der Aktionär aber zugegebenermassen antrifft ist ein wenig klar definiertes Geschäftsfeld.


 


Der Escor-Aktie pendelt momentan zwischen 26 und 27 Franken. Sind Sie mit diesem Kurs zufrieden?


 


Nein, er ist heute am unteren Level. Wenn wir nur die vorhandene Substanz betrachten, also die Beteiligungen, Immobilien und flüssigen Mittel, wäre ein Kurs zwischen 35 und 45 Franken angemessen.


 


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Vor wenigen Tagen ist die Austria Casino Gurppe beim gutgehenden Casino Lugano eingestiegen und hat ein Anteilspaket von knapp unter 30 Prozent, das bisher in Hand von Privatpersonen, erworben. Hat Escor eine Chance verschlafen?


 


Nein, ganz und gar nicht. Wir haben diese Beteiligung früher auch schon geprüft. Allerdings ist es so, dass keine Aussicht auf eine Mehrheitsbeteiligung besteht, und Lugano als Mehrheitsaktionär recht viel des Gewinnes abschöpft. Es ist auch nicht vorgesehen, dass diese Politik geändert wird, was die Beteiligung für einen Minderheitsaktionär nicht sonderlich attraktiv macht.


 


Die Resultate der Escor für 2006 sind zwar mit einem Gewinn von 1.9 Mio. Franken recht erfreulich, dürften aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Umsatz lediglich noch 3,6 Millionen Franken beträgt. Das ist gerade mal soviel wie mancher KMU in der Schweiz. Wäre es da nicht sinnvoll, Escor von der Börse zu nehmen?


 


Zum Punkt des Umsatzes: Lieber gesunde Beteiligungen, die Gewinn bringen als operative Aktivitäten, die Verlust machen. Und zum Punkt der Dekotierung: Wir haben das innerhalb der Escor in den letzten zwei Jahren mehrfach besprochen und lehnen diese Möglichkeit aber ganz klar ab.


 


Eine gut gefüllte Kriegskasse, die Absichtserklärung, neue Projekte voranzutreiben. Das tönt alles schön und gut. Könnte aber auch die Gefahr einer unfreundlichen Übernahme provozieren, wie dies Ende 2005 durch die österreichische Admiral Casinos & Entertainment (ACE) angestrebt worden ist. Ein Szenario, das Sie beunruhigt?


 


Nein, das beunruhigt mich nicht. Die Mehrheit der Aktien ist in bekannten Händen und treuen Aktionären. Von dieser Seite besteht also sicher keine Gefahr einer unfreundlichen Übernahme. Andererseits hätten wir die Chance, einer nicht börsenkotierten Firma mit einer vollständigen Übernahme den einfachen Zugang an die Börse zu ermöglichen. Das würde für beide Parteien Vorteile bringen.


 


Wenn es Sinn machen würde, würde man also Escor als Gesamtes veräussern?


 


Ja, das würden wir, wenn es der Firma, das heisst, den Stakeholdern und Shareholdern etwas bringen würde.


 


2005 hat das Grand Casino Locarno einen Umsatz von 33.4 Mio. CHF erzielt, mit rund 216´000 Besuchern, das sind rund 600 Besucher pro Tag. Welche Zahlen hat es 2006 erreicht?


 


Der Umsatz betrug 33 Millionen. Heute haben wir 615 Besucher pro Tag, was sich 2006 in 224700 Besuchern niederschlug. Tendenz leicht steigend. Das erste Halbjahr war schlechter, während das zweite wesentlich besser war. Diese Entwicklung hat sich im ersten Quartal fortgesetzt. Mit dazu beigetragen hat sicher die Umgestaltung des Betriebs.


 


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Das Casino Campione hat vor wenigen Tagen seine Tore geöffnet. Welche Auswirkungen erwarten Sie auf Locarno?


 


Eigentlich erwarten wir keine grossen Einbussen, weil die Distanz zwischen Locarno und Campione doch genügend gross ist. Ich kann mir zwar vorstellen, dass es anfänglich einige Besucher geben wird, die sich Campione aus Interesse mal anschauen. Aber das wird wohl eher eine kleine Anzahl sein und längerfristig nicht ins Gewicht fallen. Insgesamt dürfte der Tessin durch die Eröffnung von Campione als Spielmetropole eher an Attraktivität gewinnen.


 


Offensichtlich will man sich von den Aktivitäten in San Marino trennen, da die in diesem Jahr auslaufenden Konzessionen nicht erneuert wurden und dementsprechend anderen Bewerbern zugeteilt wurden. Welcher Gewinn ist aus diesem Verkauf zu erwarten?


 


Ja, das trifft zu. Die Verkaufsverhandlungen laufen, was den Spielbetrieb anbelangt, sehr intensiv und werden demnächst abgeschlossen. Was den Gewinn betrifft, der wird gestaffelt anfallen. Was mehr ins Gewicht fallen dürfte, sind die Immobilien. Aber diese Verhandlungen werden wohl noch 6-12 Monate dauern, sodass wir noch keine Prognosen dazu machen können. Wie gesagt, wir sind nicht unter Druck und es ist uns wichtiger, dass wir einen guten Mehrertrag erwirtschaften.


 


Andererseits heisst das doch aber auch, dass die Aktivitäten der Escor noch weiter eingeschränkt werden. Oder sehen Sie das anders?


 


Das ist richtig und die Schattenseite der Veräußerung von San Marino.


 


Welche Erwartungen haben Sie bezüglich Umsatz und Gewinn für 2007?


 


Der Umsatz und der Gewinn dürfte aufgrund der ersten Monate in der Grössenordnung des Vorjahres, tendenziell sogar eher noch darüber liegen.


 







Zur Person
Christian Vollmer wurde 1951 in Basel geboren. Er absolvierte die Handelsschule und gründete nach einigen Ausbildungsjahren in verschiedenen Unternehmen zusammen mit seinem Vater und seinem Bruder 1973 die Escor in Fribourg. Seit 1985 ist er CEO und seit  1989 Verwaltungsrats-Präsident des Unternehmens.


 


Das Unternehmen
Escor ist Wegbegleiterin und Spielmacherin in der modernen Unterhaltungsspielbranche. Mit Aufbau und Betrieb von Casinos in Lugano, St. Moritz und Luzern gehörte Escor bereits in den frühen neunziger Jahren zu den Pionieren im neuen Schweizer Casinogeschäft. Dieses Know-how gehört heute zu den Kernkompetenzen des Unternehmens und wird aktiv und erfolgreich in mehreren Casinos in der Schweiz und im Ausland eingesetzt. Der Hauptsitz liegt in Düdingen (Fribourg, Schweiz), wo das Unternehmen 1973 gegründet wurde. Den Schweizer Casinobetreibern bietet Escor Service- und Supportleistungen im Betrieb und Unterhalt der Geräte an. Escor ist selber mit 36,5 Prozent am Casino in Locarno beteiligt, das im Sommer 2003 eröffnet wurde. Zudem ist Escor zusammen mit Austrian Gaming Industries AGI massgeblich am Casino San Marino mitbeteiligt. Als erstes Schweizer Unternehmen der Unterhaltungsspiel-Branche entschied sich Escor bereits 1987 dazu, sich gegenüber aussenstehenden Investoren zu öffnen. Escor Aktien werden heute an der elektronischen Börse der Schweiz gehandelt.

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