Christoph Rutschmann, Geschäftsführer Holzenergie Schweiz: «Man könnte die heutige Holzenergienutzung ohne weiteres verdoppeln, ohne dass der Wald übernutzt und höherwertige Holzsortimente konkurrenziert wü

von Patrick Gunti


Herr Rutschmann, welchen Stellenwert räumen Sie heute der Holzenergie im Rahmen der Nutzung alternativer Energieformen ein?


Holzenergie ist in der Schweiz nach dem Wasser die zweitwichtigste einheimische und erneuerbare Energiequelle. Sie deckt heute wieder etwa 3,5 Prozent des Schweizer Gesamtenergieverbrauchs. Alle anderen erneuerbaren Energien (ohne Wasser) zusammengezählt bringen es leider nicht einmal auf 1 Prozent. Damit wird klar, dass Holz heute eine besonders wichtige Stellung unter den erneuerbaren Energien einnimmt.


Wie ökologisch ist die Energiegewinnung aus Biomasse, insbesondere Holz-Pellets, im Vergleich mit anderen zur Verfügung stehenden Brennstoffen?


Aufbereitung und Transport aller Energieholzsortimente sind vergleichsweise sehr umweltfreundlich. Es gibt praktisch keinerlei Risiken und Altlasten, und der Input an grauer Energie ist um Faktoren geringer als bei den fossilen Energien. Dies gilt auch für die Pellets, obwohl diese im Vergleich zu Schnitzeln oder Stückholz wegen der Trocknung und des Pressvorgangs etwas mehr graue Energie brauchen.


Stückholz ist nach wie vor der gebräuchlichste Holzbrennstoff, im Vordergrund stehen aber immer mehr die Holz-Pellets. Zur Definition – aus was bestehen sie, wie werden sie hergestellt und wo liegen ihre Vorteile?


Mengenmässig haben die Hackschnitzel mächtig aufgeholt. 2006 wurden rund 1,3 Millionen Kubikmeter (m3) Holz zu Schnitzeln gehackt (Altholz nicht mitgezählt) und 1,6 Millionen m3 zu Stückholz aufbereitet. Die Nutzung von Pellets liegt umgerechnet erst etwa bei 150’000 m3, entwickelt sich aber sehr schnell. Pellets sind runde «Stäbchen», 6mm dick und einige Zentimeter lang. Sie bestehen aus rein naturbelassenem Holz und werden unter hohem Druck aus dem Restholz (Sägemehl und Späne) von Sägereien und Hobelwerken hergestellt.


Pellets sind schon länger ein Thema, und Hausbesitzer, die sich frühzeitig für den Einbau einer Pellet-Heizung entschieden haben, wurde letzten Winter zur Kasse gebeten. Was war der Grund für die massiven Preiserhöhungen für Pellets?


Leider haben einzelne Produzenten und Händler mehr aufgeschlagen als unbedingt notwendig war. Holzenergie Schweiz bedauerte dieses Verhalten und versucht, die Marktteilnehmer zu motivieren, eine Politik der Preisstabilität zu verfolgen. Natürlich werden auch Pellets in der allgemeinen Verteuerung der Energieträger aufschlagen. Die Aufschläge sollten aber moderat und gleichmässig erfolgen. Idealerweise sind Pellets etwas günstiger als Öl oder Gas, was heute bereits wieder der Fall ist.


Inwieweit war kurzfristiges Streben nach hohen Gewinnen für die Preiserhöhungen verantwortlich?


Das mag mitgespielt haben, man muss aber auch sehen, dass sehr junge und stark aufstrebende Märkte generell zu solchen Kapriolen neigen. Ich vergleiche den Pelletmarkt gerne mit der «Pubertät» beim Menschen. Das ist eine Phase, die durch Instabilität und Unberechenbarkeit geprägt ist. Ich hoffe aber sehr, dass die Pubertät nun vorbei ist, und sich der Markt in Zukunft wie ein vernünftiger Erwachsener gebärdet.


«Idealerweise sind Pellets etwas günstiger als Öl oder Gas, was heute bereits wieder der Fall ist.» (Christoph Rutschmann, Geschäftsführer Holzenergie Schweiz)


Auch Gerüchte und Behauptungen betreffend die Versorgungssicherheit mit Pellets hielten viele Bauherren vom Kauf von Pelletheizungen ab, der Markt brach regelrecht ein. Wie präsentiert sich die Versorgungslage – hat es genügend Holz?


Man könnte die heutige Holzenergienutzung in der Schweiz ohne weiteres verdoppeln, ohne dass der Wald übernutzt und höherwertige Holzsortimente konkurrenziert würden. Das künftig zusätzlich zur heutigen Nutzung verfügbare Energieholzpotential würde es erlauben, rund eine Million Minergiewohnungen à 120 m2 Wohnfläche zu beheizen und damit jedes Jahr mehr als eine halbe Million Tonnen Heizöl einzusparen. Das Ende der Fahnenstange ist also noch lange nicht erreicht!


Hat sich der Markt mittlerweile erholt?


Der Markt hat sich sehr gut erholt. Man bekommt heute Pellets wieder für umgerechnet etwa 6-7 Rappen pro Kilowattstunde Nutzenergie, während das Öl in den letzten Wochen wieder auf rund 8 Rappen pro Kilowattstunde aufgeschlagen hat. Wir empfehlen den Kunden, die Pellets unbedingt im Sommer zu kaufen, um so von den tieferen Preisen profitieren zu können.


Was tut Holzenergie Schweiz, um den Markt zu stabilisieren?


Wir publizieren einen transparenten Richtpreis auf www.holzenergie.ch , empfehlen den Kundinnen und Kunden mehrere Offerten einzuholen und Einkaufpools zu bilden. So kann man ziemlich viel Geld sparen.


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Holzschnitzelfeuerungen werden seit Jahren in grossen Gebäuden und Industriebetrieben eingesetzt. Wie verhält es sich bei Objekten mit kleinerem Wärmebedarf?


Für kleinere Schnitzelheizungen wurde das spezielle Sortiment Qualischnitzel entwickelt. Das sind trockene, gesiebte Schnitzel mit sehr wenig Feinanteil und keinen Übergrössen. Das ist eine elegante Möglichkeit zum Betrieb kleinerer Schnitzelheizungen ab etwa 15 Kilowatt Leistung. Für kleinere Leistungen im energieeffizienten Ein- oder Zweifamilienhaus bieten sich Pellet- oder Stückholzheizungen an.


Holzenergie bietet gegenüber fossilen Energien viele Vorteile, allerdings ist der Anteil der Feinstaub-Emissionen aus der energetischen Holznutzung gegenüber dem Anteil am Wärmemarkt zu hoch. Worauf ist dies zurückzuführen und wie lassen sich Verbesserungen erzielen?


Die vergleichsweise hohen Feinstaubwerte aus Holzheizungen stammen zum grössten Teil aus veralteten, technisch unzureichenden Anlagen sowie aus Heizungen, die nicht korrekt betrieben werden. Daran arbeiten wir seit Jahren: Technisch unzureichende Anlagen sind zu sanieren, und die Leute sind für den richtigen Betrieb zu sensibilisieren. Gute Holzheizungen mit hohem Wirkungsgrad und geringen Emissionen dürfen übrigens das Qualitätssiegel von Holzenergie Schweiz tragen. Derart ausgezeichnete und richtig betriebene Anlagen sind nicht Teil des Feinstaubproblems, sondern ein wichtiger Beitrag zu dessen Lösung!


«Holz in Gas umzuwandeln, das Gas ins Leitungsnetz einzuspeisen und damit Erdgas zu ersetzen, macht aus Effizienzgründen keinen Sinn.» (Christoph Rutschmann)


Zum allergrössten Teil wird Energieholz zur Wärmeerzeugung verwertet. Wie beurteilen Sie Verfahren, mit denen Holz in Gas umgewandelt wird, wobei keine zusätzlichen Luftschadstoffe entstehen?


Holz in Gas umzuwandeln, das Gas ins Leitungsnetz einzuspeisen und damit Erdgas zu ersetzen, macht aus Effizienzgründen keinen Sinn. Man kann viel mehr Nutzenergie gewinnen und damit mehr Gas oder Heizöl ersetzen, wenn das Holz in guten Anlagen dezentral genutzt wird. Unter bestimmten Rahmenbedingungen ist es sogar möglich, in so genannten Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen (WKK) noch etwas Strom zu erzeugen.


Wie stellen Sie sich zur Produktion von Treibstoff mit Holz?


Aus ressourcenökonomischen Gründen ist das eine ganz schlechte Idee. Es geht vom Holzinput bis zur Nutzung im Fahrzeug einfach viel zuviel Energie verloren. Eine derart schlechte Effizienz darf vor der bundesrätlichen Vision der 2000-Watt-Gesellschaft nicht weiter verfolgt werden. Es gibt zudem viel intelligentere Mobilitätskonzepte. Hier steht die Politik in einer sehr grossen Verantwortung.


Wie steht die Schweiz bei der Nutzung von Holzenergie im internationalen Vergleich da?


Wir stehen nicht schlecht da, haben aber in Europa einige Ränge eingebüsst, weil andere Länder eine wesentlich kohärentere und substantiellere Förderpolitik verfolgen. Wie überall sind es eben auch hier die Rahmenbedingungen, welche die Entwicklungsgeschwindigkeit bestimmen. Dazu zähle ich nicht ausschliesslich finanzielle Förderprogramme, sondern vor allem auch gesetzliche Rahmenbedingungen im Baubereich sowie Informationsmöglichkeiten.


Welche Entwicklungen erwarten Sie, wie schätzen Sie die Zukunft der Holzenergie ein?


Die Holzenergie hat sehr gute Zukunftsaussichten. Es ist durchaus denkbar, dass sie in 30 bis 40 Jahren gut einen Viertel eines im Vergleich zu heute effizienteren Gebäudebestandes heizt und einige Prozent unseres Stroms produziert.


Herr Rutschmann, besten Dank für das Interview.






Zur Person:
Christoph Rutschmann, dipl. Forst Ing. ETH, arbeitet seit 1989 für den Verein Holzenergie Schweiz, seit anfangs 1992 als Geschäftsführer.


Zur Organisation:
Der Verein «Holzenergie Schweiz» hat seinen Hauptsitz in Zürich; in der Westschweiz ist er durch seine Zweigstelle in Lausanne vertreten. Er zählt rund 600 Mitglieder (Gemeinden, Betriebe der Wald- und Holzwirtschaft, Planer, Ingenieure, interessierte Privatpersonen). Holzenergie Schweiz ist ein in der Branche breit abgestützter Verein; im Vorstand sitzen namhafte Vertreter aus allen Bereichen der Holzenergiebranche (Verbände/Vertreter der Wald- und Holzwirtschaft, Bundesämter, Holzfeuerungshersteller, Wissenschaft). Holzenergie Schweiz fördert eine sinnvolle, umweltgerechte, moderne und effiziente energetische Verwendung von Holz, dem zweitwichtigsten erneuerbaren und einheimischen Energieträger der Schweiz.

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