Wie man das Leben gestalten soll, ist eine der ältesten philosophischen Fragen. Die Alpenstadt Chur beantwortet sie nun auf schönste Weise. Die Ausstellung «Niki and Friends» zeigt die fülligen «Nanas» von Niki de Saint Phalle, die magischen Maschinen von Jean Tinguely, die überraschenden Arrangements von Daniel Spoerri, die wuchtigen Statements von Bernhard Luginbühl und noch weit mehr, vor allem aber eines: echte Lebenskunst. Denn gerade die Zuwendung zum Alltag und die Hingabe ans Leben zeichnet die Kunst des «Nouveau Réalisme» aus. Befreit von reiner Zweckdienlichkeit beginnen hier Gegenstände zu leben, wandelt sich Sinn in Sinnlichkeit, wird aus Faktischem Fantastisches. Erfahrbar wird diese Lebenskunst in Museen, Galerien, im Rathaus und in dem öffentlichen Raum von Chur zugleich.
Niki de Saint Phalles füllige Frauenfiguren, die «Nanas», Daniel Spoerris Arrangements aus Alltagsgegenständen, die «Fallenbilder», oder Jean Tinguelys magische Maschinen wie der «Klamauk» sind längst Ikonen der Kunstgeschichte. Die Ausstellung «Niki and Friends» in Chur zeigt nun diese Werke des «Nouveau Réalisme» ab Samstag, 27. Juni, stellt aber mit Arbeiten von Künstlern wie Jeff Wall, Roman Signer oder Judith Albert auch Bezüge zu anderen Generationen und Kunstrichtungen her. Neben dem Bündner Kunstmuseum und dem Kulturforum Würth Chur sind an der Sommer-Ausstellung auch Galerien beteiligt und in der ganzen Stadt Chur werden Skulpturen zu sehen sein.
Mit dieser Institutionen-übergreifenden Konzeption unter Einbezug des öffentlichen Raums und jüngerer Kunstrichtungen versucht die Ausstellung auch eine Forderung des «Nouveau Réalisme» neu zu beleben: Kunst fern von eigendynamischen Prozessen als zentralen Bestandteil des Lebens, als Auseinandersetzung mit der Wahrnehmung zu verstehen. Damit rücken auch biografische Aspekte der Künstlerin Niki de Saint Phalle in den Vordergrund, vor allem das Emanzipatorische ihrer Kunst, mit dem sie verschiedenen Formen der Degradierung entgegentrat.
Brückenschlag zur Gegenwart
Widmet sich das Kulturforum Würth unter dem Titel «Mythen ? Märchen ? Träume» ganz der Künstlerin, stellt das Bündner Kunstmuseum in «Gefrorene Momente» die Fallenbilder Daniel Spoerris zeitgenössischer Fotografie und Videokunst gegenüber.
Kulturforum Würth Chur bis 1. Nov 09
Die im Kulturforum Würth Chur gezeigte Ausstellung «Niki de Saint Phalle: Mythen ? Märchen ? Träume» zeigt einen Querschnitt durch das Schaffen der Künstlerin. Schon als Kind hat sich Niki für das Vokabular der Träume, für Bildergeschichten, alte Mythen, Traditionen und Rituale, für Schlösser und Paradiesgärten interessiert. Und eigentlich ist ihr ganzes Werk die Illustration eines Märchens, das sie ihr Leben lang mit einem geradezu naiven Glauben an das Gute, an die Kraft des Kreativen, an die Grösse der Schöpfung verfolgte. Die Ambivalenz von zeitlicher Ausdehnung des «Nouveau Réalisme» in die Gegenwart und von künstlerischer Konzentration auf den Moment greift die Galerie Luciano Fasciati unter dem Titel «der fixierte Augenblick» mit verschiedenen Positionen der Gegenwartskunst auf. www.kulturforum-wurth.ch
Bündner Kunstmuseum Chur bis 13. September 2009
Daniel Spoerris Fallenbilder im Dialog mit Judith Albert, David Claerbout, Caro Niederer, Beat Streuli, Jeff Wall
In den 1960er-Jahren beginnt Daniel Spoerri, zufällige Konstellationen von alltäglichen Gegenständen zu fixieren. In diesen Fallenbildern klebt er Überreste von Mahlzeiten oder Arbeitssituationen auf ihrer Unterlage fest und hängt sie vertikal wie Bilder an die Wand. Diesen Stillleben werden Fotografien und Videos jüngerer KünstlerInnen gegenübergestellt, die an derselben Schnittstelle zwischen Dokumentation, Zufall und Inszenierung operieren und den Stillstand der Zeit thematisieren. www.buendner-kunstmuseum.ch