Claudine Tanner und Sabina Gasser, Gründerinnen Moya Kala, im Interview

Moya Kala

Die Moya Kala-Gründerinnen Claudine Tanner (l.) und Sabina Gasser. (Foto: Moya Kala)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Moya Kala produziert nachhaltige Body Basics und Loungewear für Frauen. Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben?

Sabina Gasser: Minimalistisch, puristisch, vielseitig verwendbar, bequem und ganz wichtig: qualitativ hochwertig. Kurz gesagt, Lieblings-Basics mit dem gewissen Etwas.

Nachhaltigkeit und faire Arbeitsbedingungen sind ihnen wichtig. Wie äussert sich das?

Claudine Tanner: Wir achten beim Einkauf auf zertifizierte Materialien und prüfen auch die Lieferanten, inwiefern sie sich für Nachhaltigkeit interessieren und einsetzen. Bei der Konfektion arbeiten wir mit einem kleinen Familienunternehmen in Bulgarien zusammen, welches faire und nachhaltige Löhne zahlt und gute Arbeitsbedingungen bietet.

Sei verwenden für Ihre Kollektionen unter anderem Cupro, eine biologisch abbaubare Textilfaser. Was zeichnet Cupro über ökologische Nachhaltigkeit hinaus aus?

CT: Früher verursachte die Herstellung von Cupro grosse Umweltschäden, da sie Kupfer, Ammoniak und verdünnte Schwefelsäure erforderte, welche ungefiltert an die Umwelt abgegeben wurden. Glücklicherweise ist dies nicht mehr der Fall. Unser japanischer Faser-Lieferant Asahi Kasei ist weltweit der einzige Hersteller, der die Chemikalien sowie das Wasser in einem geschlossenen Kreislauf verwendet, um keine toxischen Umweltauswirkungen wie auch Gesundheitsschäden zu verursachen. Unser italienischer Stoffproduzent verarbeitet die Garne zu einem Stoff, der sich durch seinen einzigartig seidigen Griff auszeichnet.

Das Material zeichnet sich durch überaus vorteilhafte Eigenschaften aus: atmungsaktiv & temperaturregulierend / schnelltrocknend & knitterarm / antibakteriell & antiallergen / kein Pilling / kühler Griff.

«Für uns ist es wichtig, dass unsere Kleider möglichst häufig getragen werden, denn sobald ein Kleidungsstück mindestens 30 mal getragen wird, steigt die Nachhaltigkeit.»

Wie viel Natürlichkeit und Nachhaltigkeit sind möglich, damit die Produkte für die Konsumentinnen auch noch bezahlbar bleiben?

SG: Wir bewegen uns stets im Spannungsfeld zwischen Konsum, Ressourcenverbrauch von Mensch und Natur – als in der produzierenden Industrie tätiges Unternehmen per se und ausweichlicher Fact – und Nachhaltigkeit. Gerade die Optimierung dieses Spannungsfelds haben wir uns zum Ziel gesetzt. Natürlich wären Produkte hergestellt zu Schweizer Löhnen nicht bezahlbar für die Konsument*innen. Und bei vollständig nachhaltigen Produkten – also auch die Färbung – würde die Qualität nicht mehr den Anforderungen genügen. Für uns ist es wichtig, dass unsere Kleider möglichst häufig getragen werden, denn sobald ein Kleidungsstück mindestens 30 mal getragen wird, steigt die Nachhaltigkeit. Vor dem Hintergrund, dass mindestens ein Drittel aller Bekleidung, ohne einmal getragen zu werden, im Müll landet, kann dadurch bereits viel bewirkt werden. Entsprechend setzen wir auf Basic-nahe, versatile Modelle.

Wie kam es dazu, dass Sie Ihre Kleider in Bulgarien produzieren lassen?

CT: Ich habe mich damals bewusst für Bulgarien entschieden, weil es das ärmste Land in der EU ist und die Frauen sehr wenig Perspektive haben. Viele arbeiten im Ausland und landen teils auch im Sexgewerbe, wo sie ausgebeutet werden. Auch in Bulgarien existieren viele ausbeuterische Arbeitsverhältnisse. Wir möchten bewusst gute Arbeitsplätze in Bulgarien fördern und den Frauen eine Perspektive bieten. Dies ist der Grund, weshalb wir bei Erfolgreichem Abschluss unseres laufenden Crowdinvestings, 1% unseres Umsatzes in einen Fonds für die Näherinnen in Bulgarien stecken werden.

«Wir möchten bewusst gute Arbeitsplätze in Bulgarien fördern und den Frauen eine Perspektive bieten.»

Wie ist Ihre Beziehung zu dem Betrieb und den dort tätigen Näherinnen?

SG: Wir pflegen eine sehr familiäre und doch professionelle Beziehung mit ihnen und sind fast täglich in Kontakt. Da wir auch alle paar Monate vor Ort sind, kennen wir die Mitarbeitenden persönlich und schätzen den Austausch sehr. Wir entwickeln die Kollektionen gemeinsam und so entsteht eine intensive Zusammenarbeit, bei der wir voneinander lernen und miteinander wachsen können. Wir möchten auch ganz gezielt, dass die Angestellten mitdenken und am Schluss stolz sind auf das Resultat, das sie dank ihrem Know-how und ihrer Fertigkeit erreichen. Wir möchten ganz bewusst dieses Handwerk der Schnittherstellung und des Nähens wertschätzen.

Aus der Beziehung zu Bulgarien stammt auch der Name Ihres Unternehmens. Was bedeutet Moya Kala?

CT: Moya Kala bedeutet auf Bulgarisch «meine Calla-Blume». Diese steht für Eleganz, Minimalismus und Würde – genau wie unsere Marke. Wir sind bestrebt, Frauen und unseren Planeten gleichermassen zu unterstützen. Wir stehen für hochwertige und faire Body Basics und Loungewear und engagieren uns für eine nachhaltigere textile Zukunft.

Wo sind Ihre Produkte über den eigenen Online-Shop hinaus erhältlich?

CT: Wir haben über 30 Händler in der Schweiz, die unsere Produkte im Sortiment aufgenommen haben und unsere Vision unterstützen. Auf unserer Website sind alle Partner-Stores aufgeführt. Wir sind auch immer wieder an Events und Messen präsent, diesen Herbst an der Blickfang, DesignGut und DesignSchenken.

In Europa fliesst nur 1 % des Risikokapitals in Startups für Frauen. Ist die Startup-Welt zu männlich geprägt?

SG: Ja, leider ist es so, dass die Startup-Welt zu über 95% männlich geprägt ist. Über 95% der Gelder fliessen von Männer an Männer. Natürlich war mir dies bewusst. Ich war dann aber doch erstaunt, wie konservativ die Finanzwelt nach wie vor ist und wie wenig sich in den letzten 20 Jahren verändert hat. Dasselbe gilt für das Thema Nachhaltigkeit. Zwar benutzen alle die einschlägigen Slogans in ihren Marketingkampagnen und brüsten sich mit Hochglanz-ESG Reports. Um wirklich etwas zu verändern, fehlt aber in der Finanzindustrie nach wie vor der Wille und auch das Know-how. Da ist die bisherige Comfort Zone für die meisten dann doch die angenehmere Wahl.

Dies ist der Grund, weshalb wir das Crowdinvesting mit der Plattform OOMNIUM – das noch bis zum 23. Oktober läuft – gestartet haben. Gemeinsam verfolgen wir das Ziel, den Zugang zu Geld zu demokratisieren – bisher haben nur ganz wenige, sehr vermögende Personen (zumeist männlich) – Zugang zum Private Equity Markt – und insbesondere die Finanzierung nachhaltiger Unternehmen, die über die finanzielle Rendite hinaus auch eine soziale Rendite als Zielsetzung haben, zu stärken. Studien belegen, dass frauengeführte Unternehmen ein nachhaltiges, verträgliches Wachstum stärker gewichten und somit langfristig mindestens so erfolgreich sind – um nicht zu sagen erfolgreicher 😉 Die Schaffung eines Fonds für die Näherinnen ist ein grosses Anliegen. Damit möchten wir etwas zurückgeben, da es ohne sie unser Unternehmen nicht gäbe. Daneben verfolgen wir aber ganz normale wirtschaftliche Ziele, nämlich das Wachstum, die Expansion und die Erhöhung des Bekanntheitsgrades unserer Marke Moya Kala. Um diese Ziele zu erreichen, verwenden wir die Kapitalerhöhung, um die Bereiche Sales und Marketing zu stärken und die Logistik weiter zu professionalisieren.

Uns ist es aber wirklich ein grosses Anliegen, dass wir auch die Männer mit an Bord haben. Denn es gibt sehr viele Männer, die ebenfalls eine Veränderung im Denken als einzigen, langfristig erfolgreichen Weg sehen. Und deshalb bereits in Moya Kala investiert haben. Gemeinsam können wir am meisten erreichen.

«Gemeinsam verfolgen wir das Ziel, den Zugang zu Geld zu demokratisieren.»

Welche Herausforderungen stellen sich Frauen bei der Suche nach Investitionen, die sich Männern nicht stellen?

SG: Unternehmerinnen beschäftigen sich häufig mit Themen, für welche sich Männer schlicht weniger interessieren. Es fehlt somit häufig die emotionale, spontane Identifikation. Die Gremien von Wettbewerben sind häufig sogar zu 100% männlich besetzt. Somit ist klar, dass weibliche Geschäftsideen häufig das Nachsehen haben. Jetzt könnte eingewendet werden, Frauen sollten sich halt eben an Investorinnen wenden. Aber hier beisst sich die Katze in den Schwanz. Der mit Abstand grösste Anteil der verfügbaren Gelder sind in männlichem Besitz. Und in den meisten Fällen sind es in Partnerschaften die Männer, welche die finanziellen Entscheide fällen.

Letzte Frage: Das Gegenstück zu Ihrer Produktion ist Fast Fashion, Kleider die in riesigen Mengen unter zum Teil miserablen Arbeitsbedingungen produziert werden. Was sollten Konsumenten generell beachten?

SG: Leider ist der andere grosse Megatrend nicht nur Fast Fashion, sondern Ultra Fast Fashion. Anbieter wie Shein verfolgen klar die Strategie, dass Kleider nicht mal mehr gewaschen werden, sondern direkt nach höchstens 1x Tragen entsorgt werden. Unglaublich, dass die Finanzindustrie im Jahr 2023 solche Konzepte stärkt und von den Gewinnen profitiert. Und mit ihnen natürlich auch die Aktionärinnen und Konsumentinnen. Wir empfehlen, immer wieder Fragen zu stellen, wo das Kleidungsstück herkommt, Kleider möglichst häufig zu tragen und sich immer wieder zu überlegen, ob frau dieses Kleidungsstück wirklich braucht, beziehungsweise wie gut es sich mit dem eigenen Kleiderschrank kombinieren lässt. Bei unseren Produkten ist 2nd Hand kaum eine Option. Aber für andere Kleidungsstücke und Accessoires bieten bestehende Produkte eine sehr spannende Alternative. Hält frau sich so gut es geht an diese Empfehlungen, kann jede Person im Kleinen bereits einen tollen Beitrag für eine nachhaltigere Fashion Industrie leisten.

Frau Tanner, Frau Gasser, besten Dank für das Interview.

Claudia Tanner hat ursprünglich eine Kaufmännische Lehre bei der SBB absolviert. Danach folgten einige soziale Einsätze und diverse Anstellungen im kaufmännischen Bereich. Mehr und mehr ist sie dann in die Textilbranche hineingerutscht und hat für Firmen gearbeitet, die nachhaltige Funktionswäsche hergestellt haben oder Recycling-Projekte mit grossen Marken durchgeführt haben. Claudia Tanner hat sich dann entschieden, Textilwirtschaft zu studieren, da sie im Unterwäschebereich noch viel Potential für Nachhaltigkeit gesehen hat und hat während ihrem Studium Moya Kala aufgebaut. Ein weiteres wichtiges Anliegen war ihr, Frauen in Osteuropa eine Alternative zur Prostitution zu bieten und präventiv Arbeitsstellen in Bulgarien zu sichern. Sie ist 35 Jahre alt, hat 3 Kinder und wohnt in Sarnen.

Sabina Gasser arbeitet seit vielen Jahren in der Modeindustrie und verfügt über Startup-Erfahrung. Bei Moya Kala kümmert sie sich um die Produktentwicklung und als Wirtschaftswissenschaftlerin zudem um die Finanzen. Ihr Herz schlägt für die Fashionindustrie mit ihrer internationalen Wertschöpfungskette. Bereits an der Uni schrieb sie ihre Bachelor- und Masterarbeit im Bereich Mode, stets bemüht, diese Leidenschaft mit Nachhaltigkeit zu verbinden. Denn mit diese diesem Thema ist sie bereits seit ihrer Kindheit vertraut. Sie ist 45 Jahre alt, hat zwei Kinder und wohnt in Zürich

Moya Kala

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