Claus Lichtenberg, CEO Alphasem: Kontinuität und Stabilität sind für uns wichtig

Von André Schäppi


 


Moneycab: Herr Lichtenberg, Alphasem gehört zu den weltweit führenden Anbietern von Chip-Montageautomaten und Systemlösungen für die Halbleiterindustrie. Trotzdem ist das Unternehmen in der Schweizer Öffentlichkeit ein relativ unbeschriebenes Blatt und ausser einiger Insider in der Elektronikbranche werden nur wenige Leute wissen, was Alphasem herstellt. Absicht oder Unterlassung der Vergangenheit?


 


Claus Lichtenberg: Das ist wohl eher eine Unterlassung aus der Vergangenheit, die damit in Zusammenhang steht, dass wir als Privatunternehmen weniger im Fokus der Öffentlichkeit standen, als das bei einem börsenkotierten Unternehmen der Fall ist. Zudem waren wir seit Anfang der 90er Jahre vorwiegend im Export aktiv, was auch nicht gerade zu einer Bekanntheitssteigerung beigetragen hat. Wir wollen das jetzt aber ändern, einerseits, weil wir wieder in der Schweiz und Europa aktiv werden, andererseits, weil wir ja auch ein bedeutender Arbeitgeber in der Region sind.


 


Die Nummer 1 in Ihrer Liga, die Esec, wird reorganisiert und ist durch Turbulenzen um die Unaxis mit Unsicherheiten belastet. Profitiert die Alphasem von dieser momentanen Schwäche?


 


Ja, wir profitieren durchaus davon, weil wir Beständigkeit in den Markt ausstrahlen, was bei den Kunden und bei den Mitarbeitern natürlich gesucht wird.


 


Besteht denn kundenseitig überhaupt das Bedürfnis nach Kontinuität oder ist die Technologie der entscheidendere Faktor?


 


Technologie steht schon im Vordergrund. Nur nützt dem Kunden die beste Technologie wenig, wenn keine langfristige Perspektive mit einem Lieferanten besteht. Deshalb versuchen wir, beide Eigenschaften zu vermitteln.


 


«Wir sehen ein beträchtliches Wachstums-Potenzial, auch hier in Europa» Claus Lichtenberg, CEO Alphasem


 


Einer Ihrer Mitbewerber aus dem asiatischen Raum hat sich folgende Maximen auf die Fahne geschrieben: Schnelle Lieferung, tiefe Preise und hohe Qualität. Was können Sie solchen Argumenten entgegenhalten?


 


Hier gibt es zwei Philosophien. Entweder ist man Kostenführer beim Preis in Kombination mit schneller Lieferung. Da sind asiatische Firmen gegenüber Europäern attraktiver. Oder, und das ist unser Ansatz: Man bietet preiswerte und kostengünstige Prozesslösungen im Sinne des Kunden an. Dadurch schaffen wir Mehrwert im Prozessdesign und im Handling unserer Maschinen und müssen uns nicht auf die Low-Cost-Ebene der Maschinenanbieter begeben.


 


Aber Ihre chinesische Niederlassung ist doch auch gut positioniert?


 


Wir haben unsere Easyline nach China verlagert und nutzen die kostengünstige Fertigung. Dadurch können wir schnelle und preiswerte Maschinen im unteren Mittelklasse-Bereich anbieten. Im absoluten Low-Cost-Bereich, weit unter 100’000 USD, sind unsere Produkte nicht angesiedelt. Eigentlich liegen wir eher in der Mittelklasse und im Highend-Bereich mit, mit Schwerpunkt Prozesslösungen. Da sehen wir auch unsere Stärke.


 


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Betrachtet man die Marktentwicklung für Montageautomaten verschiedener Hersteller in den letzten drei Jahren, so ist es bemerkenswert, dass die Nummer 1 den Verfolgern laufend Marktanteile abnimmt. Was muss Alphasem unternehmen, um vom gegenwärtigen Rang Drei den jetzigen Marktanteil von 12 Prozent auf die von Ihnen avisierten 20 Prozent zu erhöhen?


 


Es gibt Mitbewerber, die sich Marktanteile kaufen und daran nichts verdienen. Das machen wir nicht, weil es aus unserer Sicht für das Unternehmen nicht interessant ist. Vielmehr versuchen wir, in neue Märkte einzusteigen, die unsere Technologien mit Prozess-Know-how brauchen und da sehen wir schon ein beträchtliches Wachstums-Potenzial, auch hier in Europa.


 


Woran denken Sie konkret?


 


Da ist zum Beispiel die Automobilindustrie und die Medizintechnik. Märkte also, die in den nächsten 5-10 Jahren teilweise einen grundlegenden Wandel durchmachen werden. Einige Anwendungen stehen aber schon bald im Einsatz und sind deshalb für uns als Maschinenlieferant interessant. So ist es in den USA ab 2006 zwingend, einen Mikrochip in den Reifen integrieren, der kontinuierlich den Druck misst und im Fall des Unterschreitens eines Minimaldrucks ein Warnsignal gibt und so mithilft, Unfälle zu vermeiden. Eine weitere Anwendung liegt im Medizinbereich, mit sogenannten Lab-on-Chips. Das sind Stecknadelkopfgrosse Mini-Labors und Dosiereinheiten. Beiden Anwendungen ist gemeinsam, dass sehr schnell wachsende Stückzahlen entsprechend Maschinen für die Herstellung nach sich ziehen.


 


Der weltweite Markt für Halbleiter soll in diesem Jahr voraussichtlich um 7 % auf ein Volumen von 227 Milliarden US-Dollar wachsen. Dies prognostiziert die Semiconductor Industry Association (SIA). Hauptgrund für das Wachstum ist laut SIA-Präsident George Scalise die gestiegene Nachfrage auf mehreren wichtigen Endmärkten, beispielsweise bei PCs, Mobiltelefonen, digitalen Fernsehern und Digitalkameras. Gemäss Ihren eigenen Prognosen sehen Sie allerdings für Alphasem einen Umsatz-Rückgang um 10 % für 2005 auf sich zukommen. Da scheint sich ein Widerspruch zu verstecken, oder etwa nicht?


 


Nein, das ist es nicht, denn es gibt eine zeitliche Verschiebung zwischen der Nachfrage von Chips und der Auslieferung unserer Maschinen. Das Equipment wird normalerweise bei ansteigender Nachfrage gekauft und dann entsprechend sukzessive ausgelastet. So war es auch 2004, wo wir zum ersten Mal nach dem Einbruch von 2001 wieder ein ansprechendes Wachstum von 40% hatten. Jetzt sind die Kapazitäten für die nächsten Monate/Jahre teilweise abgedeckt, was natürlicherweise zu einer Verlangsamung bei der Nachfrage führt, und die sehen wir etwa im Bereich von 10%.


 


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Das Wachstum in der Branche wird einerseits durch neue Prozesstechnologien und andererseits durch steigenden Bedarf an Halbleiterkomponenten getrieben. Im High-End-Segment des Flip Chip Bondings sollen die Margen besser sein als in anderen Segmenten. Ist Alphasem in diesem Segment genügend stark positioniert? (Flip Chip ist eine Packageform für Integrierte Schaltkreise. In einem Flip-Chip-Package ist der Chip direkt, ohne weitere Anschlussdrähte montiert. Anmerkung der Redaktion)


 


Ja, wir sind gut im Randbereich der Flipchip-Montage vertreten und bieten seit Jahren gute Lösungen an. Allerdings haben wir ein Handicap, dass wir nicht genügend bekannt sind. Aber das wollen wir jetzt in neuen Märkten ausbauen.


 


Alphasem hat letztes Jahr die Sister Semiconductor Equipment GmbH (SSE) im süddeutschen Singen erworben. SSE entwickelt und fertigt Maschinen zur Mikrostrukturierung und Beschichtung von Wafern (Siliziumscheiben als Basis für die Herstellung von Halbleitern). Diese Anlagen werden oft in Prozessstufen eingesetzt, die Alphasem?s Anlagen zur Mikromontage der Halbleiter vor- oder nachgelagert sind. Mit dieser Akquisition wollen Alphasem’s Geschäftsfelder in der Mikrosystemtechnik und im Bau von Sensoren angehen. Wie ist die Integration verlaufen und kann man bereits erste erfolgreiche Projekte mit Synergien vorweisen?


 


Die Integration ist im wesentlichen abgeschlossen. Wir konzentrieren uns zunehmend auf die Weiterverarbeitung nach der Waferherstellung und mit der SSE-Technologie gibt es Prozessvereinfachungen, zum Beispiel in der Verbindungstechnik. Dadurch eröffnen sich uns als Alphasem neue Möglichkeiten und wir haben schon einige Projekte, bei denen der Kunde die Technologien beider Firmen gekauft hat.


 


Herr Lichtenberg, die Verlagerung der Märkte nach Asien schreitet weiter voran. Haben Sie sich schon für einen Chinesisch-Kurs angemeldet?


 


(Lacht) Nein. In den asiatischen Massenmärkten mit grossem Wachstum bei Standardmaschinen sind wir mit unserem Fertigungsstandort im chinesischen Suzhou gut positioniert. Europa ist aber für uns nach wie vor interessant, weil hier der Schwerpunkt auf Prozesslösungen liegt.


 


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Alphasem hat bereits ein Standbein in China und beschäftigt dort 30 Mitarbeiter. Das macht ja durchwegs Sinn, denn rund 70-80% des Umsatzes werden im asiatischen Raum erzielt. Welche Arbeitsteilung besteht zwischen dem Hauptsitz in Berg und dem Standort in Suzhou (nähe Shanghai). Welche Bedeutung wird der Hauptsitz in Berg, TG, in Zukunft haben und ist es denkbar, dass man mittelfristig auch den asiatischen Raum weiter stärkt?


 


Wir versuchen, hier eine Balance zu finden. In China werden unsere Mittelklasse-Maschinen gefertigt. Zusätzlich haben wir ihnen jetzt die Möglichkeit gegeben, die Maschinen weiter zu entwickeln. Das ist auch für die Leute vor Ort interessant und motivierend. Insofern betrachten wir China nicht einfach als verlängerte Werkbank. Auf der anderen Seite liegt die Stärke von Berg im Highend-Bereich. Die Systemintegration und Prozessentwicklungen werden auch künftig Made in Berg oder Germany sein.


 


Seit 1999 ist Alphasem im Besitz der multinationalen Dover Corporation. Die Dover Corporation ist ein weltweit agierender und am NYSE-kotierten Misch-Konzern mit einem Umsatz von rund 5,5 Mrd. USD und rund 28000 Mitarbeitern, der Firmen aus den unterschiedlichsten Industriebereichen unter einem Dach vereint. Was steckt hinter der Dover Corporation und in welcher Form profitiert Alphasem von der Zugehörigkeit zu diesem Konzern?


 


Die Philosophie der Dover liegt darin, dass sie profitable Familienunternehmen kauft und sie in der bisherigen Firmenkultur belässt. Wir erhalten zwar betriebswirtschaftliche Zielvorgaben, sind aber im Weg zur Zielerreichung frei. Darin liegt sicher die Stärke des amerikanischen CEO-Prinzips. Was für uns ebenfalls sehr nützlich ist, ist der Zugang zu Benchmarks anderer Dover-Firmen, die sich in einem ähnlichen Technologie-Umfeld oder einer verwandten Branche befinden. Dadurch sehen wir recht genau, wie deren Profitabilität ist und welche Mittel sie dazu einsetzen.


 





Zur Person

Claus Lichtenberg, Jahrgang 1958, wurde als deutscher Staatsbürger in Hinterzarten (Deutschland) geboren. Nach einer Ausbildung zum Dipl. Ingenieur (TU) folgten Managementkurse, unter anderem in St. Gallen, und eine betriebswirtschaftliche Ausbildung. Von 1984 bis 2000 war er bei Carl Zeiss die ersten Jahre als Projekt Manager Engineering and Planning, Konstruktionsleiter, Produktionsleiter und die letzten 3 Jahre Business Unit Manager (General Manager und Technical Director) tätig. 2000 trat er als Chief Operating Officer in die Süss MicroTec AG ein, deren Vorstand für Produktion und Technik er 2000 wurde. 2001 wurde er zudem zum Vorstand für das Ressort Finanzen ernannt. Seit April 2003 hat er die Leitung der Alphasem als Geschäftsführer (CEO).


 


Das Unternehmen


Bereits seit 1979 produziert Alphasem Anlagen für die Halbleiterindustrie im thurgauischen Berg. Inzwischen hat das Unternehmen weltweit 320 Mitarbeiter und generiert einen Umsatz von rund 75 Millionen US Dollar. Um das Sortiment entsprechend der Kundenbedürfnisse zu ergänzen, hat Alphasem im vergangenen Jahr die Firma SSE Sister Semiconductor Equipment mit inzwischen 50 Mitarbeitern aus Singen hinzugekauft, für die 2005 ein Umsatz von rund acht Millionen US Dollar erwartet wird. Alphasem ist im vollständigen Besitz der börsenkotierten, amerikanischen Dover Corporation.

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