Corinne Fischer, CEO Bataillard AG

von Jolanda Lucchini


Frau Fischer, in der Sonntagsausgabe der «Neuen Luzerner Zeitung» haben Sie kürzlich gesagt, dass das erste Quartal 2009 der Bataillard AG trotz Wirtschaftskrise im Vergleich zum Vorjahr positive Zahlen brachte. Trinken sich die Schweizerinnen und Schweizer den Kummer weg ? oder wie erklären Sie das?

Man könnte wirklich fast meinen, dass die Schweizerinnen und Schweizer den Kummer wegtrinken. Es ist richtig, dass Bataillard im Vergleich zum Vorjahr im ersten Quartal 09 gewachsen ist. Dies hat damit zu tun, dass die strategische Neuausrichtung seit 2005 ihre Früchte trägt. Wir stellen aber auch fest, dass die Wirtschaftskrise den Privatkonsum in der Schweiz noch nicht stark getroffen hat. Denn Lebensmittel und u.a. Wein im mittleren Preissegment, in welchem sich Bataillard positioniert, sind nach wie vor stark gefragt. Für das zweite Halbjahr gehen wir jedoch von einer wesentlichen Abschwächung der Nachfrage aus. D.h. höhere Arbeitslosigkeit sowie höhere Krankenkassenprämien werden den Privatkonsum und somit auch den Weinkonsum bremsen.


Wie schätzen Sie die Lage ein: Wird 2009 trotzdem insgesamt ein guter Jahrgang für Sie?

Wir gehen davon aus, das Jahr 2009 mit einem befriedigenden Umsatz abschliessen zu können. In der Krise ist es wichtig, die mittel- bis langfristige Strategie weiter konsequent zu verfolgen. Es gilt Ruhe zu bewahren und sich für den Worst Case zu wappnen. Und vor allem achten wir darauf, nachhaltige Projekte zu realisieren. Dabei wird uns die Umsetzung der Projekte weiteren Wachstum bringen.


Zu ihren Kunden gehören 600 regionale Weinhändler. Diese und andere traditionelle Weinfachgeschäfte verlieren aber zusehends Marktanteile an die Lebensmittelketten. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung? Und wohin führt sie Ihrer Meinung nach in Zukunft?

Es stimmt, dass der traditionelle Weinfachhandel Marktanteile an die Lebensmittelketten verliert. Dies, weil der Detailhandel vor allem sein Sortiment professionell erweitert hat. Jedoch werden die gut positionierten Weingeschäfte gegenüber den Lebensmittelketten im Vorteil bleiben. Denn der interessierte Kunde schätzt nach wie vor eine gute Beratung, Kundennähe, Zusatzservice sowie ein differenziertes Sortiment. Es ist aber davon auszugehen, dass eine Bereinigung im traditionellen Weinfachhandel stattfinden wird.


Eine grosse Herausforderung steht Ihrer Firma mit dem Wegfall der Zollschranken bevor: Die traditionelle Rolle von Abfüllern und nationalen Grosshändlern wie die Bataillard AG fällt weg. Was bedeutet dies genau für Ihr Unternehmen?

Bisher waren die Zölle auf Flaschenimporte wesentlich höher als die Importe für Offenweine. Somit wurde der Wein vermehrt in der Schweiz abgefüllt und Arbeitsplätze in der Schweiz garantiert. Mit dem Wegfall der Zollschranken werden die Aufträge zur Abfüllung von Grossmengen bzw. Billigweinen ins Ausland wandern. Wir haben diese Entwicklung bereits 4 bis 5 Jahre vorausgesehen und uns entsprechend langfristig umpositioniert. Einerseits betreiben wir ein Uptrading der Sortimente, anderseits gehen wir weg von Billigweinen. Zudem haben wir uns vor allem auf Mittel- bis Kleinabfüllungen und den Vertrieb von Markenweinen spezialisiert.


«…Jedoch werden die gut positionierten Weingeschäfte gegenüber den Lebensmittelketten im Vorteil bleiben. Denn der interessierte Kunde schätzt nach wie vor eine gute Beratung, Kundennähe, Zusatzservice sowie ein differenziertes Sortiment.»


In einer Studie hat die Bataillard AG sechs Typen von Weinkonsumenten festgemacht, die den Schweizer Weinmarkt prägen ? vom heiteren Bodenständigen über den stilsicheren Kollegen bis zur perfekten Gastgeberin. Welches war die erstaunlichste Erkenntnis, die Sie aus dieser Studie zogen ? und wie veränderte sie Ihr Sortiment? 

Beispielsweise haben wir durch die Konsumentenbefragung festgestellt, dass eine unserer Weinmarken, von der wir immer ausgegangen sind, dass diese vor allem durch Frauen gekauft wird, genauso oft durch Männer gekauft wird. Konsequenz aus dieser erstaunlichen Erkenntnis war, dass wir die Planung der Marketingaktivitäten für diese Weinmarke völlig neu überarbeitet haben ? weg von «frauenspezifischen» Verkaufsförderungsmassnahmen.

Da wir uns generell als Anbieter eines umfassenden Gesamtsortiments verstehen, haben die Ergebnisse der Studie weniger unser Sortiment als solches verändert. Vielmehr helfen uns die Studienergebnisse beispielsweise bei der Einführung von neuen Weinen, resp. generell bei der Planung der Marketingaktivitäten, da wir diese gezielt auf die einzelnen Konsumentencluster ausrichten können. Ein Beispiel ist der Relaunch der Marke VIALA. Basis zum Relaunch bildeten gezielte Interviews mit Vertretern derjenigen Clustergruppe, welche bei der Konsumentenbefragung am meisten Affinität zu VIALA zeigten.


Ihr Sortiment umfasst 2000 verschiedene Weine. Wie hat es sich in den letzten Jahren verändert, wo gab es Verlagerung?

Unser Sortiment hat sich deutlich verändert. Starke Marken wie Freixenet, San Felice, Peter Lehmann, Yellow Tail, Osborne Solaz und Guigal, welche beim Konsument sehr beliebt sind, wurden ins Sortiment aufgenommen. Weiter fanden noch mehr Weine aus Trendregionen den Weg in unser Sortiment. Denn Weine aus Europa mit typischen Traubensorten, welche ihre Region und Wurzeln (Terroir) ausdrücken, sind stark gefragt. Vor allem die Regionen Süditalien, Spanien und Österreich liegen im Trend. Die Weine aus der Neuen Welt sind hingegen weniger gefragt. Ausserdem sind die Preise für Bordeaux im freien Fall, und Burgunder Weine werde ebenfalls weniger nachgefragt.


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Wie wichtig sind für Ihre Firma Schweizer Weine?

Als drittgrösster Schweizer Weinimporteur gilt das Hauptaugenmerk bei Bataillard den ausländischen Weinen. Bei den Schweizer Weinen sehen wir ein klares Potential für Wachstum.


Welche Bedeutung haben Bio-Weine für Ihr Unternehmen?

Bis jetzt spielen die Bio-Weine noch eine untergeordnete Rolle. Aber wir sind dabei, unser Sortiment dahingehend zu erweitern.


Das Zollfreilager der Bataillard AG anerbietet sich für eine Veredlung der Weine im Transit. Wie entwickelt sich dieser Bereich?

Es werden zunehmend Geschäfte in diesem Bereich abgewickelt. Aber wir legen keinen Fokus auf die Ausdehnung dieses Geschäftfeldes.
 
Sie planen mittelfristig Investitionen in nachhaltige Technologien. Das klingt spannend. Können Sie erläutern, in welchen Bereichen und auf welche Art?

Im Bereich Wasser- und Energieverbrauch, Verpackungslösungen und Transportbereich versuchen wir mit dem Kunden zusammen mit nachhaltigen Technologien sowohl die wirtschaftliche als auch die ökologische Effizienz zu steigern. Ein Beispiel ist die Anschaffung einer neuen Etikettieranlage, welche wesentlich weniger Ausschuss produziert sowie mehr Funktionalitäten (erhöhter Kundenservice) aufweist. Weiter werden Systeme geprüft, welche die Wiederaufbereitung des Wassers in der Produktion ermöglichen.


Die Bataillard AG wird in vierter Generation von Ihnen und Ihrem Bruder Marc geführt. War ihr Weg als CEO der Firma vorgezeichnet?

Mein Weg als CEO der Firma war überhaupt nicht vorgezeichnet. Ich wollte mich vor allem ausserhalb des Familienbetriebs verwirklichen. Nach 30 jedoch wandelte sich meine Lebenseinstellung, und ich sah im Unternehmertum mehr Freiheit für die Zukunft. Mit 35 erhielt ich die Chance, mit meinem Bruder unternehmerisch einzusteigen. Es hat sich ein Generationenwechsel im Aktionariat und in der Führungsstruktur angekündigt. Dank den Banken konnten der Führungs- und Besitzwechsel realisiert werden. Mit viel Freude sind mein Bruder und ich nun daran, die Bataillard Gruppe positiv weiter zu entwickeln.


Ihre Weine sind wiederholt von Parker, Gambero Rosso, Mundus vini, Wine Spectator oder im Vinum ausgezeichnet worden. Welches ist derzeit Ihr Geheimtipp punkto Spitzenwein?

Villa Gemma vom Weingut Masciarelli , der absolute Pionier aus den Abruzzen. Ein reiner Montepulciano. Dicht, enorm kräftig und gute Struktur. Der Rotwein wurde 13 Jahre hintereinander mit den Tre Bicchieri vom wichtigsten italienischen Weinführer (Gambero Rosso) ausgezeichnet.


Und punkto Tischwein?

Da habe ich gleich zwei Geheimtipps: Gros Manseng ? Sauvignon Blanc, Vin de Pays des Côtes de Gascogne vom Weingut Alain Brumont.  Ein frischer, aromatischer sowie trockener Weisswein. Ein idealer Sommerwein. Die Weine aus der Gascogne sind noch wenig bekannt in der Schweiz. Aber sie werden sicherlich in den nächsten Jahren an Bekanntheit gewinnen.
Und Maremma Toscana IGT rosso vom Landgut Perolla. Der Rotwein duftet nach Rosenblüten, Himbeeren, dunklen Kirschen und Lavendel. Er hat eine gute Struktur mit schöner Balance. Der Wein kommt aus einer neuen trendigen Weinregion.


Welchen Wein würden Sie zu einem Geschäftsessen entkorken?

Das variiert ständig nach Lust und Laune, aber auch nach den Teilnehmern. Ein sicherer Wert ist immer ein Rioja, in diesem Falle würde ich einen Reserva Alcorta aufstellen.





Die Gesprächspartnerin
Corinne Fischer, 44, ist seit April 2004 CEO des Weingrosshändlers Bataillard AG. Bevor sie 2002 in das Familienunternehmen einstieg, war sie innerhalb der Bon Appetit Group AG als Geschäftsleiterin der Frimago AG und Marketing-Verantwortliche der Primo/Visavis-Läden sowie Gourmet Factory Zürich tätig. Ihren beruflichen Werdegang begann Frau Fischer nach dem Hochschulabschluss in St.Gallen (lic. oec. HSG) bei Procter & Gamble in Genf.


Das Unternehmen
Die Bataillard AG in Rothenburg LU ist seit über 100 Jahren im Weingeschäft tätig und gehört mit einer Produktion von über 15 Millionen Flaschen Wein zu den führenden Handelskellereien in der Schweiz. Das Familienunternehmen, das heute von der Familie Fischer kontrolliert wird, vertritt als Schweizer Generalimporteur 50 internationale Weingüter und beliefert rund 500 Kunden aus dem Weinfachhandel, Detailhandel und Gastronomie-Grosshandel. Im Sortiment finden sich über 2000 Weine.


 

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