CS-Studie: Jura im Takt der Uhrenindustrie

Auch aktuelle Vorlaufsindikatoren wie das Exportbarometer und das regionale Konjunkturbarometer sowie die sinkende Arbeitslosigkeit deuten darauf hin, dass die Folgen der jüngsten Rezession überwunden sind. Dies geht aus einer neuen Studie der Credit Suisse (CS) zum Kanton Jura und zum Berner Jura hervor. Demnach darf der Jura bezüglich der mittelfristigen wirtschaftlichen Entwicklung trotz der im schweizweiten Vergleich geringen Standortqualität optimistisch sein. Die Region mit ihren spezialisierten Branchen wie der Uhren- oder der Maschinenindustrie ist jedoch weiterhin stark exportorientiert und bleibt damit besonders verwundbar für konjunkturelle Schwankungen im internationalen Umfeld.


Konjunkturanfällige Feinmechanik- und Uhrenindustrie
Die wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten im Kanton Jura und im Berner Jura sind durch die topographischen Gegebenheiten wesentlich beeinflusst. Im Vergleich zu den nahe gelegenen Flachlandregionen weist der Jura aber auch in anderen Kriterien weniger günstige Rahmenbedingungen auf. Eine jahrzehntelang anhaltende Stagnation der Bevölkerungs- und Beschäftigungsentwicklung zeugen davon. Mit der Hochkonjunkturphase bis 2008 hat sich das Blatt jedoch gewendet und die wirtschaftliche Entwicklung hat wieder an Fahrt gewonnen; der Jura hat sich dank der gestiegenen Anzahl an Arbeitsplätzen zum Zuwanderungskanton besonders für Arbeitskräfte aus dem EU-Raum gewandelt. Der Impuls dazu geht massgeblich von der stark gewachsenen Spitzenindustrie aus. Hingegen bleibt die hoch spezialisierte Wirtschaftsstruktur, welche massgeblich von der Feinmechanik- und Uhrenindustrie geprägt ist, sehr anfällig für konjunkturelle Schwankungen im Ausland. Der Exporteinbruch und hohe Arbeitslosenzahlen als Folge der jüngsten Rezession haben die Verwundbarkeit der Region erneut vor Augen geführt.


Konjunkturelle Erholung in Sichtweite 
Mit seiner hohen Spezialisierung in exportorientierten Branchen wurde der Jura in die internationalen konjunkturellen Wirren der letzten Jahre hineingezogen und die Uhren- und Maschinenexporte sind eingebrochen. Als Folge der Wirtschaftskrise ist die Arbeitslosigkeit im Kanton Jura stark angestiegen, was den Bund zu ausserordentlichen Stützungsmassnahmen bewogen hat. Die aktuellen Aussichten lassen jedoch darauf schliessen, dass die konjunkturelle Wende geschafft ist. Die Ökonomen der Credit Suisse rechnen mit einer wachsenden Wirtschaftsaktivität, da sich Vorlaufsindikatoren wie das Exportbarometer und das regionale Konjunkturbarometer im Aufwärtstrend befinden. Die Arbeitslosenquote ist seit Jahresbeginn rückläufig, bleibt aber über dem schweizerischen Durchschnitt. 


Boomphase in der Exportindustrie beflügelt Zuwanderung
Nach mehreren Jahren der Stagnation hat der Kanton Jura in den letzten Jahren wieder ein Bevölkerungswachstum verzeichnen können. Dieses geht einher mit dem starken Wachstum an Arbeitsplätzen während des letzten Konjunkturaufschwungs. Haupttreiber dieser Entwicklung ist die internationale Zuwanderung, welche seit der Personenfreizügigkeit mit den EU-Ländern stark angestiegen ist. Die regionalen Unterschiede im Bevölkerungswachstum sind jedoch frappant: Während der Bezirk Freiberge eine starke Dynamik erfährt, sind die Ajoie und der Berner Jura weiterhin mit einer Stagnation konfrontiert.


Geringe Standortqualität teilweise hausgemacht
Im Standortqualitätsindikator der Credit Suisse rangiert der Kanton Jura seit der ersten Berechnung auf dem letzten Rang der Schweizer Kantone. Neben der vergleichsweise niedrigen verkehrstechnischen Erreichbarkeit weisen die jurassischen Bezirke und der Berner Jura auch unterdurchschnittliche Werte beim Ausbildungsstand der Bevölkerung sowie bei der Verfügbarkeit von hochqualifizierten Fachkräften auf. Eine geringe Breite an Erwerbsmöglichkeiten, sowie fehlende Bildungsmöglichkeiten haben in der Vergangenheit zu einer Abwanderung der entsprechenden Bevölkerungsgruppen geführt. Von der Fertigstellung der Transjurane im Jahr 2017 werden sämtliche Gemeinden profitieren, gleichwohl bleiben die Fahrzeiten in die Schweizer Zentren hoch. Als weiterer Nachteil sind die Einwohner und Unternehmen im Kanton Jura mit einer überdurchschnittlichen Steuerbelastung konfrontiert. Da vergleichbare Kantone wie Uri, Obwalden und Appenzell Ausserrhoden in den vergangenen Jahren stark in ihre steuerliche Attraktivität investiert haben, hat sich der Rückstand des Kantons Jura vergrössert. Trotz der starken wirtschaftlichen und kulturellen Verbundenheit mit dem Kanton Neuenburg und der Region Biel hat sich der Kanton Jura zum Jahresbeginn der Wirtschaftsförderung BaselArea angeschlossen. Er wird in Zukunft als Einheit mit den beiden Basel im internationalen Standortwettbewerb auftreten und erhofft sich dadurch wirtschaftliche Impulse.


Trotz hoher Steuerbelastung lebt sich’s im Jura günstig
Bezüglich der finanziellen Wohnattraktivität gehört der Jura zum Mittelfeld der Schweizer Kantone. Während für eine breite Schicht von Haushalten Einfamilienhäuser vielerorts unerschwinglich sind, sind die Immobilienpreise im Jura schweizweit am günstigsten. Nicht zuletzt deswegen weist der Jura einen sehr hohen Anteil an Wohneigentümern auf. Die hohe Steuerbelastung schlägt sich jedoch stark in den Budgets der Haushalte nieder, was einen Spitzenrang bei der finanziellen Wohnattraktivität verhindert. Kehrseite der tiefen Immobilienpreise sind die fehlenden Anreize für Renovationen. Anstelle der Pflege und Sanierung des hohen Altbaubestandes in Ortszentren werden Neubauten auf günstigem Bauland ausserhalb der Kernzonen erstellt. Überalterte und leer stehende Wohnobjekte bringen eine Abwärtsspirale in Gang, durch welche die Ortszentren schleichend an Attraktivität einbüssen.


Der Jura behauptet sich als Standort der Spitzenindustrie
Schweizweit ist die Branchenlandschaft einem Wandel hin zum Dienstleistungssektor unterworfen. Im Jura können sich die Industriebranchen jedoch weiterhin behaupten. Die Juraregionen haben in den letzten Jahren ein starkes Beschäftigungswachstum in der hochproduktiven Spitzenindustrie erfahren. Aufgrund des nur schwach vertretenen Dienstleistungssektors bleibt die Wertschöpfung pro Beschäftigten in der Gesamtbetrachtung jedoch unter dem Schweizer Durchschnitt. Dank des dennoch günstigen Chancen-Risiken-Profils der Branchenstruktur weist der Kanton mittelfristig ein hohes Wachstumspotential der Wertschöpfung auf. Gemäss Einschätzung der Ökonomen der Credit Suisse wirkt sich der Rückstand in der Standortqualität jedoch negativ auf das langfristige Wachstumspotential aus.  (cs/mc/ps)


Anmerkung: Regionale Strukturen und Perspektiven lassen sich am besten auf der Ebene sogenannter Wirtschaftsregionen analysieren, welche die Autoren der Studie auf der Grundlage von ökonomischen Zusammenhängen in Anlehnung an die Mobilité-Spatiale-Regionen des Bundesamts für Statistik definiert haben. Gemäss dieser Abgrenzung stellt der Kanton Jura eine einzelne Region dar. Um die Unterschiede innerhalb des Kantons besser zu veranschaulichen, wurden in den Analysen der Studie zum Kanton Jura die drei Bezirke des Kantons jeweils bewusst separat hervorgehoben. Um den engen wirtschaftlichen und kulturellen Verbindungen mit den Berner Gebieten Rechnung zu tragen, haben die Autoren der Studien die Wirtschaftsregion Berner Jura ebenfalls in die Analyse einbezogen. Diese umfasst die Berner Bezirke Moutier und La Neuveville sowie Teile des Bezirks Courtelary. Aufgrund der stärkeren wirtschaftlichen Verbundenheit mit dem Neuenburger Zentrum La-Chaux-de-Fonds zählt das Vallon de Saint-Imier nicht zur Wirtschaftsregion Berner Jura und wird in der Studie nur am Rande einbezogen.

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