CS-Umfrage: Schweizer sind stolz auf ihr Land und sorgen sich um ihr Geld
Die wichtigsten Gründe, auf die Schweizer Wirtschaft stolz zu sein, sind Uhrenindustrie, internationaler Qualitätsruf und starke Marken. Auf der politischen Ebene sind es Unabhängigkeit, Neutralität und Volksrechte. Dies sind die Resultate der am Montag veröffentlichten Sorgenbarometer-Umfrage der Credit Suisse.
Welches sind des Schweizers grösste Sorgen?
Dieser Frage geht die Credit Suisse seit über 30 Jahren in ihrer jährlichen Sorgenbarometer-Umfrage nach. Auch dieses Jahr befragte das Forschungsinstitut gfs.bern im Auftrag der Credit Suisse über 1000 Schweizer Stimmberechtigte in allen Landesteilen nach deren Sorgen, in der Zusatzumfrage Identität Schweiz aber auch nach den Stärken und Schwächen der Schweiz und was die Identität unseres Landes ausmacht.
Repräsentative Umfrage
Einzelne der im Folgenden beschriebenen Resultate sind von der Verunsicherung an den Finanzmärkten vor und während des Befragungszeitraums (2. – 28. September 2008) geprägt, welche in den jüngsten Wochen noch zugenommen hat. Dessen ungeachtet gelten die Resultate aus wissenschaftlicher Sicht als repräsentativ für die Grundstimmung der Schweizerinnen und Schweizer in diesem Jahr, insbesondere für deren Einbettung im Langzeitvergleich, welche die Bedeutung des Sorgenbarometers ausmacht.
Arbeitslosigkeit bleibt Hauptsorge
Bereits zum sechsten Mal in Folge bereitet die Arbeitslosigkeit den Schweizerinnen und Schweizern die grösste Sorge, wobei aber die Nennungshäufigkeit um 4 Prozentpunkte auf 53 Prozent Nennungen gesunken ist. Gar um 6 Prozentpunkte zurückgegangen ist die Sorge um die Altersvorsorge, die mit 39 Prozent nun hinter dem Themenbereich Krankenkassen/Gesundheit (40%; 2007: 38%) den dritten Platz belegt. Dieses Ergebnis kommt wenig überraschend; diese drei Themen machen seit acht Jahren die ersten drei Plätze unter sich aus. Auf entsprechend grosses Interesse stösst deshalb jeweils die Sorge, die am vierthäufigsten genannt wird.
Wachsende Bedrohungen
Den vierten Platz belegt in der neuesten Befragung das Thema Inflation/Teuerung, das mit einem Plus von 12 Prozentpunkten den grössten Sprung nach vorne machte. Den zweitgrössten Zuwachs an Nennungen verzeichnet die Sorge um die allgemeine Wirtschaftsentwicklung, die um 8 Prozentpunkte auf 17 Prozent anstieg, es aber dennoch nicht in die Top Ten der Rangliste schaffte (Rang 14). Berücksichtigt man für eine Gesamtbetrachtung der Sorgen mit einem Bezug zum eigenen Wohlstand und demjenigen der Schweiz neben diesen beiden Themen auch die Sorge Neue Armut, die sich auf einem hohen Niveau eingependelt hat (28%; 2007: 25%), lässt sich feststellen, dass in breiten Kreisen der Bevölkerung das Gefühl, sich mit dem vorhandenen Geld immer weniger leisten zu können, in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen hat. Dieses Gefühl wächst vor allem bei Personen, die glauben, dass es ihnen und der gesamten Wirtschaft in Zukunft schlechter gehen werde.
Problem der Geldentwertung wird dringlicher
Bei der Folgefrage «Welches der fünf wichtigsten Probleme der Schweiz müsste Ihrer Ansicht nach an erster Stelle gelöst werden?» stehen immer noch Arbeitslosigkeit (15%) an erster und die Sorge um steigende Gesundheitskosten (13%) an zweiter Stelle. Die Sorge um die Geldentwertung rückt hier jedoch mit 9 Prozent Nennungen bereits auf den dritten Platz vor. Die ansonsten auf Platz drei gesetzte Sorge um die Altersvorsorge geniesst lediglich noch bei 5 Prozent der Befragten oberste Priorität und belegt damit hinter ?Neue Armut? und ?Soziale Sicherheit? mit noch je 6 Prozent Nennungen nur den sechsten Platz. Diese Ergebnisse zeigen, dass die Schweizer Bevölkerung davon auszugehen scheint, dass sich die allgemeine Wirtschaftslage verschlechtern wird, die AHV aber kurz- bis mittelfristig gesichert ist.
Sorge betreffend Ausländer rückläufig
Sorgen wie Flüchtlinge (30%; 2007: 26%) und persönliche Sicherheit (27%; 2007: 30%), die regelmässig Spitzenplätze im Sorgenbarometer belegen, sind auch dieses Jahr weit oben anzutreffen (Rang 5 und 7). Die Sorge über die Ausländer nahm aber um 11 Prozentpunkte auf 24 Prozent ab und ist damit stark rückläufig. Nach einem markanten Anstieg vor einem Jahr ist die Sorge um die Umwelt mit 23 Prozent Nennungen auf den Stand Ende der Neunzigerjahre zurückgekehrt.
Problembewusstsein in zehn Jahren
Aufschlussreich ist auch die heutige Einschätzung der fünf grössten Probleme in zehn Jahren. Auch da schwingt die Arbeitslosigkeit oben auf (46%), aber bereits an zweiter Stelle folgt die Neue Armut (41%) und erst dann Altersvorsorge (39%) und Gesundheitskosten (35%). Auch hier manifestiert sich die Angst zahlreicher Schweizerinnen und Schweizer, in den nächsten zehn Jahren wirtschaftliche Einbussen zu erleben.
Politik und Wirtschaft versagen öfter
Parallel zur wachsenden Skepsis in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung ist auch die Anzahl Schweizer Stimmberechtigter, die der Wirtschaft und der Politik häufiges Versagen vorwerfen, grösser geworden. Glaubten vor einem Jahr 32 Prozent, dass die Wirtschaft oft versage, sind es in diesem Jahr 40 Prozent. Bei der Politik gehen gar 43 Prozent (2007: 38%) von häufigem Versagen aus.
Vertrauen in Behörden bleibt aber hoch
Dessen ungeachtet bleibt das Vertrauen in verschiedene Akteure recht konstant. Nach wie vor ein sehr grosses Vertrauen geniessen das Bundesgericht (68%; 2007: 66%) und die Polizei (63%; unverändert). Zum Zeitpunkt der Befragung immer noch sehr hoch war auch das Vertrauen in die Banken mit 58 Prozent (2007: 60%). Leicht zulegen konnte zudem der Bundesrat (53%; 2007: 51%) und die Armee, welche trotz häufig geäusserter Kritik unmittelbar vor dem Befragungszeitraum markant zulegen konnte (50%; 2007: 41%). Vergleichsweise kritisch steht die Bevölkerung weiterhin der Europäischen Union (28%), den politischen Parteien (30%) und der UNO (34%) gegenüber.
Fernsehen und Radio geniessen mehr Vertrauen als die Zeitungen
In diesem Jahr wurde zum ersten Mal das Vertrauen in die Medien nicht mehr allgemein, sondern differenziert erhoben. Fernsehen und Radio geniessen das grösste Vertrauen (54% bzw. 53%), gefolgt von den bezahlten Zeitungen mit 48 Prozent, den Gratiszeitungen mit 36 Prozent und dem Internet mit 34 Prozent.
Die Bevölkerung ist stolz auf die Schweiz
Die Zusatzumfrage Identität Schweiz untersuchte die Einschätzung der Befragten zu den charakteristischen Merkmalen, den Stärken und Schwächen der Schweiz. Für die Bevölkerung sind Sicherheit, Neutralität, Landschaft, Präzision, Wohlstand, Heimat, Freiheit, Demokratie sowie Alpen und Sauberkeit die hauptsächlichen Attribute, welche die Schweiz ausmachen. Wie bereits im Vorjahr sind insgesamt 86 Prozent der Stimmberechtigten sehr (42%; 2007: 43%) oder eher stolz (44%; 2007: 43%), Schweizerin oder Schweizer zu sein. Eher oder überhaupt nicht stolz sind nur noch 5 Prozent. Diese Zahl ist bemerkenswert, nahm sie doch in den letzten Jahren markant ab. 2007 waren noch 12 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer nicht stolz auf ihr Land, 2006 gar noch 22 Prozent.
Politische und wirtschaftliche Stärken
Der wichtigste Grund, auf die Schweizer Wirtschaft stolz zu sein, ist die Uhrenindustrie (97%; 2007: 95%), der internationale Qualitätsruf (96%; 2007: 93%), die starken Schweizer Marken (96%; 2007: 93%), erfolgreiche KMU (96%; 2007: 93%) und die Maschinenindustrie (93%; 2007: 92%). Auf der politischen Ebene sind Unabhängigkeit (94%; 2007: 91%), Neutralität (93%; unverändert), die Volksrechte (92%; 2007: 88%), das friedliche Zusammenleben der Sprachgruppen (92%; 2007: 86%) und die Bundesverfassung (87%; 2007: 84%) die Hauptgründe, stolz auf die Schweiz zu sein.
Rückbesinnung auf traditionelle Schweizer Werte
Der zunehmende Nationalstolz geht Hand in Hand mit dem Trend zu einer gewissen Rückbesinnung auf traditionelle Schweizer Werte. Der dominierende Stolz auf die Stärke der Wirtschaft, die traditionell exportorientiert und international verflochten ist, zeigt indes, dass dieses selbstbewusste Betonen der Swissness?nicht zwingend mit einer konservativen Abnabelungsmentalität gleichzusetzen ist.
Die Schwächen der Schweiz
Zu viele Gesetze (52%), zu hohe Steuern (46%), zu kompliziertes Gesundheitswesen (44%), ungerechte Steuern (36%) und zu wenig starke Politiker (30%) sind diejenigen Merkmale, welche die Stimmberechtigten als grösste Schwächen der Schweiz wahrnehmen. Die Multikulturalität wird 2008 von 29 Prozent der Befragten als Schwäche der Schweiz genannt und fällt vom fünften auf den sechsten Platz zurück. Explizit wurde auch wieder nach der Gefährdung der Schweizer Identität gefragt. Hier wurden erwähnt: Einwanderung 71 Prozent, Reformstau 61 Prozent, Internationale Öffnung 58 Prozent, Polarisierung 57 Prozent und Egoismus 54 Prozent. (cs/mc/ps)