«Das Abkommen war unsererseits zur Ratifizierung bereit. Jetzt aber werden die Verhandlungen bis auf Weiteres eingestellt.» Italienische Steuerfahnder sollen vergangene Woche nach Razzien in über 70 Schweizer Bankfilialen in Italien auch auf Schweizer Boden aktiv gewesen sein. «Das ist nicht erlaubt und strafbar. Wir akzeptieren das nicht, dass wir von Ausländern beschnüffelt werden. Hier müssen wir Rom den Tarif durchgeben», sagte Merz.
«Das lasse ich mir nicht gefallen»
Unter diesen Umständen ein Doppelbesteuerungsabkommen weiter zu verhandeln, komme nicht in Frage. «Das lasse ich mir nicht gefallen. Ich will zuerst wissen, was hier gespielt wird.» Gemäss der «SonntagsZeitung» hat die Schweiz den Italienern zuvor eine Abgeltungs- oder Quellensteuer vorgeschlagen. Roland Meier, Sprecher des Eidg. Finanzdepartements, bestätigte dies gegenüber der Nachrichtenagentur SDA.
«Ball liegt nun bei Giulio Tremonti»
Merz wiederum betonte in der Zeitung, der Ball liege nun beim italienischen Finanzminister Giulio Tremonti. Das letzte Gespräch mit Tremonti vor vier Wochen sei wie jenes mit Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi gewesen – ausgesprochen sachlich und zivilisiert, ohne Emotionen. Der Stopp der Verhandlungen löste in Italien verschiedene Reaktionen aus: Während ein Oppositionspolitiker von einem «unvermeidlichen Schritt» sprach, nannte ein Regierungsvertreter den Entscheid «unverständlich».
«Logische Konsequenz»
Er hoffe, die Schweiz komme darauf zurück, sagte der Unterstaatssekretär im italienischen Finanzministerium, Luigi Casero, gegenüber dem Tessiner Radio RSI. Eine Sistierung werde der Schweiz nichts bringen, zeigte er sich überzeugt. Italien werde zudem fortfahren, italienische Gesetze anzuwenden. Dagegen sagte Franco Narducci von der oppositionellen demokratischen Partei (PD), Merz› Entscheid sei die «logische Konsequenz» der gestiegenen Spannungen und der «Verstocktheit» von Finanzminister Tremonti.
Schweiz soll in Brüssel vorstellig werden
Der Vize-Präsident der aussenpolitischen Kommission des Parlaments in Rom, der in der Schweiz lebt, sagte der Nachrichtenagentur SDA weiter, die bilateralen Beziehungen seien «abgenutzt» und es gebe derzeit keinen Weg, der aus der Blockade herausführe. Im Tessin wurde Merz› Entscheid begrüsst. CVP-Ständerat Filippo Lombardi, der mehrfach den Stopp verlangt hatte, zeigte sich gegenüber RSI zufrieden. Zugleich forderte er, die Schweiz müsse wegen des Streits mit Italien nun an die EU-Kommission gelangen.
Finanzplatz Schweiz verteidigt
Merz verteidigte im «SonntagsBlick» den Finanzplatz Schweiz. Dieser sei begehrt, weil er solide sei und auf berechenbaren politischen Verhältnissen basiere. Steuerhinterziehung toleriere er aber nicht. «Die Schweiz hat ein Zinsbesteuerungsabkommen mit der EU unterzeichnet und sie ist bereit, die internationale Amtshilfe auf Steuerhinterziehung auszuweiten.» Es brauche weitere Anpassungen. Die Banken müssten noch stärker verpflichtet werden, Steuerbeträge an der Quelle zu erheben und anonymisiert ins Ausland zu überweisen. Der Finanzminister mahnte die Banken, sich an die Rechtsordnung zu halten. (awp/mc/ps/03)