Dagmar Weber, ArabellaSheraton Hotel Waldhuus, Davos: «Für den Tourismus, als einzige standortgebundene Exportindustrie, ist die Verbesserung der Rahmenbedingungen von essentieller Bedeutung.»

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Frau Weber, was bringt Sie aus dem Norden Deutschlands nach Davos und wie wurden Sie Hoteldirektorin im Waldhuus?


Dagmar Weber: Die Schweiz übte schon immer eine grosse Faszination auf mich aus und so führte mich mein Weg schon bald nach Zürich, wo ich im «Atlantis» längere Zeit tätig war. Da entdeckte ich die Welt von ArabellaSheraton. Die zuständigen Vorgesetzten offerierten mir ab Januar 2000 einen Vertrag für Davos – meine Aufgabe war es, in den neuen Hotels in Davos die spezifischen ArabellaSheraton Standards, Budgets etc. einzuführen. Ich sagte spontan zu. Davos ist zu meiner zweiten Heimat geworden. Ich lebe sehr gerne in einer wunderbaren alpinen Welt – mit allen Vorzügen eines städtischen Umfelds. Im ArabellaSheraton Hotel Waldhuus begann im 2003 – nachdem ich zuvor für drei Jahre unser Hotel Derby geleitet hatte.

Nach dem Abitur sollten Sie, entsprechend dem Wunsch der Eltern, eigentlich Medizin studieren. Sie haben sich dann für Betriebswirtschaft entschieden. Was war am Schluss die Motivation, in Köln eine Hotelfachlehre zu absolvieren?


Betriebswirtschaft ist natürlich für alle Berufe eine gute Grundlage. Jedoch hatte mich schon als Teenager die Hotellerie sehr fasziniert. So hing ich noch eine Lehre als Hotelkauffrau an das Studium an –  nachdem ich meine Eltern überzeugt hatte, dass dies mein wirklicher Wunsch war.



«Es ist wie bei den Airlines. Es geht um ein kluges Revenue Management». Dagmar Weber, ArabellaSheraton Hotel Waldhuus, Davos


Davos ist, wie viele andere Destinationen in den Alpen, vorwiegend eine Winterdestination. Wie sehen die Auslastungszahlen im Sommer und Winter im Waldhuus aus, und was unternehmen Sie, um die Sommersaison stärker zu entwickeln?


Dies könnte man auf den ersten Blick meinen. Beim genaueren Hinschauen zeigt sich aber ein differenzierteres Bild: Im Winter können wir eine durchschnittliche Auslastung von rund 73 Prozent verzeichnen, im Sommer 60 bis 65 Prozent. 

Im Winter ist Davos bekannt als ein Eldorado für Skifahrer, Snowboarder, Langläufer, Schlittenfahrer und Eissportler. Im Sommer entwickelt sich Davos zu einem Mekka für Wanderer, Läufer, Mountain-Biker, Golfer und Wassersportler. Mit besonderen Sommerpreisen von Mai bis November und speziellen Arrangements für Familien und Golfer sprechen wir im Waldhuus Stammgäste ebenso wie neue Gäste an, Davos als ideales Umfeld für die Sommerferien zu entdecken. Davos Tourismus hat zum 1. Mai 2006 in Zusammenarbeit mit den lokalen Hoteliers, den Bergbahnen Davos-Klosters sowie Veranstaltern aus Kunst, Event-Szene und Freizeit die Gästekarte «Davos Inclusive» lanciert. Sommergäste profitieren während ihres Aufenthaltes von der freien Fahrt mit den Davoser Bergbahnen und Bussen sowie mit der Rhätischen Bahn in der Landschaft Davos. Daneben stehen weitere zahlreiche Leistungen und Freizeitangebote kostenlos zur Verfügung. Das Echo unserer Sommergäste ist überwältigend – und durchwegs positiv.


Die Anzahl der beschäftigten Mitarbeiter in den beiden Saisons ist sehr unterschiedlich  (Sommer 35 bis 45, Winter 65). Ab welcher Auslastung schreiben Sie jeweils schwarze Zahlen?


Sehen Sie: Dies ist wie bei den Airlines. Es geht um ein kluges Revenue Management. Im Winter rentiert unser Haus bereits bei niedrigeren Prozentzahlen, da ein höherer Durchschnittspreis erwirtschaftet werden kann. Aber nicht nur Zahlenspielereien sind wichtig, sondern auch die Servicekomponente. Deshalb lege ich Wert darauf, dass wir auch im Sommer immer mit gut trainiertem, oft lokalen langjährigen Mitarbeitenden operieren können. So können wir eine optimale Serviceleistung und individuelle Betreuung der Gäste erbringen.


In ihrem Hause verkehren Individualreisende, Golfer, Familien und auch Reisegruppen. Welche Interessenskonflikte der verschiedenen Ansprüche ergeben sich daraus und mit welchem Profil vermarkten Sie das Waldhuus nach aussen?


Die Interessen mögen vielleicht unterschiedlich sein, aber dem Anspruch jedes Gastes, sich bei uns sofort zu Hause fühlen, können wir mit der Eleganz und Behaglichkeit eines Schweizer Chalets gerecht werden.
Familien fühlen sich bei uns besonders wohl: Extra grosse Familienzimmer, Kinderbetreuung, Spielzimmer und vieles mehr halten wir für unsere kleinen Gäste bereit. Hierfür haben wir letztes Jahr rund 1.2 Millionen in neue Junior Suiten für dieses Segment investiert.

Mit Reisegruppen im Pauschalbereich arbeiten wir vor allem im Sommer. Diese garantieren mir eine fixe Auslastung. Hier gilt es, den Service für die vereinbarten Leistungen angemessen zu erbringen und wo notwendig von den Dienstleistungen für andere individuell reisende Gäste abzugrenzen – zum Beispiel durch die räumliche Anordnung des Frühstücks im Restaurant.


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Bei Hotelketten wird oft moniert, dass der Stil der einzelnen Hotels der Einheit und der Standardisierung der Gruppe zum Opfer falle und zu wenig Individualität entwickelt werden könne. Wie beurteilen Sie diese Bedenken und wo sehen Sie die Vor- und Nachteile, innerhalb einer Gruppe wie derjenigen von ArabellaSheraton zu arbeiten?


Diese Bedenken mögen gerechtfertigt sein, treffen allerdings für die ArabellaSheraton Gruppe nicht zu. Wir verstehen uns auch nicht als Kette mit 31 Hotels in fünf Ländern. Hotels wie das Waldhuus haben ihren eigenen Charme behalten. Das sehen Sie, wenn Sie es mit dem zweiten Hotel der Gruppe am Ort, dem Seehof vergleichen Ein «Waldhuus» ist verschieden vom eher städtisch geprägten Ferienresort im Stile des «Seehofs». Dies macht die Häuser attraktiv für Gäste, die in den Ferien oder auf Geschäftsreise eine sehr persönliche Atmosphäre, Gemütlichkeit und eine ausgezeichnete Küche suchen.

Unsere Gastronomie ist stark von lokalen Momenten geprägt, viel Bündnerisches mit einem internationalen Touch. Auch das Gästeprogramm ist meine eigene Domäne, ich lege hier grossen Wert auf personalisierte Angebote mit grossem Erlebnisfaktor. Ebenso kann ich jederzeit flexibel Akzente setzen, was die Ausgestaltung der Räume oder die Beschaffung von Mobiliar angeht. So haben wir zum Beispiel ein neues Patent für Doppelstock-Betten bei einem kleinen Hersteller in Italien entdeckt – mit dem Effekt, dass diese nun in unseren neuen Junior Suiten stehen. A propos Betten: Gleichzeitig profitieren wir von den jahrelangen Forschungsarbeiten der Starwood-Gruppe, wenn es um die Einführung der Sweet Sleeper Betten geht. Da hätten wir als Einzelhaus gar keine Möglichkeit, unserem Gast diesen Komfort zu bieten, wenn wir nicht Fachleute hätten, die uns international beraten und bei der Beschaffung behilflich sind.



«Die Tourismus- und Hotelbranche kennt ihre Hausaufgaben sehr gut. Sie reichen von der Bündelung der Kräfte durch Kooperationen und Allianzen, über die gezielte Marktausrichtung bis zur professionellen Vermarktung.»


In der Schweizer Hotellerie wird oft und gerne über die zu hohe Kostenstruktur (Löhne und Produkte) geklagt. Wie beurteilen Sie die Konkurrenzsituation mit dem Ausland, wo sehen Sie die Vorteile der Destination Davos und wo herrscht Nachholbedarf?


In der Tat steht die Hotellerie vor grossen Herausforderungen. Gerade für den Tourismus als einzige standortgebundene Exportindustrie ist die Verbesserung der Rahmenbedingungen von essentieller Bedeutung. In diesem Bereich hat unsere Branche aber durch die hohen Preise und Kosten mit Gegenwind zu kämpfen. Die Tourismus- und Hotelbranche kennt ihre Hausaufgaben sehr gut. Sie reichen von der Bündelung der Kräfte durch Kooperationen und Allianzen, über die gezielte Marktausrichtung bis zur professionellen Vermarktung. Dies sind die Voraussetzungen, damit der Tourismus wettbewerbsfähiger wird und sich der internationalen Konkurrenz stellen kann. Die Destination Davos ist national und international sehr bekannt, wettbewerbsfähig, nennenswerte Wachstumsraten sind erreichbar. Jedoch kann die Schweizer Hotellerie nicht alle Herausforderungen aus eigenen Kräften bewältigen. Liberalisierungsmassnahmen können dazu beitragen, unser Preis- und Kostenniveau zu bekämpfen.


Nach der Wiedereröffnung im Jahre 2002 und seit Ihrem Stellenantritt im 2003 hat sich das Waldhuus offenbar gut entwickelt. Was sind Ihre nächsten Ziele im Waldhuus, welche wichtigen Projekte stehen an?


Ich denke, dass die Konsolidierung und der Ausbau unseres familienfreundlichen Angebots hier den markantesten positiven Einfluss hatten. Ich möchte permanent neue Überraschungen für unsere kleinen künftigen Gäste einbauen. In Sachen Hardware sind wir gut bedient. Natürlich wäre ein Ausbau der Wellness-Anlage ein spannendes Thema, steht aber sicher nicht im Vordergrund momentan. Wir haben in den letzten fünf Jahren rund 25 Millionen Franken in unser Haus investiert. Da kann ich mich glücklich schätzen – und der Gast schätzt diesen Komfort unseres 4-Stern-Superior-Hauses auch entsprechend.


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Davos ist als höchstgelegene Stadt Europas nicht das, was man allgemein als «schön» bezeichnen kann. Zu viele Bausünden verunstalten das Gesamtbild. Wie fühlt man sich als Bewohnerin von Davos und wie wird der städtische Anspruch eingelöst?


Davos muss man entdecken. Davos hatte immer schon den Anspruch, eine Stadt in den Alpen zu sein. Die berühmten Bauten von Gabarel bis Gigon Guyer reflektieren dies. Und Davos bietet alle Annehmlichkeiten einer Stadt mit internationalem Flair. Denken Sie an die hochkarätigen Ausstellungen im Kirchner Museum. Denken Sie an das wichtigste Eishockeyturnier, den Spengler Cup. Nicht zu vergessen ist das Kongresshaus, in dem auch regelmässig grossartige Konzerte, zum Beispiel während des Festivals «young artists in concert» mit den besten Nachwuchsmusikern der Welt stattfinden.

Gleichzeitig ist Davos von einer intakten Berg- und Naturlandschaft umgeben. Sie fahren 10 Kilometer – und sind in einem verwunschenen, romantischen Tal wie dem Sertig oder im Dischma bei mir vor der Haustüre. Oder Sie montieren die Langlaufskier und skaten auf kleinen Wegen in Richtung Flüelapass – entlang gefrorener Bäche. Davos verfügt über eine Angebotsvielfalt, die von keinem anderen Bergferienort Europas, den ich kenne, erreicht wird.



«Wir haben in den letzten fünf Jahren rund 25 Millionen Franken in unser Haus investiert. Da kann ich mich glücklich schätzen»


Nachdem Sie eigentlich nach Kanada wollten, sind Sie in der Schweiz gelandet. Wie sieht eigentlich das Hotel aus, das Sie einmal leiten oder besitzen möchten?


Ich habe ehrlich gesagt keinen Veränderungsbedarf. Ich bleibe gerne in Davos. Hier habe ich kanadische Winter mit Pulverschnee vom Feinsten und Schweizer Bergsommer, wo man noch atmen kann. Ich leite aktuell einen traumhaften Betrieb, was will ich mehr?


Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen diese aus?
 
Erstens möchte ich mit meinem Partner zwei Wochen im Wohnmobil Kanada bereisen. Zweitens würde ich mich gerne eine Woche als Gast im «Waldhuus»-Restaurant und im Wellness-Bereich nach allen Regeln der Kunst verwöhnen lassen.





Die Gesprächspartnerin

Dagmar Weber
Geboren: 09. November 1966, ledig, deutsche Staatsbürgerin

Beruflicher Werdegang:
1987nbsp;Abitur, Köln
1987&Praktikum Kaufhof Hauptverwaltung in Köln, Abteilungen Einkauf und Finanzen
1987-1988 &Studium der Betriebswirtschaftslehre in Köln
1988-1991 Ausbildung zur Hotelkauffrau im Senatshotel und im Hotel Viktoria in Köln 
1991 – 2000 Berufliche Karriere im ArabellaSheraton Atlantis Hotel in Zürich.
Januar 2000&Transfer zu ArabellaSheraton Hotels & Resorts Davos
nbsp;
April 2000-August 2003&Direktorin des ArabellaSheraton Hotel Derby, Davos
seit Sept. 2003 Direktorin ArabellaSheraton Hotel Waldhuus, Davos 



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