Damian Henzi, CEO HOCHDORF Holding
von Patrick Gunti
Herr Henzi, die HOCHDORF-Gruppe hat im vergangenen Jahr eine Fokussierung auf ihr Kerngeschäft beschlossen, also die Veredelung von Milch und Weizenkeimen und die Produktion gesunder Nahrungsmittel für alle Altersgruppen. In wie weit ist dieser Fokussierungsprozess bereits abgeschlossen?
Die nicht mehr zum Kerngeschäft gehörenden Geschäftsbereiche wurden bereits im Ge-schäftsjahr 2009 abgestossen. Aktuell ist noch der Umzug der Produktionsanlagen von Steinhausen nach Hochdorf im Gange. Ab Mitte September verarbeiten wir die Weizenkeime in Hochdorf. Die im 2009 kommunizierte Fokussierung ist mit dem Umzug und dem Rückbau in Steinhausen abgeschlossen ? das heisst Anfang 2011.
Im vergangenen Jahr konnte die HOCHDORF-Gruppe zwar die Produktivität und das Verkaufsvolumen steigern, verzeichnete aber ein negatives Geschäftsergebnis von 4,9 Mio. Franken. Was waren die Ursachen für dieses Resultat?
Die Ursache für das unbefriedigende Resultat ist hauptsächlich auf die Verkäufe von wenig profitablen Geschäftsbereichen zurückzuführen. Diese Devestitionen führten zu Sonderkosten von CHF 5.5 Mio. Weiter hatten wir mit der Abstimmung zwischen Milchbeschaffung (Preis und Menge) und (internationalem) Produktabsatz einige Schwierigkeiten. Diese Abstimmung ist nicht einfach. Vor allem, wenn man berücksichtigt, dass wir uns erst seit Kurzem in einem mehrheitlich liberalisierten Markt bewegen. Den Abstimmungsprozess haben wir inzwischen besser im Griff.
Im Ausblick für 2010 haben Sie die Erhöhung der Rentabilität in den Fokus gestellt. Sind Sie auf Kurs?
Eine höhere Rentabilität sichert das Überleben der HOCHDORF-Gruppe. Nach anfänglichen Schwierigkeiten konnten wir uns inzwischen deutlich verbessern.
Wie beurteilen Sie generell die Zukunftsaussichten des Unternehmens?
Die Zukunftsaussichten für die HOCHDORF-Gruppe sind absolut intakt. Wir besitzen eine klar fokussierte Strategie, sehr gutes Know-how in den Bereichen Trocknen, Mischen sowie Veredelung von Weizenkeimen und über ausreichendes Eigenkapital und Liquidität. Mittelfristig müssen wir aber grösser werden, damit HOCHDORF eigenständig bleiben kann ? und dieses Ziel streben wir an.
Mit Investitionen von rund 60 Mio. Franken hat HOCHDORF in diesem Frühling die Sprühturmlinie 8 in Sulgen in Betrieb nehmen können. Was bedeutet das für das Unternehmen?
Mit der neuen Sprühturmlinie 8 stossen wir in der mengenmässigen Milchtrocknung und in der Herstellung von Babynahrung in neue Dimensionen vor. Diese für die Schweiz neuen Dimensionen sind notwendig, damit wir erstens die immense Nachfrage nach Babynahrung erfüllen und zweitens, damit wir zu konkurrenzfähigen Kosten produzieren können. Wir wollen bei den Produktionskosten EU-Niveau erreichen.
HOCHDORF-Produkte werden in über 80 Länder verkauft. Wer sind Ihre wichtigsten Abnehmer?
In die EU exportieren wir nach wie vor die meisten Produkte. Asien und der nahe Osten holen aber sehr stark auf. Vor allem die Exporte von Babynahrung in den chinesischen Markt nehmen enorm zu. Auch die Exporte nach Russland entwickeln sich sehr gut.
In diesem Jahr exportiert die HOCHDORF Nutricare AG, die sich dem Export der HOCHDORF Kindernährmittel widmet, erstmals Babynahrung nach China. Wie wichtig ist dieser Schritt für HOCHDORF und welche Pläne verfolgen Sie generell für das Unternehmen in China?
Das stimmt so nicht ganz. Die HOCHDORF Nutricare AG exportiert bereits seit letztem Jahr Babynahrung nach China. In diesem Jahr wurde erstmals Bio-Babynahrung nachgefragt und exportiert.
In China wollen wir zunächst unsere bestehenden Partnerschaften stärken. Wir haben im letzten Jahr aber beispielsweise auch bereits Weizenkeimöl nach China verkauft. Sie sehen, wir versuchen unsere Beziehungen auch für andere Produkte als für Babynahrung zu nutzen. Das ist aber nicht ganz so einfach. Bei genügendem Absatz ist auch ein Joint Venture mit unserem chinesischen Partner möglich.
«Wir sehen in einem Agrar-Freihandelsabkommen mit der EU ganz einfach mehr Chancen als Gefahren.» Damian Henzi, CEO HOCHDORF Holding
Im Gegensatz zu den Bauern setzen Sie auf ein Agrar-Freihandelsabkommen zwischen der EU und der Schweiz. Welche Auswirkungen hätte ein entsprechendes Abkommen auf Ihr Geschäft?
Wir sehen in einem Agrar-Freihandelsabkommen mit der EU ganz einfach mehr Chancen als Gefahren. Mit der Marktöffnung würden wir einen einfacheren Zugang zu einem grossen Marktpotential erhalten. Wichtigste Voraussetzung dafür sind jedoch gleich lange Spiesse ? auch für die verarbeitende Nahrungsmittelindustrie.
Im Hinblick auf ein entsprechendes Abkommen und offene Märkte hat die HOCHDORF-Gruppe bereits den Schritt ins Ausland gewagt. Die HOCHDORF Swiss Milk AG hat sich in Litauen mit 30 % an einem Milchunternehmen beteiligt. Wieso gerade Litauen und welche weiteren Auslandengagements haben Sie im Visier?
Die Übernahme steht ganz klar im Zusammenhang mit der Fokussierung auf unser Kerngeschäft. Mit diesem Engagement erhält die HOCHDORF Swiss Milk AG ein Standbein in der EU und auch einen direkten Zugang zum osteuropäischen Markt. Mit dieser Beteiligung kann die HOCHDORF-Gruppe auch effektiver der grossen Herausforderung des vereinfachten passiven Veredelungsverkehrs begegnen, der ab 1.1.2012 gesetzlich erlaubt sein wird. Die vollständige Werksübernahme ist per 1.1.2014 geplant. Wir übernehmen dieses Werk bewusst in einem relativ langen Prozess, weil wir noch wenig Erfahrungen mit solchen Auslandengagements besitzen. Die guten Beziehungen zum Verkäufer kommen uns dabei ebenfalls entgegen. Dieser legt wert darauf, weiterhin für die HOCHDORF-Gruppe tätig zu sein und wurde in der Zwischenzeit auch ein bedeutender Aktionär.
Der Widerstand in der Schweiz gegen ein Agrar-Freihandelsabkommen mit der EU ist aber sehr gross. Wie beurteilen Sie den aktuellen Stand der Dinge?
Ja, leider haben momentan die Gegner stark Oberwasser. Wir hoffen aber, dass der seit längerem gestartete Öffnungsprozess weitergeführt wird. Damit erhalten die Landwirte und auch die Nahrungsmittelindustrie auf die Zukunft ausgerichtete Marktmöglichkeiten. Nahrungsmittel aus der Schweiz sind unter anderem wegen ihrer hohen Qualität und der nach-haltigen Produktion sehr gefragt. Wichtig ist aber zu erkennen, dass gerade Qualitätsprodukte in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ebenfalls weniger nachgefragt werden. Mit diesem Marktgesetz kämpft im Moment der Export von Schweizer Käse.
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Milch ist für HOCHDORF ein wichtiger Rohstoff und entsprechend hat das Unterneh-men auch in den Schweizer Milchmarkt investiert. Wie sehen Sie die aktuelle Lage auf dem Schweizer Milchmarkt und wie hoch müsste der Milchpreis ihrer Meinung nach sein?
Die aktuelle Lage ist nicht so schlimm, wie sie immer wieder in den Medien dargestellt wird. Wir würden zwar einen höheren Milchpreis auch begrüssen. Der tiefe Milchpreis hat aber nur wenig mit der in der Schweiz gemolkenen Menge zu tun. Die Milchpreise sind international tief ? auch in Ländern, die die Kontingentierung noch kennen. Aufgrund der bestehenden Möglichkeiten Milchprodukte zu importieren steigt selbstverständlich der Preisdruck in der Schweiz auch. Wir leben nun mal nicht mehr in einem von der Umwelt abgeschotteten Milchmarkt.
Selbstverständlich ist der liberalisierte Milchmarkt stärker in Bewegung als dies noch zu Zeiten der Planwirtschaft der Fall war. Damit müssen wir umgehen lernen und die Probleme nun selber lösen.
Welches in Rappen der richtige Milchpreis ist, kann ich nicht beantworten. Das Produkt ist überaus gesund und bekömmlich und ist deshalb auch einen höheren Preis wert. Schlussendlich entscheidet aber der Konsument, welchen Preis er zu bezahlen bereit ist. Ist der Preis zu hoch, weicht er auf andere Produkte aus, kauft im benachbarten Ausland ein oder verzichtet auf einen Teil der bisher konsumierten Milchprodukte. Mit anderen Worten: Der richtige Milchpreis ist dort, wo sich ? durch staatliche oder planwirtschaftliche Einflüsse möglichst unbehelligt ? Angebot und Nachfrage treffen.
Die Aktien der HOCHDORF-Gruppe sind an der Berner Börse kotiert. Ist für Sie auch eine Notierung an der SIX Swiss Exchange ein Thema?
Nein. Aktuell steht ein Wechsel an die SIX nicht zur Diskussion. Für die Zukunft wollen wir einen Wechsel aber auch nicht ausschliessen.
«Persönlich setze ich mich im Management-Alltag mit Begriffen wie Macht, Wahrheit, Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit, Verantwortung, Weisheit usw. immer wieder auseinander.»
Sie haben einen Master-Lehrgang «Philosophie und Management» abgeschlossen. Der Titel der Masterarbeit lautete «Der gute Manager ? Wunsch oder Wirklichkeit?» Was ist für Sie ein guter Manager und wie setzen Sie persönlich diese Ansprüche um?
Auf diese Frage gibt es eigentlich keine kurze Antwort. Aus meiner Sicht muss sich ein guter Manager aber immer wieder bewusst mit seiner Rolle, seiner Macht und seiner Verantwortung auseinandersetzen ? auch im hektischen Management-Alltag. Der gute Manager geht unter anderem mit seiner Macht vorsichtig und dosiert um. Er strebt auch immer nach dem Besten. Letzteres widerspiegelt sich beispielsweise in der Vision «BEST PARTNER» der HOCHDORF-Gruppe.
Persönlich setze ich mich im Management-Alltag mit Begriffen wie Macht, Wahrheit, Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit, Verantwortung, Weisheit usw. immer wieder auseinander. Ich nehme mir aber auch jedes Jahr bewusst Auszeiten, damit ich die philosophischen Werte reflektieren kann. Die Philosophie gibt mir so ein Entscheidungs-Fundament ? auch in stürmischen Zeiten.
Und was fasziniert Sie besonders an Ihrem Job?
Die HOCHDORF-Gruppe war schon immer ein renommiertes, grundsolides, traditionelles Unternehmen: ein Roh-Diamant. Ich hatte die Gnade und das Glück, die letzten 15 Jahre mitzuhelfen, diesen Diamanten zu bearbeiten. Die HOCHDORF-Gurppe ist heute ein differenziertes, gut positioniertes, weltweit tätiges Nahrungsmittel-Unternehmen mit rund 350 Mitarbeitenden, welches seine Produkte in 80 Länder exportiert, über zehn Prozent der Schweizer Milchmenge verarbeitet, börsenkotiert ist und von der Urproduktion bis zum Produkt im Verkaufsgestell alles abdeckt ? eine faszinierende Vielfalt und eine tägliche Herausforderung.
Herr Henzi, herzlichen Dank für das Interview.
Zur Person:
Ausbildung
-2004 ? 2008 Nachdiplomstudium Philosophie + Management, Uni Luzern (mit&Master-Abschluss) – Titel der Masterarbeit: Der gute Manager ?
Wunsch oder&Wirklichkeit? Der (post)moderne Manager im Dauer-Spannungsfeld der Dualität und Polarisierung.
-1996 SKU Schweiz. Kurse für Unternehmensführung
-1982 ? 1985 Fachhochschule HWV, Basel
-plus viele weitere fachspezifische und persönlichkeitsbildende Kurse
Berufserfahrung
-Seit April 2005 Präsident Pensionskasse HOCHDORF-Gruppe
-Ab Februar 2003 Geschäftsführer Hochdorf Nutritec AG und Geschäftsführer/CEO HOCHDORF-Gruppe
-Zusätzl. ab Mai 2001 Geschäftsführer und Delegierter des Verwaltungsrates Multiforsa AG, Steinhausen
-Ab August 1997 Geschäftsführer, Hochdorf Nutritec AG, Hochdorf
-1995 ? 1997 Kaufmännischer Leiter, Schweiz. Milch-Gesellschaft AG, Hochdorf
-1985 ? 1994 Effems AG (Mars), Zug, diverse Positionen (davon 2 Jahre in Italien)
Wichtige Ämter und Mitgliedschaften
-VR-Präsident aller HOCHDORF Tochtergesellschaften
-VR-Präsident Bataillard AG, Rothenburg
-VR-Präsident AOT, Art of Technology AG
-VR-Präsident Céréalis AG, Granges Marnand
-Vorstand fial Dachorganisation der CH-Lebensmittelindustrie
-Präsident VHK Verband der Hersteller von Bäckerei- und Halbfabrikaten
-Vorstand BOM Branchenorganisation Molkereimilch
-Vizepräsident LIV Luzerner Industrie Vereinigung
-Mitglied Jury Innovationspreis Zentralschweiz. Handelskammer
-Mitglied Rotary-Club Luzern-Seetal
Zum Unternehmen:
Die HOCHDORF-Gruppe mit Hauptsitz in Hochdorf erzielte im Jahre 2009 einen konsolidier-ten Brutto-Umsatz von CHF 360.8 Mio. Sie ist eines der führenden Nahrungsmittel-Unternehmen der Schweiz und verfügte per 31.12.2009 über 329 Vollzeitstellen. Aus natürlichen Rohstoffen wie Milch und Weizenkeimen gewonnen, leisten die HOCHDORF Produkte seit 1895 einen Beitrag zu Gesundheit und Wohlbefinden von Babys bis hin zu Senioren.