Daniel Gorostidi, CEO ELCA: «Es ist unser Ziel, den Umsatz substantiell über das prognostizierte Marktwachstum von 3-4% zu steigern.»
Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Gorostidi, obschon es ELCA seit 39 Jahren gibt und das Unternehmen, einst gegründet als Computer-Kontrollzentrum für den Grande-Dixence Staudamm im Wallis, heute über 400 Personen beschäftigt, scheint es in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt zu sein. Was sind die hauptsächlichen Geschäftsbereiche und wieso war es bis anhin sogar zu Zeiten der Internet Euphorie so still um Ihr Unternehmen?
Daniel Gorostidi: Wir entwickeln keine Produkte für einen Konsumentenmarkt und die meisten Projekte beschäftigen sich mit der Entwicklung und Integration kundenspezifischer Anwendungen, die den Kunden zu einer einzigartigen Marktstellung verhelfen sollen. Da die meisten dieser Projekte vertraulich sind, haben wir nur wenige Möglichkeiten, unseren Erfolg publik zu machen. Zudem handelt es sich bei unseren Projekten meist um solche im Business-to-Business-Bereich.
Erst mit der Entwicklung unserer SecuTix? Technologie, die den Swiss Technology Award und den Europäischen IST Preis gewonnen hat, haben wir etwas Aufmerksamkeit bei den Endbenutzern geweckt. Diese Technologie kommt unter anderen für das Ticketing der SNCF (Französische Staatsbahnen), der RENFE (Spanische Staatsbahnen), des Paléo-Festivals in der Schweiz oder des Vieilles Charrues (Rock Open Air Festival) in Frankreich zu Einsatz. Trotz dieser ersten Zeichen verbesserter Wahrnehmung ist die Steigerung der Marketing-Aktivitäten ein erklärtes Ziel, wie zum Beispiel auch die Anstellung von Christian Hunziker zeigt, der zuvor Marketing Direktor bei Dell und Sun Microsystems war.
«Mit unserem Entwicklungszentrum in Vietnam haben wir eine starke Waffe im Preiskampf und können immer noch eine gesunde Profitabilität erwirtschaften.» Daniel Gorostidi, CEO ELCA
Wie sind die Besitzverhältnisse bei ELCA und wann würden Sie den Gang an die Börse ins Auge fassen?
ELCA ist im Besitz des Managements und der Mitarbeiter. Als CEO und VR-Präsident halte ich die Mehrheit der Aktien. Ein Börsengang ist für ein Dienstleistungsunternehmen, wie es die ELCA ist, nur dann eine erfolgversprechende Option, wenn es Pläne zur Entwicklung eigener Produkte gibt, oder wenn Akquisitionen zur Internationalisierung des Unternehmens getätigt werden sollen. Keines der beiden Szenarien ist momentan Bestandteil unserer Strategie. Wir sehen also zurzeit keinen Grund für einen Börsengang. Unabhängig davon werden wir weiterhin unsere Finanzresultate publizieren, um unsere finanzielle Stabilität zu unterstreichen.
Mit dem Hauptsitz in Lausanne, Niederlassungen in Zürich, Genf, Bern, Paris, London und Ho Chi Minh City ist die ELCA mit ihren etwas über 400 Angestellten sehr weit verzweigt. Wie zentralisiert oder dezentralisiert ist Ihr Unternehmen?
Mit der Entwicklung kundenspezifischer Anwendungen und der Integration als unseren Kernkompetenzen ist eine sehr klar strukturierte Führung und Organisation unabdingbar zur Erhaltung einer führenden Marktposition und zur Erreichung einer gesunden Profitabilität. Vor 15 Jahren eröffneten wir in Zürich unsere erste Niederlassung im Sinne eines «near shore»-Ansatzes. Das hat uns geholfen, Erfahrungen zu sammeln bei der Organisation von Projekten über eine gewisse Distanz und über eine Sprachgrenze hinweg. Es mag komisch klingen, aber genau davon haben wir profitiert, als wir 1998 in Vietnam unser eigenes Off-Shore Entwicklungszentrum eröffnet haben. Seit dieser Zeit haben wir erfolgreich weitere Niederlassungen eröffnet und das Entwicklungszentrum in Vietnam hat einen aussergewöhnlichen Ausweis an erfolgreichen Projekten. Zudem findet ein reger Wissensaustausch mit den Schweizer Kollegen statt, was zum Beispiel zum Erhalt des «SOFI Recognition Award» (Swiss Organisation for Facilitating Investments) im Jahre 2006 geführt hat.
Die Niederlassungen in Paris und London haben uns geholfen, erste Kunden für unsere vorfabrizierten Lösungen wie ELCARD (sichere Authentifizierung) oder Ticketing-Lösungen zu gewinnen. In diesen Niederlassungen steht der Aufbau der Servicebereiche noch an.
Mit mehr als 287 bestausgebildeten Ingenieuren und einem Umsatz von 50.01 Millionen CHF im Jahre 2005 scheint uns der pro-Kopf-Umsatz eher tief zu sein (174’275 CHF). Wie wollen Sie den Umsatz/Mitarbeiter erhöhen?
Es war immer unsere Strategie, der Marktentwicklung zu folgen und Herausforderungen anzunehmen. Mit unserem Entwicklungszentrum in Vietnam haben wir eine starke Waffe im Preiskampf und können immer noch eine gesunde Profitabilität erwirtschaften. Daneben müssen wir zusätzliche Wege suchen, die Effizienz in den Projekten zu steigern, indem wir wiederverwertbare Komponenten herstellen wie zum Beispiel EL4J für die Java Entwicklung oder EL4NET für die .NET Umgebung. Zusätzlich arbeiten wir intensiv mit Open Source Komponenten, wie zum Beispiel Alfresco im Bereich des unternehmensweiten Content Managements, mit dem wir gerade ein sehr erfolgreiches Projekt abgeschlossen haben. All das zusammen erlaubt uns, auch bei tieferem pro Kopf Umsatz, eine sinnvolle Profitabilität zu erreichen
Was sind Ihre diesjährigen Ziele bezüglich Umsatz und Gewinn?
Wir sind in einer guten Position, die Kundenwünsche in den Bereichen ECM (Enterprise Content Management), Sicherheit, CRM (Customer Relationship Management), Business Intelligence sowie auch kundenspezifische Entwicklungen im Bereich Sicherheit zu erfüllen. Dies sind Bereiche, welche mitunter das grösste Wachstum in der Branche haben. Deshalb ist es unser Ziel, den Umsatz substantiell über das prognostizierte Marktwachstum von 3-4% zu steigern. Bezüglich der Profitabilität hatten wir 2005 und 2006 zwei sehr gute Jahre, in denen wir von den Investitionen der Vergangenheit profitieren konnten. Deshalb werden wir versuchen, dieses Resultat zu halten.
Sie sind international organisiert und möchten weiter wachsen. Wie und in welchen geografischen Regionen soll dieses Wachstum stattfinden?
Mit der SNCF (Französiche Staatsbahnen), RENFE (Spanische Staatsbahnen), EDF (Energie de France), Brussels Expo, Messe Berlin, CityNightLine, Vieilles Charrues (grosses Rock Open Air Festival in Frankreich), La BRED (Bank in Frankreich) haben wir dank der Lösungen ELCARD und der Ticketing Lösungen auch international erste Kunden gewonnen. Darauf möchten wir aufbauen und uns im übrigen Europa auf Länder konzentrieren, welche eine in der Schweiz gesprochene Sprache mit uns gemeinsam haben oder Englisch als Geschäftssprache akzeptieren. Wenn die Kundenbasis genügend gross ist, werden wir uns überlegen, in diesen Ländern auch unsere Dienstleistungen direkt anzubieten.
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Wo sehen Sie die wichtigsten Entwicklungen im ITC Markt und wo liegen die lukrativsten Möglichkeiten für ELCA in den nächsten Jahren?
Open Source ist einer der wichtigsten Trends und wird noch weiter zulegen. Mit EL4J und EL4NET haben wir Komponenten entwickelt, die jetzt als Open Source Bibliotheken verfügbar sind und schon in einigen dutzend Projekten erfolgreich eingesetzt wurden. Zudem setzen wir selbst regelmässig andere Bibliotheken und Werkzeuge, welche unter Open Source verfügbar sind, ein. Dies hilft uns, als Entwickler von kundenspezifischen Lösungen kompetent zu bleiben.
«Die Eigenentwicklung eines kompletten Bankensystems liegt aber momentan ausserhalb unserer Strategie, vor allem, weil wir uns ganz klar im Projekt-Geschäft positionieren und bisher kein eigenes Produkt entwickelt haben.»
Eine andere Entwicklung ist die Wiederauferstehung der Portale, aber diesmal als Integrationswerkzeug im Sinne eines service-orientierten Architekturansatzes (SOA). Diese Portale bringen die wichtigsten Funktionen und Informationen zusammen, die der Benutzer für eine möglichst effiziente und effektive Arbeit braucht. Mit unserem langjährigen Erfahrung in Design und Implementation von Systemen innerhalb der SOA Konzeptrichtlinien, kombiniert mit unserer Web-und Interface-Kompetenz sind wir auch hier bestens positioniert, um unseren Kunden einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.
Die Finanzindustrie ist einer Ihrer Hauptmärkte, wie auch die Implementations-Partnerschaft mit Finnova zeigt. Finnova und in grösserem Umfang auch Avaloq beweisen, dass Bankenlösungen aus der Schweiz sehr erfolgreich am Markt sein können. Wie attraktiv wäre es für ELCA, eine eigene Bankenlösung zu entwickeln?
Es stimmt, dass der Bankensektor für uns ein sehr wichtiger Markt ist, in dem wir auch eine grosse Erfahrung aus erfolgreichen Kundenprojekten haben. RTC zum Beispiel ist schon seit vielen Jahren ein Kunde von uns. Zurzeit unterstützen wir sie bei der Modernisierung ihrer Bankenlösung IBIS. Die Eigenentwicklung eines kompletten Bankensystems liegt aber momentan ausserhalb unserer Strategie, vor allem, weil wir uns ganz klar im Projekt-Geschäft positionieren und bisher kein eigenes Produkt entwickelt haben. Dies würde einen völlig anderen Ansatz und eine andere Organisation bedingen.
Mit Ihrer Partnerschaft mit DataSynapse versuchen Sie sich im so genannten «Application Virtualization» Markt zu etablieren. Application Virtualization verspricht Vorteile wie die Steigerung der Rechenkapazität, die Reduktion der Komplexität und Kosteneinsparungen. Das tönt fast zu schön, um wahr zu sein. Wie weit entwickelt ist dieser Markt und welche Chancen sehen Sie für ein Schweizer Unternehmen in diesem Markt?
Auch wenn die Application Virtualization noch ein sehr junges Gebiet ist, sind wir überzeugt, dass sie innerhalb von fünf Jahren ein Standard-Element in allen Anwendungs-Architekturen sein wird. Mit unserer Partnerschaft mit DataSynapse haben wir uns entschlossen, nicht direkt in die Entwicklung der entsprechenden Software Infrastruktur zu investieren, die schon gut durch Lösungen wie derjenigen von DataSynapse abgedeckt ist. Unser Augenmerk liegt vielmehr darauf, zu verstehen, welche Architekturen, Anwendungen und Komplettsysteme am besten dazu geeignet sind, die Vorteile dieses Konzepts zu nutzen. Wir haben schon erste Beispiele gesehen, wie Kunden durch Verwendung der bestmöglichen Architektur ihre Produktivität um den Faktor 6 und mehr steigern konnten. Aufgrund dieser Erfahrung können wir heute unseren Kunden helfen, Lösungen zu entwickeln, die sich an den besten Beispielen orientieren und so die bestehende und zukünftige Hard- und Software-Infrastruktur besser ausnützen.
«Unser Erfolg beruht auf zwei Dingen: Dem Wissen und der Motivation unserer MitarbeiterInnen und einer gesunden Schweizer Wirtschaft.»
Mit über 70 Angestellten im 1998 gegründeten Entwicklungszentrum in Vietnam arbeitet ein beträchtlicher Teil Ihrer Mitarbeiter in einem kulturell völlig unterschiedlichen Umfeld. Wie aufwändig ist die Kommunikation zwischen den Niederlassungen, welche Entwicklungen können gemeinsam genutzt und wiederverwendet werden über die verschiedenen Geschäftsstellen?
Kommunikation, der Austausch von Ideen und den besten Praktiken ist der Schlüssel, um unterschiedlichste Lösungen in einer auf verschiedene Standorte verteilten Umgebung zu entwickeln und zu integrieren. Dies ist so, völlig unabhängig von der Distanz, welche die verschiedenen Teilnehmer trennt. Wie schon erwähnt war die Zusammenarbeit zwischen Lausanne und Zürich eine wichtige Erfahrung bei der Gründung des Entwicklungszentrums in Vietnam. Heute haben wir einen regelmässigen Austausch von Schweizern, die in Vietnam arbeiten und sich informieren, als auch von Vietnamesen, die in der Schweiz arbeiten. Dadurch konnten sich beide Organisationen weiter entwickeln und heute profitieren beide Seiten von den Erfahrungen der anderen. So ist Vietnam führend bei der Implementierung der CMMI Qualitäts-Zertifizierung und ihre Erfahrungen fliessen ein in Richtlinien für die Schweiz. Es ist eine enge und konstruktive Zusammenarbeit, auch auf akademischer Ebene und hat uns unter anderem den «SOFI Recognition Award» für unser Engagement in Vietnam eingebracht.
Welche politischen und sozialen Voraussetzungen erwarten Sie von der Schweiz, um erfolgreich zu sein mit Ihrem Unternehmen?
Unser Erfolg beruht auf zwei Dingen: Dem Wissen und der Motivation unserer MitarbeiterInnen und einer gesunden Schweizer Wirtschaft. Als Konsequenz sind wir abhängig von einem guten Bildungssystem, das bestens ausgebildete Software Ingenieure und Berater hervorbringt, von einer Schweiz, welche für diese Leute ein attraktives Umfeld bietet und von einem politischen System, das wirtschaftliches Wachstum zumindest auf gleichem Niveau wie dem des restlichen Europas ermöglicht
Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen diese aus?
Mein erster Wunsch ist, den Umsatz von ELCA zu verdoppeln, hauptsächlich durch unseren Erfolg in der deutschsprachigen Schweiz. Eine starke Partnerschaft mit einem gewichtigen Anbieter im Finanzsektor, der uns bei unserem internationalen Wachstum und unserer Expansion helfen könnte, ist mein zweiter Wunsch.
Daniel Gorostidi
ELCA Generaldirektor, Präsident des Verwaltungsrates
Daniel Gorostidi hat seine Karriere bei ELCA als Entwicklungsingenieur im Jahre 1979 begonnen. 1983 wird seine Rolle beim Unternehmen wichtiger, indem er zum handlungsbevollmächtigten Gruppenleiter befördert wird. 1989 wird er zum Vizedirektor und gründet die Verkaufsabteilung. Seine Rolle gewinnt ständig an Bedeutung: 1991 wird er Verkaufsdirektor, 1992 Stellvertreter des CEOs und 1994 übernimmt er die Führung.
2000 verwirklicht er das Management Buy-out, das er im vorigen Jahr initiiert hatte. 2001 wird er Mehrheitsaktionär der Firma sowie Präsident des Verwaltungsrates. Durch seine Schwungkraft überschreitet ELCA die Grenze der 300 Mitarbeiter.
Der 1952 in Saint-Jean-de-Luz (Frankreich) geborene Daniel Gorostidi kam 1973 in die Schweiz, um sein Studium an der ETH zu absolvieren. Der diplomierte Mathematik-Ingenieur entschloss sich, in unserem Land zu bleiben und fing an, für die ELCA (damals Electro-Calcul) zu arbeiten. Seitdem hat er sich einbürgern lassen and pflegt ständig den Kontakt zu seiner Alma Mater, die sich an ihn als Experte wendet. Daniel Gorostidi spricht fliessend Französisch, Englisch und Spanisch.
Verheiratet und mit drei Kindern, liebt es der Rugby-Enthusiast, auch seine Zeit in seinem Obstgarten und mit seinen Bienen zu verbringen.