Das war das IT-Jahr 2006

Für Hersteller von Kernbanken-Lösungen – zum Beispiel die Zürcher Avaloq – war 2006 ein gutes Jahr. Der Run der Banken auf moderne, mandantenfähige Lösungen hält ungebrochen an. Im Januar ging die ZKB mit der Wertschriftenlösung von Avaloq live, wenige Tage danach folgte dann aber ein Rückschlag für die Zürcher Überflieger: Julius Bär stoppte das voreilig angekündigte Projekt, auch die von der UBS übernommenen Privatbanken auf Avaloq zu migrieren. Der kurzfristige Stopp des Projektes kostete «den Bären» 49 Millionen Franken.
 
Danach aber ging es nur noch aufwärts – das Gedränge im lukrativen Schweizer Markt für Gesamtbankenlösungen wurde aber auch dichter. Finnova-Chef Charlie Matter kündigte im Exklusiv-Gespräch mit inside-it.ch die entschlossene Rückeroberung des Privatbanken-Marktes an, nur zwei Monate später hiess es aus dem Tessin – wiederum exklusiv auf inside-it.ch, dass auch B-Source eine neue Kernbanken-Plattform bauen wolle. Doch die spektakulärsten Deals holte sich Avaloq: Die Raiffeisen Gruppe, die LGT Bank und die Coutts Bank von Ernst. Dass sich die Raiffeisenbank für Avaloq und nicht für die «Swiss Banking Plattform» von CSC (und auch nicht für Finnova) entschieden hat, bewog übrigens CSC dazu, die Vermarktung der eigenen, SAP-basierenden Bankenlösung aufzugeben. Dafür ist nun mit der Westschweizer SAGE ein neuer Player aufgetaucht.
 
Die teuren Probleme von Swisscom mit dem SBB-Deal
Wenig Glück hat bisher der SBB-Desktop-Outsourcing-Auftrag Swisscom IT Services (SCIS) gebracht. SCIS hat den Auftrag Ende September 2005 dem Konkurrenten T-Systems unter Nebengeräuschen abgejagt. Diesen Februar drangen die ersten Meldungen von Verzögerungen der Übergabe des Desktop-Service von T-Systems zu SCIS an die Öffentlichkeit. Im Mai kam der Deal wieder ins Gerede und im November wurde dann klar, dass SCIS die Migration immer noch nicht geschafft hatte und dafür happig blechen muss.
 
Das grosse Warten auf Internet-TV
Mit der Einführung eines TV-Angebots über Internet (IPTV) wollte Swisscom bereits letztes Jahr erodierende Erträge aus der Festnetztelefonie kompensieren. Doch aus TV-Plänen im Hause Swisscom wurde 2005 nichts, und im März unkte die Presse gar, Swisscom schaffe es auch dieses Jahr nicht, Internet-TV über die Telefonie-Kupferdrähte in die Haushalte zu bringen.
 
Swisscom erhöhte dieses Frühjahr systematisch die verfügbaren Bandbreiten über ADSL und rüstete möglichst viele Telefonzentralen mit VDSL-Technologie (Very High Speed Digital Subscriber Line), die Übertragungsraten von bis zu 50 Mbit/s ermöglicht, aus. Ende Oktober konnte Swisscom dann endlich «Bluewin TV» offiziell lancieren und wird seitdem von Anfragen überrannt.
 
Mit dem Einstieg von Swisscom ins TV-Geschäft hat sich das Schweizer Telekommunikations-Business grundlegend verändert. Nun gibt es zwei Ex-Monopolisten, Cablecom und Swisscom, die sich gegenseitig auf ihrem ureigenen Gebiet (Telefonie respektive TV) angreifen.
 
Microsoft und die Schweiz
Nicht wirklich Freunde schaffte sich inside-it.ch beim Bund, bei Microsoft und bei der Schweizerischen Informatik-Konferenz mit der Aufdeckung, mit welch harten Bandagen um einen neuen Rahmenvertrag gestritten worden war. Die beteiligten Seiten stritten sich monatelang und machten dabei allesamt keinen allzu vorteilhaften Eindruck.
 
Brennende Akkus, verschobene Betriebssysteme, bespitzelte Journalisten und andere Betriebsunfälle
In die immer beliebte Rubrik «Unfälle & Vermischtes» subsumieren wir die «Sommer-Story» von den brennenden Akkus, die sich erst wie ein Kuriosum ausnahm, sich dann aber zu einem wahren Desaster (für Sony und einige Notebook-Hersteller) auswuchs.
 
Kein wirkliches Desaster war die Verschiebung des Launch-Datums von Windows Vista für Microsoft. Wohl aber für die PC-Industrie, denn die Computerverkäufe brachen dieses Jahr in der Schweiz regelrecht ein.
 
Ein PR-Desaster war die Affäre um die Bespitzelung von Verwaltungsratsmitgliedern von HP und Journalisten, die mit diesen verkehrten, durch eine von HP angeheuerte Firma. Doch die Methoden waren teilweise klar illegal und HP muss nun Datenschützer subventionieren.
 
Wohin geht Ad Novum?
Ein Jobwechsel bewegte die «IT-Schweiz» besonders. Stefan Arn, Gründer und Aktionär des erfolgreichen Zürcher Systemintegrators Ad Novum und Präsident von ICTSwitzerland verkündete am 1. September, er übernehme bei der Grossbank UBS per 1. Januar die Leitung des Ressorts SDU C&P (Stream Delivery Unit Clients & Products) mit über 1000 Mitarbeitenden in aller Welt. Seither sucht Ad Novum nicht nur einen neuen CEO, der von extern geholt werden soll, sondern auch einen neuen Grossaktionär. Der 1. Januar ist nicht mehr weit und doch kennt man den neuen Mann oder die neue Frau an der Ad Novum-Spitze noch nicht.
 
Mit Jürg Römer verändert sich ein weiterer «IT-Promi». Der IT-Chefstratege des Bundes, der unter anderem für das Riesenprojekt der völligen Umkrempelung der Informatik-Organisation des Bundes (Nove-IT) mit verantwortlich zeichnete, übernimmt per Anfang Jahr die Leitung des neuen Studiengangs Wirtschaftsinformatik der FH Bern.
 
Dass Jens Alder im Januar von seinem Job als Swisscom-Chef zurücktrat, überraschte niemanden. Dass er aber schon im Juni als Chef der dänischen TDC-Gruppe wieder auftauchte war schon weniger zu erwarten gewesen und dass er dann gleich noch den Swisscom-Chefstrategen Christoph Brand zum Boss des Schweizer TDC-Ablegers Sunrise machte, sorgte für böses Blut. (Inside-IT/mc)

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