Von Helmuth Fuchs und David Strohm
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Dave Zollinger: Am Beginn der Ermittlungen steht immer der Anfangsverdacht, ohne den wir nicht beginnen können. Dies ist ein Grundprinzip des Rechtsstaates. Ein Verdacht kann von zwei Seiten stammen. Entweder durch die Anzeige einer Person, die durch ein Vermögensdelikt geschädigt worden ist und einen Antrag auf Sperrung von Geldern stellt, was aber nur selten vorkommt.
Hauptquelle sind aber die Verdachtsmeldungen der Finanzintermediäre, die gemäss Geldwäschereigesetz dazu verpflicht sind, der zuständigen Stelle beim Bundesamt für Polizei (BAP) in Bern verdächtige Fälle zu melden. Dazu gehören etwa Anhaltspunkte auf Tätigkeiten einer mutmasslichen terroristischen Vereinigung, oder konkrete Verdachtsmomente für einen kriminellen Hintergrund von Geldern. Das BAP leitet einen solchen Verdacht an die zuständigen Strafverfolgungsstellen, in Zürich also an uns, die Bezirksanwaltschaft IV für den Kanton Zürich. Seit 2002 kann auch die Bundesanwaltschaft direkt ermitteln.
Die Eidgenössische Bankenkommission (EBK) hat kürzlich ihre Verordnung erlassen. Wie beurteilen Sie deren Wirkung für den Finanzplatz Schweiz. Gibt es bei der Umsetzung Unterschiede, etwa zwischen Zürich, Genf oder Lugano?
Das Ziel der EBK als Aufsichtsbehörde war es, die Grenzen dessen, was erlaubt ist und was nicht, eindeutig festzulegen. Die Regeln liegen nun vor, und gelten unabhängig vom Sitz eines Finanzinstituts für alle gleich. Allerdings schreibt die EBK nicht vor, wie einzelne Anforderungen umgesetzt werden, zum Beispiel die Bildung von so genannten Risikokategorien innerhalb des Kundenportfolios durch die Finanzdienstleister. Hier besteht tatsächlich ein gewisser Interpretationsspielraum.
Aus Sicht der Strafverfolger fällt in der Tat der grösste Teil der Arbeit an den drei genanten Orten an, in Zürich, Genf und Lugano. Unterschiede gibt es gleichwohl: In Genf hat es tendenziell mehr Kunden aus dem Nahen Osten oder Osteuropa, in Lugano mehr aus Italien. Die Privatbanken stehen bei der Umsetzung der Geldwäschereibekämpfung vor anderen Problemen als die Grossbanken. Die Grossbanken haben in den letzten Jahren im Bereich Compliance viel unternommen, etwa um herauszufinden, wer tatsächlich hinter einer Kundenbeziehung steht. Wir stellen fest, dass vor allem die kleineren unter den Privatbanken einen gewissen Nachholbedarf haben.
Als Strafverfolger sind Sie von den EBK-Richtlinien, anders als die Banken und Finanzintermediäre, nur mittelbar betroffen. Waren Sie, wie die Branchenvertreter, an der Ausformulierung beteiligt?
Ja, innerhalb der Arbeitsgruppe der EBK, welche die Verordnung ausformuliert hat, durfte ich gemeinsam mit einem Kollegen aus Genf die Erfahrungen und Wünsche der Justiz einbringen. Wie bei jedem politischen Prozess gab es auch hier am Schluss einen Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Interessen.
Ohne die Meldung von Verdachtsfällen aus der Finanzbranche selbst, hätten Sie vermutlich wenig Arbeit. Wie weit sind Sie auf den Goodwill der Banken angewiesen?
Es ist klar, ohne die Kooperationsbereitschaft der Banken und Finanzintermediäre hätte wir wenig Chancen, überhaupt zu sehen, wo etwas krumm läuft. Die Erfahrungen der letzten fünf Jahre, also seit das GWG in Kraft ist, zeigen uns, dass die meisten Banken tatsächlich mitarbeiten. Umgekehrt sehen wir hin und wieder eine gewisse Naivität, Es gibt Banker, die sich gar nicht vorstellen können oder wollen, was ihre Kunden so treiben. Da müssen wir den Finger drauf legen.
Immer wieder hört man den Vorwurf, die EBK-Verordnung sei nicht gerade ein mutiger Wurf gewesen. Zu gross sei die Rücksichtnahme auf die Finanzinstitute geblieben. Warum blieb sie so zahm?
Eine diplomatische Antwort müsste lauten: Das, was die Verordnung von den Banken abverlangt, ist schon sehr viel, gerade auch im internationalen Vergleich. Wie bei allen Massnahmen, musste auch hier zwischen dem Möglichen und dem Machbaren abgewogen werden. Mehr wäre vermutlich auch politisch nicht mehrheitsfähig gewesen. Für uns als Strafverfolger ist daher die präventive Wirkung in Bezug auf dei Geldwäscherei besonders wichtig. Wären die Hürden zu hoch, würde dies den Finanzplatz schädigen. Fest steht, dass die Schweiz deutlich mehr tut, als viele andere Länder. Nicht zu vergessen ist aber auch, dass unsere Mittel und personellen Ressourcen als Strafverfolger beschränkt sind.
Die Geldwäscherei gibt es aber trotz strenger Gesetze nach wie vor, auch in der Schweiz. Wie wird denn heute schmutziges Geld gewaschen?
Dass der Geldwäscher mit einem Koffer voller Geld an die Bahnhofstrasse kommt, gibt es praktisch nicht mehr. Jedenfalls sind uns kaum solche Fälle bekannt. Wir haben es also fast ausschliesslich mit Buchgeld zu tun, mit Transaktionen von Konto zu Konto. Das Geldwaschen findet vor allem im Ausland statt, dort steht die Waschmaschine. Hierher kommt anschliessend nur das Vermögen und wird verwaltet. Das macht es für die Finanzintermediäre so schwierig, illegale Vermögenswerte überhaupt zu erkennen.
Eine wichtige Erkenntnis ist auch: Mehr als 80 Prozent der aufgedeckten Fälle betreffen nicht den Drogenhandel oder mafiöse Vorgänge, die das Bild in der Öffentlichkeit prägen, sondern Vermögensdelikte wie Betrug, Bestechung, Veruntreuung oder ungetreue Geschäftsführung. Folglich muss sich auch die Suche nach Verdachtsmomente darauf konzentrieren.