Rechnerisch möglich sind eine grosse Koalition, eine Ampelkoalition von SPD, FDP und Grünen sowie ein Bündnis von Union, FDP und Grünen. Endgültig wird am 2. Oktober bei der Nachwahl im vor drei Jahren hart umkämpften Wahlkreis Dresden I über die genaue Mandatsverteilung im Parlament entschieden.
Die vorläufigen amtlichen Endergebnisse
Die CDU/CSU erhielt nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis 35,2 Prozent (2002: 38,5 Prozent). Für die SPD stimmten 34,3 Prozent (38,5). Ihr bisheriger Regierungspartner, die Grünen, kam auf 8,1 Prozent (8,6). Die FDP verbesserte sich stark auf 9,8 Prozent (7,4). Die Linkspartei mit Ex-SPD-Chef Oskar Lafontaine und Gregor Gysi erzielte 8,7 Prozent (PDS 2002: 4,0). Die Wahlbeteiligung lag bei 77,7 Prozent (2002: 79,1).
Drei Sitze Vorsprung
Die Union kommt demnach mit Überhangmandaten auf 225 Sitze (zuletzt: 247) im neuen Bundestag, die SPD auf 222. Die Sozialdemokraten erhielten mehr Überhangmandate als die Unio n. Die FDP erreicht 61 Mandate (47), die Grünen 51 (55). Die Linkspartei zieht mit 54 Parlamentariern (bisher 2 direkt gewählte PDS- Abgeordnete) in den Bundestag ein.
Beide wollen das Kanzleramt
Schröder und Merkel beanspruchen das Kanzleramt für sich. Beide wollen mit allen anderen Parteien ausser der Linkspartei (Ex-PDS) über ein Bündnis sprechen. Unabhängig von einem möglichen Gleich- oder Rückstand bei den Mandaten sieht sich die SPD als stärkste Kraft im Bund. Schröder beharrte darauf, dass Parteien die Koalitionsverhandlungen führen, CDU und CSU also getrennt betrachtet werden müssten. Er schloss eine grosse Koalition mit der Union unter einer Kanzlerin Merkel aus und reklamierte die Führung eines solchen Bündnisses für sich.
Wahlziel auf beiden Seiten verfehlt
CDU und CSU stürzten auf ihr zweit- oder drittschlechtestes Resultat im Bund überhaupt ab. Die SPD kam auf eines ihrer schlechtesten Ergebnisse seit 50 Jahren. Beide verfehlten klar ihre Wahlziele. CDU und CSU mit Kanzlerkandidatin Merkel verpassten den Machtwechsel zu Schwarz-Gelb überraschend deutlich.
FDP und Linkspartei gehen als Sieger hervor
Schröder will stabile Regierung unter seiner Führung
Schröder scheiterte mit dem Anspruch, durch die vorgezogene Wahl einen neuen Auftrag für Rot-Grün zu erhalten. Dennoch sagte der Kanzler am Abend: «Ich fühle mich bestätigt, für unser Land dafür zu sorgen, dass es auch in den nächsten vier Jahren eine stabile Regierung unter meiner Führung geben wird.»
Merkel will als «stärkste Kraft» Regierung übernehmen
Die CDU-Vorsitzende Merkel könnte als Chefin einer grossen Koalition – und rechnerisch auch in einem Bündnis mit FDP und Grünen – als erste Frau ins Kanzleramt einziehen. Merkel sagte: «Wir sind stärkste Kraft und wollen die Regierungsbildung übernehmen.» Für die FDP wandte sich Parteichef Guido Westerwelle gegen eine Ampelkoalition: «Für eine Ampel oder eine andere Ampelei stehen wir nicht zur Verfügung.»
Christian Wulff will nicht nach Berlin
Klaus Ernst hält Zusammnarbeit mit der SPD für möglich
Der WASG-Vorsitzende Klaus Ernst hält eine spätere Zusammenarbeit mit der SPD für möglich. «In dieser Legislaturperiode ist das ausgeschlossen, aber wenn die SPD wieder sozialdemokratischer wird, kann man darüber reden», sagte Ernst in einem dpa-Gespräch. Die SPD müsse sich kritisch mit ihrer Politik des Sozialabbaus auseinander setzen, sagte Ernst.
Nicht auseinanderdividieren lassen!
CDU und CSU wollen sich nach den Worten des bayerischen Staatskanzleichefs Erwin Huber (CSU) bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen nicht auseinander dividieren lassen. «Nichts und niemand kann uns trennen», sagte Huber der dpa in der Nacht zum Montag in München. Huber wies damit Überlegungen von SPD-Chef Franz Müntefering zurück, die Sozialdemokraten könnten möglicherweise auch mit der CDU allein verhandeln. «Das ist Unfug. Das steht nicht zur Debatte», erklärte Huber. Auch die Frage nach möglichen Fehlern im Wahlkampf der CDU wies er zurück. «Unsere gemeinsame Kanzlerkandidatin war Angela Merkel und wir führen auch keine Personaldiskussion dazu.»
Stoiber nach Berlin?
Erneut warb Huber dafür, auch eine Koalition von Union und FDP mit den Grünen nicht auszuschliessen. Ausser einer Zusammenarbeit mit der Linkspartei dürfe keine Möglichkeit von vornherein ausgeschlossen werden, auch wenn die Wahrscheinlichkeit für den Erfolg nicht sehr gross sei, sagte er. Ob Ministerpräsident Edmund Stoiber nach Berlin wechsele, sei erst am Ende der Koalitionsverhandlungen zu beantworten. (awp/mc/gh)