Der Bundesrat hat den Bankern im Glashaus mächtig den Marsch geblasen. Das kann uns nicht nur freuen. Und die Liste der Verlierer im Swissair-Debakel ist trotzdem kaum kürzer geworden.
Bis heute Mittwoch um 18.15 Uhr kannte das Swissair-Debakel nur Verlierer: Die FDP, deren Exponenten zusammen mit Vertretern der CS Group und anderen Wirtschaftsgrössen den Untergang der Swissair nicht rechtzeitig aufgehalten haben. Die UBS, die im Verbund mit der CSG die Folgen der Verwischtaktik völlig unterschätzt hat, einen veritablen Volkszorn provozierte und jetzt als grösster Verlierer dasteht. Moritz Suter und André Dosé, die im Verdacht stehen, ihr Augenmerk blind auf einen möglichst glanzvollen Auftritt der «neuen» Swissair/Crossair gelenkt zu haben.
Die Verlierer-Liste ist langMario Corti, dessen Bemühungen um eine umfangreichere Rettung der Swissair im Ränkespiel um Geld und Macht zunichte gemacht wurden. Der Flughafen Zürich, der mit immensen Ausfällen kämpft und jetzt – zu allem Übel – auch noch eine UBS-Kreditlinie weniger hat. Der Kanton Zürich, der in der ganzen heissen Diskussion während der letzten Woche nicht einmal auf den Plan trat und als Heimatkanton eines Grossteils der Schweizer Swissair-Angestellten keine Silbe verlauten liess. Das Tourismusland Schweiz, das den angerichteten Imageschaden und die fehlenden Transportleistungen im Ferienmonat Oktober auszubaden hat. Die Marke «Swiss», die für Zuverlässigkeit und Präzision stand.
Mitarbeiter und KundenDie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Swissair, die mit der Stilllegung der Flotte, den angekündigten Entlassungen und dem Debakel um die Depositenkasse ihren Stolz und einen Teil ihrer Zukunft verloren. Die Kundinnen und Kunden der Swissair, die irgendwo auf der Welt ohne Aussicht auf Entschädigung sitzen blieben. Und schliesslich auch die Beschäftigten der Grossbanken, die sich heute – wie wir mehrfach gehört haben – für ihren Arbeitgeber mächtig geschämt haben.
Politik schlägt WirtschaftSeit dem heutigen Bundesratsentscheid ist klar, wer hier wirklich Lorbeeren verdient. Der Überbrückungskredit des Bundesrates, der noch am Wochenende von der UBS torpediert worden war, wird die Sicherstellung des Flugbetriebes ermöglichen. Der Bundesrat hat den Wirtschaftsführern den Marsch geblasen und ist an dieser Aufgabe sichtlich gewachsen. So nahe am Problem und den Bedürfnissen des Landes hat er in den letzten Monaten selten politisiert.
Bärendienst für die WirtschaftKein Wirtschaftsführer wird sich in den nächsten Monaten leisten können, die «Good Guys» im Bundesrat zu kritisieren. Weissbücher und andere wirtschaftsorientierte Mehrpunkteprogramme werden wir nicht mehr lesen. Die Banken und damit die «Bad Guys» haben der Wirtschaft mit ihrem Verhalten einen Bärendienst erwiesen, denn die Berner Politmühlen werden ab heute nicht schneller mahlen. Aber wir mögen dem Bundesrat die Verschnaufpause gönnen.
Liste der Verlierer wird nicht kürzerAuf der Verliererseite wird die Liste leider durch den bundesrätlichen Entscheid nicht kürzer. Immerhin: Die Swissair-Angestellten haben wieder Zugriff auf ihr Erspartes. Diese Konzession konnte der Bundesrat den Banken abringen. Aber die zwei Tage, an denen die Swissair-Flotte aufgrund der komplett falschen Lagebeurteilung am Boden blieben, haben sich nachhaltig in den Köpfen der Leute eingeprägt – im In- und im Ausland.