Die daraus entstandenen Überkapazitäten des Finanzsektors liegen schätzungsweise bei 30-50% des Gesamtvolumens und werden schon seit Monaten in immer neuen Schockwellen an den Märkten abgebaut. Damit ist endgültig klar, dass es sich um ein globales Problem mit Fokus auf die westlichen Industrieländer handelt und nicht nur um den US-Hypothekarmarkt.
Beispielloser Vertrauensverlust zwischen den Banken
Dieses Problem findet derzeit seinen Ausdruck in einem präzedenzlosen Vertrauensverlust zwischen den Banken, dem mit erneuten Subventionen in ungekanntem Ausmasse begegnet wird. Vieles deutet darauf hin, dass die gross angelegten Rettungsaktionen den unmittelbaren Kollaps des Finanzsystems zunächst abwenden können und etwas Zeit gewonnen wird. Andererseits lässt die Vielfalt und Atemlosigkeit der staatlichen Aktivitäten auf eine tiefe Hilflosigkeit schliessen, was durch die entsprechenden Reaktionen an den Börsen bestätigt wird.
Staatlicher Aktivismus mit immensen Folgekosten
Angesichts des staatlichen Aktivismus warnt der Autor, Dr. Konrad Hummler, entschieden vor Illusionen in bezug auf die immensen Folgekosten. So könnte alleine die Garantieerklärung der deutschen Bundeskanzlerin bis zu 3’000 Milliarden Euro kosten. Hinzu kommen Verdrängungseffekte auf den Kapitalmärkten: Die Tresorerie steht in Konkurrenz zur Privatwirtschaft, die in schweren wirtschaftlichen Zeiten besondere Finanzierungsbedürfnisse hat – ganz zu schweigen von der ohnehin schon bedrohlichen Verschuldung der westlichen Industriestaaten. Allgemein gilt: Alles, was nun übermässig für die Strukturerhaltung im Finanzsystem ausgegeben wird, verlängert die sich ankündigende Rezession mit den entsprechend ernsten Konsequenzen. Vor allem aber bleibt zu hoffen, dass durch diese Krise die Einsicht wächst, dass am Ende auch die Schuldfähigkeit des Staates an Grenzen stösst, da deren Zusammenbruch als ultimative Rettungsanker in einer nächsten Krise nicht mehr ausgeschlossen werden kann.
Der Kern einer fundamentalen Gesundung der Finanzmärkte
Eine Verschuldungskrise löst sich auf, in dem scheinbar sichere Verpflichtungen gegen Eigentum und damit offensichtliche Unsicherheit eingetauscht werden. Diesen Prozess nahmen die Aktienmärkte bereits vorweg, indem fremdfinanzierte Positionen in rasanter Geschwindigkeit aufgelöst wurden und werden. Der in Zeiten niedriger Risikoprämien betriebene Leverage fand und findet ein brutales Ende: «Securities Lending» und «Absolute Return» gehören bis auf weiteres der Vergangenheit an. Im wertmässig stark geschrumpften Markt bleiben somit praktisch nur noch echte Eigentümer, und hier liegt der Kern einer fundamentalen Gesundung der Finanzmärkte, auch wenn diese wohl noch eine Weile auf sich warten lassen wird.
(Wegelin/mc/hfu)
Der Anlagekommentar
Der Anlagekommentar von Wegelin & Co. Privatbankiers wird seit 1909 publiziert. Der Kommentar erscheint sieben Mal jährlich mit einer Auflage von mehr als 65’000 Exemplaren. Der Anlagekommentar wird von Dr. Konrad Hummler, geschäftsführender und unbeschränkt haftender Teilhaber von Wegelin & Co., verfasst. Die Wegelin-Anlagekommentare sind als Printversion (pdf) und Podcast auf www.wegelin.ch abrufbar.