Deutsche Bahn: Jeder zweite Zug im Nahverkehr ausgefallen – Kritik
Im bundesweiten Schnitt sei jeder zweite Regional- und S- Bahn-Zug ausgefallen. Dies sagte der zuständige Bahn-Vorstand Karl- Friedrich Rausch im ZDF-Morgenmagazin. Im Laufe des Tages werde es in etwa dabei bleiben. Zugleich seien zahlreiche Fahrgäste auf andere Verkehrsmittel umgestiegen. Im Vergleich zu einem gewöhnlichen Tag sei nur etwa die Hälfte der Fahrgäste auf die Bahnhöfe gekommen. Befürchtete Beeinträchtigungen des Fernverkehrs blieben zunächst aus. Die Lokführer wollen im Nahverkehr den ganzen Tag streiken.
Massive Staus um die meisten Grossstädte
Da mehr Pendler als sonst mit dem Auto fuhren, gab es massive Staus um die meisten Grossstädte. Besonders schlimm sei die Lage im Ruhrgebiet sowie um Hamburg, München und Stuttgart, sagte ADAC- Sprecherin Maxi Hartung. Im laufe des Tages werde die Situation «auf keinen Fall» besser, warnte sie. Lediglich auf den Strassen um Berlin sei die Situation relativ entspannt. Die Lage werde auch dadurch erschwert, dass am Freitag der letzte Schultag vor Ferienbeginn in sechs Bundesländern sei: Berlin, Brandenburg, Hamburg, Sachsen- Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen.
Die neuen Bundesländer besonders betroffen
Der Nahverkehr war in den einzelnen Regionen unterschiedlich stark beeinträchtigt. Schwer betroffen seien unter anderem die neuen Bundesländer, insbesondere Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, sowie Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, berichtete die Bahn. Zum Münchner Flughafen fahre die S-Bahn im Stunden-Rhythmus. In Hamburg und Berlin führen die S-Bahnen alle 20 Minuten.
Service-Hotline
Die Bahn empfiehlt, sich über die Lage im Internet unter www.bahn.de/aktuell sowie über die kostenlose Service-Hotline 08000 99 66 33 zu informieren. Die Bahn setzt auch zusätzlich 1000 Service-Mitarbeiter an den Bahnhöfen ein. Kunden aus dem Ausland können sich telefonisch bei der Service-Hotline +49 1805 33 44 44 informieren.
Ersatzfahrpläne kurzfristig nicht vorhanden
Die Bahn betonte, wegen der kurzfristigen Ankündigung des Streiks sei es nicht möglich gewesen, Ersatzfahrpläne aufzustellen. Man bemühe sich, verstärkt Beamte in den Schichten einzusetzen und einen Schienenersatzverkehr mit Bussen aufzubauen. Ein Teil der Nahverkehrszüge ist unterwegs, weil nicht alle Lokführer der GDL angehören und viele als Beamte nicht streiken dürfen.
Chaos spielen auf deutschen Eisenbahnen
Bahn-Vorstand Rausch kritisierte den Streik scharf. «Offensichtlich will die GDL heute mal richtig Chaos spielen auf deutschen Eisenbahnen», sagte er. Der Streik hätte abgesagt werden können, nachdem Bahnchef Hartmut Mehdorn am Vorabend ein neues Angebot des Konzerns am Montag in Aussicht gestellt hatte. GDL- Vizechef Claus Wesselsky konterte, die Details des angekündigten Angebots seien noch unbekannt. Die GDL wolle dem Konzern zeigen, dass mit ihr «nicht zu spassen» sei. Die Gewerkschaft müsse «zum letzten Mittel des Streiks greifen», weil die Bahn eine Verzögerungstaktik betreibe. Er warf der Bahn vor, Streikende bedroht zu haben.
Schaden von bis zu 25 Millionen Euro
Fernverkehr darf nicht bestreikt werden
Die GDL-Lokführer begannen ihren Streik wie angekündigt um 2.00 Uhr. Der Ausstand hatte zunächst kaum Auswirkungen, weil um diese Zeit praktisch keine Regionalzüge und S-Bahnen fahren. Der frühe Zeitpunkt sei extra gewählt worden, damit die Züge gar nicht erst die Depots verlassen, sagte GDL-Sprecherin Seibert. Damit solle verhindert werden, dass stehengebliebene Nahverkehrszüge auch ICE- und Intercity-Züge aufhalten. Die GDL-Lokführer dürfen nach einem Gerichtsbeschluss den Fernverkehr nicht bestreiken. Die GDL kritisierte, dass die Bahn versuche, die Streikenden mit «fingierten Notdienstausweisen» zum Arbeiten zu zwingen.
Eigenständigen Tarifvertrag gefordert
Die Bahn hatte zuletzt Einkommenserhöhungen von 4,5 Prozent angeboten, wie mit den Gewerkschaften Transnet und GDBA vereinbart. Mit Mehrarbeit könnten die Lokführer netto auf etwa zehn Prozent mehr Geld kommen, erklärte die Bahn. Die GDL lehnt dieses Angebot ab. Sie fordert vor allem einen eigenständigen Tarifvertrag. (awp/mc/ab)