Deutsche Bank rückt nach Verlust zum Jahresauftakt von Prognose ab
«Die Zeiten sind sehr unsicher und die Marktentwicklung ist nicht vorherzusehen», sagte Finanzchef Anthony di Iorio in Frankfurt. Er wollte daher keine Angaben über das zu erwartende Ergebnis im laufenden Jahr machen. Zuvor hatte die Bank für 2008 lange die «Vision» eines bereinigten Vorsteuergewinns von 8,4 Milliarden Euro aufrecht erhalten, war Mitte März aber wegen des schwierigen Umfelds erstmals davon abgerückt. Im Auftaktquartal rissen neue Milliardenabschreibungen vor Steuern einen Verlust von 254 Millionen Euro in die Bilanz, im Vorjahr hatte noch ein Gewinn von rund drei Milliarden Euro gestanden.
Verkauf von Beteiligungen spült 900 Mio. Euro in die Kasse
Vor einem noch tieferen Sturz in die Verlustzone rettete sich die grösste deutsche Bank einzig durch den Verkauf von Beteiligungen an den Industrie-Unternehmen Daimler, Allianz und Linde , der insgesamt knapp 900 Millionen Euro in die Kasse spülte. Ohne diese Einnahmen hätte der Vorsteuerverlust die Milliardengrenze überschritten. Unter dem Strich stand mit einem Minus von 141 Millionen Euro der erste Quartalsverlust seit fünf Jahren. «Im ersten Quartal 2008 war die Lage an den Finanzmärkten so schwierig wie noch nie zuvor in der jüngeren Geschichte», resümierte Vorstandschef Josef Ackermann in einem Brief an die Aktionäre. «Im März nahm der Druck auf den Bankensektor das bisher grösste Ausmass seit Ausbruch der Finanzmarktkrise an.» Sein Institut sei aber gut gerüstet. «Wir sind zuversichtlich, aus dieser Krise stärker denn je hervorzugehen.»
Ernüchterung bei Börsianern
Börsianer zeigten sich wenig überzeugt von dem Ergebnis. «Die Zahlen sehen richtig mies aus», sagte ein Händler. Mit den Einmalerträgen sei versucht worden, das Ergebnis «aufzupeppen». Zudem kritisierten Analysten, dass die Prognose nicht wiederholt wurde. Merck-Finck-Analyst Konrad Becker sagte dazu allerdings, am Markt sei schon lange nicht mehr mit dem Erreichen der «Vision» gerechnet worden. Die Aktie lag zuletzt 0,44 Prozent im Minus bei 76,43 Euro. Der DAX verlor gleichzeitig 0,8 Prozent.
Neue Milliardenabschreibungen
D ie Deutsche Bank musste zwischen Januar und März auf ihr Portfolio netto noch einmal 2,7 Milliarden Euro abschreiben. Damit summieren sich die Belastungen inzwischen auf insgesamt rund fünf Milliarden Euro. Im internationalen Vergleich ist dies dennoch überschaubar: Die Citigroup musste allein im ersten Quartal 16 Milliarden Dollar abschreiben, die UBS kündigte sogar 19 Milliarden Dollar Belastungen an. Ein Ende der Krise ist nach Einschätzung von Deutsche-Bank-Chef Ackermann noch nicht in Sicht: «Kurzfristig sind die Aussichten in höchstem Masse unsicher.» Die Kredit- und Liquiditätslage bleibe angespannt, die Zurückhaltung der Investoren halte an. Damit deckt sich seine Einschätzung mit der der Ratingagentur Standard & Poor’s, die in einer aktuellen Studie den Ausblick für deutsche Banken eingetrübt sehen und mit weiteren Abschreibungen und rückläufigen Ergebnissen rechnen.
Investoren kehren zurück
Ackermann betonte jedoch, kürzlich habe es «auch einige ermutigende Entwicklungen» gegeben. Im April seien erste Anzeichen einer Stabilisierung an den Finanzmärkten zu erkennen gewesen. So konnte die Bank nach Aussage von Finanzchef di Iorio in diesem Monat erstmals wieder Kredite für fremdfinanzierte Übernahmen verkaufen – der Wert war mit 1,4 Milliarden Euro aber deutlich geringer als die zuletzt in den Medien genannten Volumina von bis zu 20 Milliarden Dollar (knapp 13 Mrd Euro). Wegen der Finanzmarktkrise war das Geschäft mit kreditfinanzierten Übernahmen zuletzt deutlich zurückgegangen. Insgesamt hatte die Deutsche Bank Ende März noch Kredite und Kreditzusagen zur Finanzierung von Übernahmen in Höhe von rund 33 Milliarden Euro in ihren Büchern und musste darauf netto 1,77 Milliarden Euro abschreiben.
Besseres Privatkundengeschäft – Niedrigere Boni
Einen Teil der Einbussen im Investmentbanking, dem Hauptstandbein des Konzerns, konnte die Deutsche Bank auch durch geringere Personalkosten und ein besseres Privatkundengeschäft ausgleichen. Vor allem geringere Bonuszahlungen führten zu einem Rückgang der Personalkosten um 32 Prozent – trotz eines gleichzeitigen Stellenausbaus. Die Zahl der Vollzeitstellen lag Ende März mit 78.275 um sieben Prozent über dem Vorjahreswert. In Deutschland stieg die Stellenzahl um zwei Prozent auf 27.904.
Steigerung im Privatkundengeschäft
Während das Investmentbanking zum Jahresauftakt auf einen Milliardenverlust kam, steigerte die Deutsche Bank im Privatkundengeschäft ihren Vorsteuergewinn leicht um zwei Prozent auf 492 Millionen Euro. Die grösste deutsche Bank will diesen lange Zeit vernachlässigten Bereich durch weitere Zukäufe ausbauen und hat bereits Interesse an den möglicherweise zum Verkauf stehenden Instituten Postbank und Citibank bekundet. Di Iorio sagte am Dienstag, die Bank schaue sich Übernahmemöglichkeiten an, die den Wert für die Aktionäre steigern könnten. Das Institut wolle in den stabilen Geschäftsfeldern expandieren. Zu einzelnen Zielen wollte sich der Finanzchef nicht äussern.
Kapitalausstattung überzeugt
Die Gesamterträge der Deutschen Bank halbierten sich im ersten Quartal 2008 auf 4,6 (Vorjahreszeitraum: 9,6) Milliarden Euro. Die bereinigte Eigenkapitalrendite vor Steuern – die Zielgrösse der Deutschen Bank – lag im ersten Quartal bei minus 3 Prozent nach plus 44 Prozent im Vorjahr. Allerdings konnte das Institut mit der Kapitalausstattung überzeugen: Die Kernkapitalquote, die erstmals nach Basel-II-Richtlinien veröffentlicht wird, erreichte 9,2 Prozent und lag damit leicht über dem zuletzt angepeilten Zielkorridor von 8 bis 9 Prozent. ( awp/mc/pg)