Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) verteidigten den massiven Eingriff des Staates als letzte Option. Merkel nannte das Gesetz «alternativlos». Die Bundesregierung habe international zugesichert, dass keine Bank mit grosser Bedeutung für die Volkswirtschaft wie die Hypo Real Estate (HRE) Pleite geht. Auch müsse die Belastung für Steuerzahler möglichst gering sein. Steinbrück warnte, ein Zusammenbruch der HRE könnte eine globale «Erschütterungsdynamik» auslösen. «Niemand in der Bundesregierung will (…) den staatlichen Einfluss erweitern.»
Enteignung als letztes Mittel
Steinbrück bekräftigte, dass eine Enteignung nur letztes Mittel sei und die Pläne auf ein mögliches Enteignungsverfahren der HRE zugeschnitten seien. Die Regierung habe keine anderen Banken im Visier. Auch sei dies für keinen anderen Fall absehbar. Zuvor müssten alle anderen Massnahmen zum Erwerb einer Kontrollmehrheit des Staates bei der Bank gescheitert sein. Er verwies darauf, dass in anderen Ländern solche Massnahmen bereits ergriffen wurden. Daher sollte in Deutschland keine Grundsatzdebatte über ein angebliches Aushebeln der Sozialen Marktwirtschaft geführt werden. «Das beabsichtigt niemand.»
Zustimmung des Bundesrates bis 3. April angestrebt
Laut Steinbrück wird nach den Abstimmungen im Bundestag eine Zustimmung des Bundesrates am 3. April angestrebt. Anfang April könnten auf einer Sonder-Hauptversammlung der HRE dann die Massnahmen – Herabsetzung des Grundkapitals plus hohe Kapitalerhöhung – zur Rettung beschlossen werden. «Dafür gibt es Chancen», sagte Merkel. Nur wenn dies misslinge, werde zur «ultima ratio» gegriffen.
Gespräche mit HRE-Grossaktionär J.C. Flowers
Steinbrück betonte, sollten Aktionäre nicht mehrheitlich zustimmen oder klagen, werde es notfalls eine Enteignung geben. Die Gespräche mit dem amerikanischen HRE-Grossaktionär J.C. Flowers, der knapp 25 Prozent hält, würden fortgesetzt. «Bisher sind diese Gespräche nicht zu einem Ergebnis geführt worden, die uns von diesem Weg abbringen können», sagte der Finanzminister weiter.
Re-Privatisierung bei nachhaltiger Stabilität
Verstaatlichte Banken sollen wieder privatisiert werden, sobald sie nachhaltig stabilisiert sind. Aktionäre sollen entschädigt werden. Zusätzlich bekommen sie das Recht, nach der Sanierung bevorzugt Anteile zurückzukaufen. Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach dem Durchschnitts-Kurs der letzten zwei Wochen vor dem Enteignungsverfahren. Im Fall der HRE wären dies etwa 270 Millionen Euro. War der Kurs in den letzten drei Tage niedriger, gilt dieser.
Gesetz endet am 30. Juni 2009
Die Möglichkeit, ein Enteignungsverfahren einzuleiten, endet laut Entwurf am 30. Juni 2009: «Damit wird deutlich, dass die Option einer Verstaatlichung zum Zwecke der Stabilisierung nicht auf Dauer zur Verfügung stehen soll, sondern nur zur Bewältigung der Finanzkrise zulässig ist.» Die Rechtsverordnung für die Umsetzung kann nur bis 31. Oktober erlassen werden. Zudem beauftragte die Regierung die Ressorts für Wirtschaft und Justiz, ein «Restrukturierungsmodell zu entwerfen, das eine nachhaltige Sicherung der Finanzmarktstabilität ermöglichen soll und sich unterhalb der Schwelle der Enteignung» bewege. Damit sind Änderungen im Gesellschaftsrecht gemeint.
Garantien und Kapitalhilfen von über 100 Mrd. Euro für die HRE
Die HRE wird mit Garantien und Kapitalhilfen von 102 Milliarden Euro gestützt. Davon sind 87 Milliarden Euro vom Steuerzahler. Der Münchener Finanzkonzern, der auf Pfandbriefe und Immobiliengeschäfte spezialisiert ist, benötigt noch mehr Milliarden. Laut Steinbrück ist der Kapitalbedarf der HRE «exorbitant hoch». Auch um Interessen der Steuerzahler zu wahren, dringt der Bund bei der HRE jetzt auf eine Kontrollmehrheit (75 Prozent und eine Aktie oder 95 Prozent). Zudem kann sich die HRE laut Steinbrück besser mit frischem Geld versorgen.
Änderungen am Banken-Rettungspaket
Das Kabinett beschloss zugleich Änderungen am Banken-Rettungspaket von 480 Milliarden Euro. So wird die Garantiezeit für Anleihen deutscher Banken von drei auf fünf Jahre ausgeweitet. Auch werden Abstimmungsquoten bei Kapitalmassnahmen auf Hauptversammlungen gesenkt sowie Fristen zur Einberufung von Aktionärstreffen deutlich verkürzt. Es soll ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch eingeführt werden, wenn Aktionäre Hilfsmassnahmen blockieren. Schliesslich sollen Übernahmeangebote erleichtert werden. (awp/mc/pg/24)