Auch nach dem vorerst gescheiterten Übernahmeversuch der Deutschen Börse für die London Stock Exchange (LSE) steht nach deutschem Recht einem möglichen Kauf wohl bald nichts mehr entgegen.
«Wir beabsichtigen nach dem derzeitigen Stand der Kenntnisse die Freigabe ohne Auflagen», sagte eine Sprecherin der Wettbewerbsbehörde der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX am Montag auf Anfrage. Eine endgültige Entscheidung sei aber bislang nicht gefallen. Die Deutsche Börse wollte keinen Kommentar abgeben. Ein Sprecher sagte lediglich, ein entsprechendes Schreiben der Aufsichtsbehörde mit dem aktuellen Prüfstand und einer letztmaligen Aufforderung zur Stellungnahme sei eingegangen.
Frist Verlängert
Auch bei der Londoner Börse und den beigeladenen Unternehmen, darunter der Autobauer Porsche und die Wertpapierabwickler Euroclear und LCH.Clearnet, dürfte der Brief des Kartellamtes inzwischen eingetroffen sein. Rückmeldungen habe es bislang aber noch keine gegeben, sagte die Sprecherin. Bis zu diesem Freitag (17. Juni) müssen entsprechende Stellungnahmen aber spätestens beim Bundeskartellamt vorliegen. Die im April verlängerte Prüffrist für das vertiefte Hauptprüfverfahren zu den einstigen Übernahmeplänen läuft spätestens am 30. Juni aus.
530 Pence je LSE-Aktie
Das Hauptprüfverfahren war im Februar eröffnet worden und hätte eigentlich am 14. Mai abgeschlossen werden sollen. Doch dann trat die Deutsche Börse zunächst Anfang März auf Grund des erheblichen Aktionärswiderstands den Rückzug von ihrem Übernahmevorhaben an. Die kritischen Aktionäre, denen vor allem der Preis der Übernahme von 530 Pence je LSE-Aktie (insgesamt rund 1,9 Mrd Euro) zu hoch erschien, zwangen die Deutsche Börse schliesslich statt dessen zu umfangreichen Aktienrückkäufen und Barausschüttungen an die Anteilseigner. Anfang Mai erwirkten sie dann den sofortigen Rücktritt des Deutsche-Börse-Chefs Werner Seifert.
Nochmals von Vorne
Das Bundeskartellamt entschloss sich auf Grund der tumultartigen Vorgänge daraufhin die Hauptversammlung des Frankfurter Unternehmens am 25. Mai abzuwarten und verschob den Abschluss der Prüffrist auf das Ende des zweiten Quartals. Unterdessen waren zahlreiche Schreiben von besorgten Unternehmen bei der Wettbewerbsbehörde eingegangen, die Aktieneinsicht verlangten und sich gegen eine solche Übernahme aussprachen.
Ablehnung signalisiert
Der Nobelkarossen-Hersteller Porsche etwa begründete seine ablehnende Haltung mit Sorgen vor einer Gebührenanhebung für die Börsennotiz seiner ausse rhalb der DAX-Familie gelisteten Aktien. Die Clearinghäuser Euroclear, an dem die Konkurrenzbörse Euronext beteiligt ist, und LCH.Clearnet sorgten sich um Wettbewerbsnachteile auf Grund der vertikalen Unternehmensstruktur der Deutschen Börse, zu der auch die Luxemburger Wertpapierabwicklungstochter Clearstream gehört.
Competition Commission
Neben der Entscheidung der deutschen Wettbewerbsaufsicht steht am 12. September in Grossbritannien der Bericht der Wettbewerbskommission Competition Commission an. Die britische Kartellbehörde Office of Fair Trading (OFT) hatte die Prüfung an die inländische Kommission abgegeben, die im Juli einen Zwischenbericht vorlegen will. (awp/mc/th)