«So einen starken Rückgang haben wir seit Beginn der Erhebung der Zahlen im Jahr 1958 noch nie gesehen», sagte Ralph Wiechers, Chefvolkswirt des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), am Mittwoch in Frankfurt. Unterdessen ist das Geschäftsklima im deutschen Mittelstand auf ein historisches Tief gefallen. Das von der KfW-Bankengruppe und dem Münchner ifo Institut berechnete Mittelstandsbarometer sank um 1,4 Zähler auf minus 21,0 Punkte, wie die KfW am Mittwoch in Frankfurt mitteilte. Dies sei der niedrigste Wert seit Beginn der gesamtdeutschen Auflistung Anfang 1991.
Grosshandel bricht ein
Schlechte Nachrichten lieferte am Mittwoch auch der Grosshandel, dessen Umsätze zum Jahresauftakt so stark wie seit dem Jahr 2002 nicht mehr zurückgingen: Die Erlöse schrumpften im Januar im Vergleich zum Vorjahresmonat nominal um 10,7 Prozent, unter Berücksichtigung der Inflation um 5,6 Prozent, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte. Ein ähnlich starker Rückgang war zuletzt im Mai 2002 mit minus 10,9 Prozent verzeichnet worden. In der deutschen Rohstahlindustrie verschärfte sich die Krise im Januar mit einem Rückgang um 36 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat noch einmal deutlich, sagte der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans-Jürgen Kerkhoff, am Mittwoch bei der 13. «Handelsblatt»-Jahrestagung «Stahlmarkt 2009» in Düsseldorf laut Redemanuskript. Die Auslastung der Kapazitäten habe mit nur noch 60 Prozent einen langjährigen Tiefstand erreicht.
Nachfrage aus dem Ausland und Inland eingebrochen
Bei den lange Zeit erfolgsverwöhnten deutschen Maschinen- und Anlagenbauern brach im Januar vor allem die Nachfrage aus dem Ausland um 47 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat ein. Die Nachfrage aus dem Inland gab mit minus 31 Prozent aber ebenfalls deutlich nach, wie der VDMA mitteilte. Bereits im Dezember war der Auftragseingang um 40 Prozent zurückgegangen. Für 2009 erwartet der Verband einen Rückgang der Maschinenbau-Produktion um sieben Prozent. 2008 war die Produktion der Branche nach vier Rekordjahren nochmals um 5,4 Prozent auf 194 Milliarden Euro gewachsen.
Keine Aufwärtskorrektur
«Eine Aufwärtskorrektur blieb angesichts der anhaltenden Verunsicherung der Kunden sowie der mehr als üblich in den Januar ausgedehnten Werksferien wie erwartet aus», sagte Wiechers. Zudem wirke sich jetzt statistisch aus, dass sich die Bestellungen im Maschinenbau bis weit in das Frühjahr 2008 hinein auf Rekordniveau bewegt hätten. «Schon allein deshalb dürften wieder bessere Nachrichten aus dem Maschinenbau noch einige Zeit rar bleiben», sagte Wiechers.
«…lässt nichts Gutes erahnen»
Zum Einbruch des Grosshandelsumsatzes sagte der Präsident des Bundesverbandes Grosshandel, Aussenhandel, Dienstleistungen (BGA), Anton F. Börner, in einer Stellungnahme: «Diese Entwicklung im Grosshandel als einem wichtigen Konjunktur-Frühindikator lässt wenig Gutes ahnen.» Als Lieferant für Einzelhandel, Handwerk, Gastgewerbe und Industrie auf der einen Seite sowie als Importeur und Abnehmer von Gütern auf der anderen Seite sei der Grosshandel ein wichtiger Indikator für die wirtschaftliche Entwicklung. Auch im Konsumgütergrosshandel als Frühindikator für den privaten Konsum hätten die Umsätze unter denen des Vorjahresmonats gelegen – nominal 6,3 Prozent und real 7,0 Prozent. Er setze darauf, dass die Konjunkturpakete schnell und effektiv wirkten. Märkte und Unternehmen müssten Vertrauen in einen Trendwechsel zurückgewinnen.
Hoffnung auf lockere Geldpolitik
Neben den Konjunkturpaketen der Bundesregierung setzt die deutsche Wirtschaft nun vor allem auf eine weitere Lockerung der Geldpolitik. Mit der an diesem Donnerstag erwarteten Zinssenkung auf ein Rekordtief könnte die Europäische Zentralbank (EZB) einen weiteren Schritt tun, um die Volkswirtschaften im Euro-Raum aus der Rezession zu führen. Experten erwarten, dass die EZB den Zinssatz bei ihrer Ratssitzung am Donnerstag nochmals um 0,5 Punkte auf dann 1,5 Prozent senken wird. Dabei stützen sie sich auch auf Aussagen von EZB- Präsident Jean-Claude Trichet, der im Februar einen Zinsschritt für März angedeutet hatte: «Ich schliesse im Moment nicht aus, dass wir die Rate bei unserem nächsten Treffen senken könnten.» Der Euro-Raum und seine wichtigsten Handelspartner befänden sich in einer langen Phase eines grossen wirtschaftlichen Abschwungs.
Um der Wirtschaft aus der Krise zu helfen hatten die Währungshüter den Leitzins seit Oktober 2008 bereits in vier Schritten um insgesamt 2,25 Prozentpunkte auf 2,0 Prozent und damit auf das niedrigste Niveau seit Einführung des Euro 1999 gesenkt. Niedrige Zinsen verbilligen Kredite für Unternehmen und Verbraucher und können so die Wirtschaft anschieben. (awp/mc/ps/15)