Deutsche Wirtschaft mit grossen Erwartungen an Schwarz-Gelb


Steuererleichterungen stehen ganz oben. Die Gewerkschaft IG BAU befürchtete hingegen Einschnitte bei den Sozialleistungen für Arbeitnehmer.


Energieaktien im Fokus
An der Börse standen Energieaktien im Fokus. «Das Wählervotum ebnet den Weg für eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke in Deutschland», schrieb Analyst Matthias Heck von Sal. Oppenheim in einer Studie. Daher legten die Aktien der beiden grössten deutschen Versorger Eon und RWE kräftig zu. Eon-Aktien verteuerten sich zum Nachmittag um 4,40 Prozent auf 29,45 Euro und RWE stiegen um 3,63 Prozent auf 64,45 Euro. Von RWE hiess es, der Konzern vertraue darauf, dass Union und FDP ihre Wahlversprechen einhalten und die Weichen für Laufzeitverlängerungen von Kernkraftwerken stellen. Ebenso hofft der Energieversorger EnBW auf eine Wende in der Atompolitik und «unvoreingenommene Gespräche» über eine Verlängerung der Laufzeiten seiner Atomkraftwerke.


«Grüne» Titel geraten unter Druck
Solarwerte wie Q-Cells, centrotherm photovoltaics und Solarworld wurden dagegen im TecDax verkauft und büssten zwischen 1,82 und 0,31 Prozent ein. «Solarwerte dürften die Verlierer der Wahl sein», sagte ein Börsianer. Die Liberalen hatten sich für eine schnelle Kürzung von Solar-Subventionen ausgesprochen.


Chemie will steuerliche Förderung der Forschung
Die Chemie-Industrie verlangte von der neuen Bundesregierung eine steuerliche Förderung der Forschungsaktivitäten. Zudem solle die erst 2008 eingeführte sogenannte Zinsschranke wieder abgeschafft werden, mit der die Grosse Koalition verhindern wollte, dass internationale Konzerne in Deutschland übermässig hohe Zinsaufwendungen abschreiben konnten. Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), Utz Tillmann, schlug zudem vor, die Zuständigkeiten für Energie- und Klimaschutzpolitik in einem Ministerium zu bündeln.


Einzelhändler warnen vor höherer Mehrwertsteuer
Der Einzelhandelsverband HDE warnte vor einer weiteren Erhöhung der Merhwertsteuer und verlangte eine Korrektur der Unternehmenssteuerreform. Es gebe zumindest begrenzte Spielräume für Steuersenkungen, erklärte HDE-Präsident Josef Sanktjohanser. Die Zeitarbeitsbranche wünscht sich von der neuen schwarz-gelben Koalition im Bund ein allgemeinverbindliches Festschreiben tariflicher Mindeststandards. Auch für die Aufnahme der Zeitarbeit ins Arbeitnehmer-Entsendegesetz sprach sich der Interessenverband der Deutschen Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) am Montag in Münster aus. Hintergrund ist die Einführung der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU im Mai 2011.


IG BAU ist skeptisch
Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) hat negative Erwartungen. Die Aussichten für die Arbeitnehmer hätten sich verschlechtert, weil es Bestrebungen zu weniger Kündigungsschutz und weniger Mitbestimmung geben werde, erklärte die Gewerkschaft am Montag in Frankfurt. Mit dem scheidenden Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) verliere man einen Verfechter der Mindestlöhne. «Wir vertrauen darauf, dass die Bundeskanzlerin ihr Wort hält, dass sie auch eine Kanzlerin der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sein will», erklärte der IG-BAU-Chef Klaus Wiesehügel.


DIHK verlangt 100-Tage-Sofortprogramm
«Wir brauchen jetzt eine Bundesregierung der Verantwortung mit einem klaren Programm für Wachstum», sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans Heinrich Driftmann, am Montag in Berlin. Wichtigste Themen seien die Kreditversorgung der Unternehmen sowie Reformen bei Erbschaft- und Unternehmensteuer. Auch müsse es flexiblere Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt geben. «Wir brauchen neben sozialer Sicherheit auch ein ausreichendes Mass an Flexibilität, damit neue Aufträge schnell zu neuen Arbeitsplätzen werden», sagte Driftmann. Betriebe mit weniger als 20 Beschäftigten sollten vom Kündigungsschutzgesetz ausgenommen werden.


Schuldenstand 2013 bei zwei Billionen Euro
Die Wirtschaft rief Union und FDP zu einem Kassensturz auf. Bis 2013 steigt der Schuldenstand der öffentlichen Hand auf mehr als zwei Billionen Euro. «Die Wirtschaft unterstützt einen klaren Sanierungskurs. Konsolidierung bedeutet, dass sich alle zurücknehmen müssen», sagte Driftmann. Die Erhöhung von Steuern und Abgaben sei aber falsch. «Die Konsolidierung kann nur über die Senkung der Ausgaben und über Wirtschaftswachstum erfolgen.»


Kaum eine grundlegend andere Wirtschaftspolitik
Nach Einschätzung des Commerzbank-Chefvolkswirts Jörg Krämer wird sich die Wirtschaftspolitik in Deutschland nach der Bundestagswahl allerdings nicht grundlegend ändern. Die Zweifel der Bevölkerung an der Marktwirtschaft seien zu stark gestiegen, begründet Krämer seine Einschätzung. Die gestärkten Liberalen dürften der Union jedoch auf einzelnen Gebieten Reformen abringen. Steuersenkungen dürften laut Krämer nur punktuell erfolgen. «Mit Blick auf die bedrohliche Haushaltslage könnte sich die neue Regierung auch darauf konzentrieren, das Steuersystem zu vereinfachen.» (awp/mc/ps/19)

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