Experten und die Opposition halten den nationalen Alleingang der schwarz-gelbe Koalition für wirkungslos. Bereits seit Mitte Mai sind bestimmte Leerverkäufe untersagt. Mit dem jetzt beschlossenen Gesetz wurde dieses Verbot ausgeweitet. Finanzakteure dürfen nur noch mit Aktien, Staatsanleihen und Kreditversicherungen handeln, die sie selbst besitzen oder sich geliehen haben.
Der Bundesrat entscheidet am Freitag nächster Woche. Eine Zustimmung gilt als wahrscheinlich, nachdem Interessen der Länder berücksichtigt und die Gesetzespläne entschärft wurden.
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wies den Vorwurf zurück, er habe mit seinem Vorpreschen die europäischen Partner brüskiert. Das Gegenteil sei der Fall. Die EU-Kommission will ihre Vorschläge zu Leerverkäufen auf europäischer Ebene im Oktober vorlegen.
Finanztransaktionssteuer in Europa schnell vorantreiben
Schäuble kündigte im Bundestag an, dass Deutschland und Frankreich die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in Europa schnell vorantreiben wollen. Er werde in den nächsten Tagen zusammen mit seiner französischen Amtskollegin Christine Lagarde die EU-Kommission auffordern, Vorschläge zu machen. Auf dem G20-Gipfel in Kanada waren die Europäer mit ihrer Forderung nach einer weltweiten Steuer auf alle Finanzgeschäfte gescheitert. Jetzt soll die Abgabe im Alleingang, notfalls nur in der Gruppe der Euro-Länder, kommen.
Geschäfte aus der Anonymität herausführen
Bei «Leerverkäufen» verkaufen Profi-Anleger wie Hedge-Fonds Aktien in der Hoffnung, sie später zu einem niedrigeren Kurs zurückzukaufen und Gewinne einzustreichen. Bei «gedeckten Leerverkäufen» leihen sich Investoren die Aktien. Bei «ungedeckten Leerverkäufen» spekulieren sie mit zu verkaufenden Aktien, ohne sie zuvor ausgeliehen zu haben. Neu eingeführt werden Meldepflichten bei Leerverkäufen. «Wir wollen diese Geschäfte aus der Anonymität herausführen, weil Positionen namentlich über den Bundesanzeiger bekanntgegeben werden müssen», sagte der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Leo Dautzenberg (CDU).
Kritiker monieren nationale Regeln
Kritiker monieren, dass nationale Regeln angesichts weltweiter Geldströme sinnlos seien. Auch würden Leerverkäufe ausserhalb der Börsen vom Gesetz gar nicht erfasst. Der SPD-Experte Manfred Zöllmer sagte: «Das ist reine Symbolpolitik.» Grundsätzlich werden künftig ungedeckte Leerverkäufe von deutschen Aktien und von Staatspapieren der Eurozone ebenso verboten wie ungedeckte Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swap/CDS) auf Staatsschuldtitel der Eurozone, die nicht Absicherungszwecken dienen.
Finanzprobleme Griechenlands und Spaniens durch Spekualtionen verschärft
Spekulationen mit Kreditversicherungen, bei denen auf den Verfall der Kreditwürdigkeit etwa eines Staates gewettet wird, haben die Finanzprobleme Griechenlands oder Spaniens verschärft. Union und FDP hatten das Verbot «ungedeckter Leerverkäufe» in letzter Minute noch einmal entschärft. So wurde die Ermächtigung des Bundesfinanzministeriums wieder gestrichen, weitere schädliche Finanzinstrumente per Verordnung verbieten zu können. Auch soll «normales» Geschäft erlaubt und der «Intraday-Handel» mit den hochkomplexen Finanzprodukten – entgegen ersten Plänen – möglich sein. Kurzfristige «ungedeckte Leerverkäufe» sind also dann von dem Verbot ausgenommen, wenn bei Abschluss eines Leerverkaufs am Ende des Tages die Aktien oder Schuldtitel auch beschafft werden. (awp/mc/gh)