Deutschland bald wieder EU-Defizitsünder

Betroffen sind unter anderen Österreich oder die Niederlande. Bundesfinanzstaatssekretär Jörg Asmussen reagierte gelassen: «Es gibt die klare Verständigung, dass der Stabilitätspakt auch in der Krise regelkonform angewendet wird.» Almunias Kurs wird laut Diplomaten die neue Bundesregierung unter Druck setzen, die Staatsfinanzen zu sanieren. Union und FDP hatten angekündigt, nach der Bundestagswahl die Steuern senken zu wollen.


Talsohle in Deutschland durchschritten
Asmussen berichtete, dass die wirtschaftliche Talfahrt in Deutschland vorbei ist. Das dritte Quartal werde im Vergleich zu den drei Vormonaten besser ausfallen als das zweite Quartal – damals gab es ein kleines Plus von 0,3 Prozent. Bundesbank-Chef Axel Weber wehrte sich gegen Kritik, wonach Deutschland als starker Exportgigant zu Ungleichgewichten in Europa beiträgt. «Unsere Exportorientierung ist das Ergebnis unternehmerischer Entscheidungen und beruht nicht auf der Wirtschaftspolitik.» Kritiker raten Deutschland, mehr für die Binnennachfrage zu tun.


Berlin mit 6 Prozent Schulden in 2010?
Berlin meldete laut Asmussen für das laufende Jahr eine Neuverschuldung von 3,7 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP). Erlaubt sind höchstens drei Prozent. Für das kommende Jahr werden nach früheren Angaben rund sechs Prozent angenommen. Deutschland war wegen hoher Defizite bereits Mitte des Jahrzehnts mit einer EU-Strafprozedur konfrontiert, die 2007 wegen guter Führung geschlossen wurde. Bei den Verfahren drohen in letzter Konsequenz hohe Geldbussen, die in der Praxis aber bisher nicht verhängt wurden. 2008 hatte Berlin nur ein Mini-Defizit von 0,1 Prozent ausgewiesen.


Verfahren gegen mittlerweile 11 EU-Länder
Gegen 11 EU-Länder laufen bereits Verfahren, unter anderem gegen Frankreich, Irland, Griechenland oder Spanien. Paris erwartet im laufenden Jahr eine Neuverschuldung von über acht Prozent. Der Vorsitzende der Euro-Finanzminister, der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker, sagte, die Euro-Staaten sollten von 2011 an anfangen, zu sparen und die öffentlichen Haushalte zu sanieren. «Es ist derzeit noch zu früh, die Konjunkturprogramme zurückzuziehen.» Ein fester Zeitplan zum Sparen ist in der EU bisher umstritten. Der portugiesische Ressortchef Fernando Teixera dos Santos sagte, die Lage in den Mitgliedstaaten sei unterschiedlich. «Ich denke nicht, dass wir einen präzisen oder gemeinsamen Zeitplan haben können.»


Verstärkte Aufsicht der Finanzmärkte
Die schwedische EU-Ratspräsidentschaft will erreichen, dass sich die EU bis Jahresende auf eine verstärkte Aufsicht ihrer Finanzmärkte einigt. Es soll unter anderem ein Weisenrat eingerichtet werden, der rechtzeitig Gefahren für das Finanzsystem als Ganzes erkennt. Ein EU-«Stresstest» für Grossbanken ergab, dass im schlimmsten Fall Verluste von bis zu 400 Milliarden Euro drohen. Untersucht wurden 22 führende Kreditinstitute. «Der Schluss ist, dass unsere Banken ausreichend kapitalisiert sind», sagte der schwedische Finanzminister Anders Borg. Das Verlustszenario umfasst den Zeitraum 2009/10 und geht von sehr schlechten Wachstumserwartungen für die EU aus. Inzwischen haben sich jedoch die Konjunkturerwartungen etwas gebessert. (awp/mc/ps/36)

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