Deutschland: Bundestag beschliesst Euro-Rettungspaket

Für das Gesetz zur Euro-Stabilisierung stimmten am Freitag in turbulenter Sitzung 319 Abgeordnete. Es gab 73 Nein-Stimmen, 195 Parlamentarier enthielten sich. Die sogenannte Kanzlermehrheit liegt bei 312 Stimmen. Abgestimmt hatten 587 Angeordnete. Der Bundesrat sollte noch am Freitag entscheiden. Eine Überraschung galt als unwahrscheinlich. Anschliessend muss noch Bundespräsident Horst Köhler das umstrittene Gesetz unterzeichnen.


Genaue Ausgestaltung der Euro-Notkredite noch offen
SPD und Grüne wollten sich enthalten, die Linke ist gegen die Nothilfen. Daher war eine knappe Entscheidung erwartet worden, da es auch in den Koalitionsreihen etliche Kritiker gibt. Die Koalition kann sich maximal 20 Abweichler aus den eigenen Reihen leisten. Erst vor zwei Wochen hatte der Bundestag den deutschen Anteil von bis zu 22,4 Milliarden Euro an dem Griechenland-Rettungspaket gebilligt. Die Opposition warf der Koalition vor, dass ein gigantisches Hilfspaket unter Druck durchgepeitscht werden solle. SPD, Grüne und Linke kritisierten, dass die Auswirkungen und die genaue Ausgestaltung der Euro-Notkredite offen seien. Der Vertrag über die geplante Zweckgesellschaft für die Hilfs-Kredite liege noch nicht vor. Die SPD hatte zudem gefordert, dass Schritte zur Finanzmarktregulierung schwarz auf weiss vorliegen und der Bundestag diese konkret beschliesst. Merkel hatte zugesagt, sich für mehr Regulierung und eine Finanztransaktionssteuer einsetzen zu wollen.


Frage der internationalen Unterstützung noch offen
SPD-Chef Sigmar Gabriel warf Merkel taktische Spielchen vor, die auch die EU-Partner satt hätten. Daher habe sich die Kanzlerin blamiert und sei vorgeführt worden beim Rettungspaket. Deutschland müsse bei Finanzmarkt-Regeln vorangehen: «Sie waren nur solange eine mutige Kanzlerin, wie Sie von Sozialdemokraten bewacht wurden.» Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wies die Vorwürfe zurück. «Wir befinden uns auf einer einwandfreien rechtlichen Grundlage.» Das Eil-Verfahren begründete er mit der Entwicklung an den Märkten. Schäuble sieht weitere Hürden für eine globale Transaktionssteuer. «Die Frage, geht es global, wird sehr skeptisch von vielen beurteilt.» Wenn es beim Gipfel der G20-Staaten im Juni unmöglich sei, müsse eine solche Steuer EU-weit geprüft werden. «Dann wird es in Europa eine ganz zentrale Frage sein: Geht eine solche Steuer nur unter Einschluss des grössten Finanzplatzes London?» Notfalls müsse es im Euro-Raum versucht werden. «Ob wir dafür eine Mehrheit im Euro-Bereich bekommen, kann ich Ihnen heute nicht versprechen.»


«Am Nasenring durch die Manege geführt»
FDP-Chef Guido Westerwelle sprach von einer historischen Entscheidung. Der Aussenminister warf der Opposition vorgeschobene Argumente vor, um innenpolitisch mit der Regierung abzurechnen. «Es geht aber darum, ob Europa stehen oder fallen soll.» Der Wohlstand der Deutschen hänge an der europäischen Stabilität. SPD-Geschäftsführer Thomas Oppermann kritisierte, der Bundestag sei kein «Abnick-Parlament». Ähnlich äusserte sich Dagmar Enkelmann (Linke). Aus Sicht von Fritz Kuhn (Grüne) geht die Regierung so schäbig mit dem Parlament um, wie er es noch nie erlebt hat. Linken-Fraktionschef Gregor Gysi warf Merkel vor, sie werde von Märkten getrieben. «Sie müssen doch merken, dass sie jetzt am Nasenring durch die Manege geführt werden.» Im Rahmen des Rettungspakets können als erste Notfall-Hilfen 60 Milliarden Euro der EU-Kommission sofort fliessen. Reicht das Geld nicht, leisten die Euro-Staaten Kreditgarantien von bis zu 440 Milliarden Euro. Dazu wird eine Zweckgesellschaft gegründet, die Kapital aufnehmen und Kredite an bedrohte Länder weiterreichen soll. Dritter Teil des Rettungsschirms sind Hilfen des Internationalen Währungsfonds (IWF) von bis zu 250 Milliarden Euro.


(awp/mc/hfu/23)



 

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