Doch Ökonomen warnen: Künftig könnten die am Montag von der Europäischen Zentralbank (EZB) angekündigten Massnahmen im Kampf gegen die Schuldenkrise für einen Preisauftrieb sorgen. Auf eine höhere Teuerungsrate deutet auch der jüngste Anstieg der Grosshandelspreise hin. Die europäische Notenbank hatte am Montag mit dem Kauf von Anleihen hoch verschuldeter Euro-Staaten begonnen. Um die Staatsschulden zu decken, druckt die EZB Geld, mit dem sie die Anleihen bezahlt. «Das ist langfristig der Einstieg in eine höhere Inflation», sagte Bankenprofessor Wolfgang Gerke.
Skepsis gegenüber Aufkauf von Anleihen
Auch Bundesbankpräsident Axel Weber, der als Kandidat für die Nachfolge von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet gilt, steht den Rats-Beschluss zum Aufkauf von Anleihen klammer Staaten skeptisch gegenüber. Der «Börsen-Zeitung» (Dienstag) sagte er: «Der Ankauf von Staatsanleihen birgt erhebliche stabilitätspolitische Risiken, und daher sehe ich diesen Teil des Beschlusses des EZB-Rats auch in dieser ausserordentlichen Situation kritisch.» Es komme jetzt darauf an, diese Risiken so gering wie möglich zu halten.
Bundesbank: Inflationsgefahr hält sich in Grenzen
Gleichzeitig versuchte Weber aber, Inflationsängsten vorzubeugen: «Die deutsche Bevölkerung kann sich darauf verlassen, dass wir hier besonders wachsam sein werden.» Die Bundesbank und das gesamte Eurosystem stünden nach wie vor für Preisstabilität in der Währungsunion ein. Angesichts hoher Arbeitslosigkeit und noch gegebener Kapazitätsspielräume halten sich die Inflationsgefahren auch aus Sicht der Landesbank Hessen-Thürigen (Helaba) in Grenzen. Nach Überzeugung von EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny besteht durch den Ankauf von Staatsanleihen durch die Notenbank kein Inflationsrisiko. Er sehe «auf keinen Fall» die Gefahr, dass die Teuerung in der Eurozone ausser Kontrolle geraten könne, sagte Österreichs Notenbankchef am Dienstag in einem Radiointerview mit dem ORF. Denn der Kauf der Anleihen führe nicht unmittelbar zu höheren Ausgaben. «Die Inflation würde nur steigen, wenn wir die Geldmenge nicht unter Kontrolle hätten».
Überschüssige Liquidität wieder abschöpfen
Die EZB hatte Operationen angekündigt, um die überschüssige Liquidität wieder abzuschöpfen. Daher hält auch Jürgen Michels, Euroland-Chefvolkswirt von Citi, Inflationsängste für unbegründet. «Die angekündigten Käufe könnten leicht neutralisiert werden», sagte er am Dienstag der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Zudem müssten neben grössten Schulensündern auch Frankreich und Deutschland im kommenden Jahr Konsolidierungsmassnahmen ergreifen. Dies dürfte das Wachstum belasten und den Inflationsdruck vermindern, betonte Michels. Wie andere Volkswirte rechnet Michels inzwischen erst im zweiten oder dritten Quartal 2011 mit einer Erhöhung des Leitzinses.
Hoher ÖLpreis schlägt zu Buche
Die Teuerung wurde im April in Deutschland wie in den Vormonaten massgeblich durch die starken Preiserhöhungen bei leichtem Heizöl (plus 32,9 Prozent) und Kraftstoffen (plus 16,4 Prozent) bestimmt, berichtete das Statistische Bundesamt. Auch Strom verteuerte sich binnen Jahresfrist um 2,5 Prozent. Hingegen hätten die Entwicklung der Gaspreise (minus 9,8 Prozent) und der Umlagen für Zentralheizung und Fernwärme (minus 13 Prozent) inflationsdämpfend gewirkt. Ohne Berücksichtigung der Preisentwicklung bei den Mineralölprodukten hätte die Inflationsrate bei 0,3 Prozent gelegen.
Grosshandelspreise klettern deutlich nach oben
Die Grosshandelspreise kletterten nach den Angaben im April um deutliche 6,0 Prozent zum Vorjahr. Das sei die höchste Teuerungsrate seit August 2008 gewesen. Im Vormonat hatte die Rate bei 4,3 Prozent gelegen. Da die Grosshandelspreise über den Einzelhandel häufig an die Verbraucher weitergegeben werden, gelten sie als ein Indikator für die weitere Entwicklung der Inflation. (awp/mc/ps/24)