Deutschland: Koalitionspoker von Union und FDP
Bisher teilen sich die Bundesbank und die Finanzaufsicht BaFin diese Aufgabe. Einig sind sich die Koalitionäre, dass die Bundesbank demnächst alleine die Banken kontrolliert. Umstritten ist noch, ob dies auch für die Versicherer gelten wird. Während Banken die Pläne begrüssten, laufen die Versicherer Sturm gegen die Bundesbank als Aufseher. Eine einheitliche Bankenaufsicht war eine der Forderungen, mit denen die FDP in den Wahlkampf gezogen war. Laut Einigung soll die Bundesbank künftig im Tagesgeschäft und bei organisatorischen Fragen entscheiden. Sie hätte die volle personelle und organisatorische Verantwortung.
«Unabhängigkeit der Bundesbank gewahrt»
Wenn es aber im Notfall um die Zwangsabsetzung eines Bankenvorstands oder gar die Schliessung einer Bank geht, soll das Finanzministerium ein Recht zum Widerspruch bekommen. Die Unabhängigkeit der Bundesbank bleibe gewahrt, teilten Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) und FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms nach achtstündigen Beratungen mit. Details zu den Plänen wird der Koalitionsvertrag laut de Maizière noch nicht enthalten. So ist der Zeitplan ebenso wie die Zahl der betroffenen Stellen offen. Die neue Bundesregierung und das Parlament müssen den Plänen noch zustimmen. Weder Bundesbank noch BaFin wollten zu den Plänen am Donnerstag auf Anfrage eine Stellungnahme abgeben.
Bundesbank zur Übernahme von mehr Verantwortung bereit
Bundesbank-Präsident Axel Weber hatte aber bereits zuvor seine Bereitschaft signalisiert, mehr Verantwortung bei der Bankenaufsicht zu übernehmen. Die Reform würde die Rolle der Bundesbank deutlich stärken. Die Behörde hat durch die Gründung der Europäischen Zentralbank (EZB) seit Jahren an Einfluss verloren und musste Stellen streichen. Mit rund 10’000 Mitarbeitern ist die Bundesbank deutlich grösser als die BaFin, die 1700 Beschäftigte zählt.
Zu lasche BaFin-Kontrollen?
Dagegen würde die neue Koalition mit diesem Schritt die Bonner Behörde BaFin, die 2002 unter der rot-grünen Regierung eingerichtet wurde, in ihren Kompetenzen und ihrer Grösse stark beschneiden. Die BaFin ist bislang für die Kontrolle des Versicherungs- und Wertpapierbereichs alleine zuständig. Die Bankenaufsicht teilt sie sich mit der Bundesbank. In der Finanzkrise waren Vorwürfe laut geworden, die BaFin kontrolliere die Banken zu lasch. Der Vorstand der Bundesbank hat sich bereits auf ein Modell zur kompletten Übernahme der Bankenaufsicht verständigt. Danach soll die Aufsicht voll in die Bundesbank integriert und die BaFin nicht als Anstalt an die Bundesbank angedockt werden. «Wichtig ist, dass man die geldpolitischen von den anderen Entscheidungen trennt», sagte Weber kürzlich der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung».
Versicherer laufen Sturm
Die Versicherer laufen Sturm gegen die Bundesbank als Aufseher. Eine gemeinsame Aufsicht für Versicherer und Banken könnte zum Streit führen, wenn es um die Rettung von Kreditinstituten geht, lautet die Kritik des Branchenverbandes GDV. Versicherungen seien der grösste Gläubiger der Banken – entweder schütze die Bundesbank die Gläubiger oder die Schuldner (Banken). «Die Vereinigung der Verantwortung schafft neue Interessenkonflikte und damit neue Risiken für den Finanzplatz», sagte der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes GDV, Jörg von Fürstenwerth, auf Anfrage.
«Unabhängigkeit der Bundesbank absolute Grundvoraussetzung»
Der Bundesverband deutscher Banken begrüsste die Entscheidung grundsätzlich. Verbandspräsident Andreas Schmitz forderte aber, die noch offenen Fragen zur Finanzierung und Eingliederung der Versicherungen zu klären. «Das hohe Gut der Unabhängigkeit der Bundesbank ist dabei absolute Grundvoraussetzung», sagte Schmitz laut einem schriftlich verbreiteten Statement. (awp/mc/ps/21)