Erneut haben sich zwei intelligente und von der allgemein angeprangerten Gier verschonte Bankiers an die Spitze der Liste der besten Redner gestellt, gefolgt von zwei Industrie-Managern und einem Rechtsanwalt, der für besonders grobe Fälle im Lande bekannt ist. Aufgefallen sind auch zwei kulturelle Vertreter, in diesem Jahr sind es Star-Journalisten aus der deutschen wie aus der Westschweiz.
Wo bleiben die Frauen?
Leider wiederholt sich die Tatsache, dass sich Frauen auch im 2008 rhetorisch nicht auffällig durchsetzen konnten, weil es zu wenige gibt, die sich öffentlich so zu Wort melden, dass sie einen hohen Wiedererkennungswert generieren. Die rasche wirtschaftliche Veränderung, die wir heute erleben, wird, wie Harry Holzheu erwartet, ohne Zweifel im nächsten Jahr neue Rhetorik-Talente zu Tage bringen. Sie müssen sich bis dahin jedoch weiter entwickeln und bewähren.
Konrad Hummler, Partner, Bank Wegelin & Co., St. Gallen
Der überaus agile St. Galler Privatbankier Dr. Konrad Hummler hat sich als Sprecher der Schweizer Privatbankiers zum legitimen Nachfolger seiner erfolgreichen Vorgänger Alfred Sarasin und Hans J. Bär entwickelt. Hummler geniesst nicht nur als Fachmann in zahlreichen Funktionen höchstes Ansehen, sondern ist auch im Stande, ganze Säle mit begeisterten Zuhörern zu füllen. Er redet völlig frei, jedoch kristallklar, und kann komplexe Dinge einfach ausdrücken. Als konservativer Vertreter des Finanzplatzes Schweiz besteht er mit Brillanz auf der Unabhängigkeit des Landes und seiner In- wie ausländischen Finanzkunden.
Philipp Hildebrand, SNB-Vizepräsident
Mit Eleganz und Schärfe seiner Sprache hat sich der Vizepräsident der Schweizerischen Nationalbank national wie international durchgesetzt. Dr. Philipp Hildebrand wurde ungewöhnlich jung in dieses hohe Amt gewählt, wo er heute angesichts der globalen Finanzkrise eine Aufgabe erfüllt, die nur unterschätzt werden kann. Hildebrands Rede zeichnet sich, wie es einem Nationalbankier geziemt, durch höchste Klarheit und Präzision aus. Deshalb ist es ein Genuss, ihm zuzuhören.
Johann Niklaus Schneider-Ammann, Nationalrat, Unternehmer
Seine treffenden, meist ernsten Aussagen bringt er in einer kernigen, aber trotzdem mit Heiterkeit besetzten Sprache vor. Der solide Berner – er ist Präsident des Verbandes Swissmem und Unternehmer – vermag seine Vorschläge und Kommentare klar und deutlich in unmissverständlichem Ton zu vermitteln. Gerade seine Äusserungen zur aktuellen Finanzkrise sind – im Gegensatz zu vielen anderen – präzise zutreffend und zugleich in glaubwürdiger Art zuversichtlich. Er meint es ernst mit seinen Forderungen, trägt diese aber in einem akzeptablen und zugleich versöhnenden Ton vor, so dass sie grosse Chancen haben, angenommen zu werden. Das ist der Grund, warum er beliebt ist und trotzdem sehr ernst genommen wird, auch von seinen Gegnern. Er ist einer der seltenen Redner in unserem Land, der ernste Forderungen leicht und beinahe bekömmlich vortragen kann, was jedoch ihre Bedeutung nicht mindert. Damit zeigt er als Schweizer eine selten anzutreffende rhetorische Eloquenz der hohen Schule.
Peter Brabeck-Letmathe, VR-Präsident Nestlé S.A.
Der elegante Österreicher an der Spitze von Nestlé hat die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllt. In welcher Sprache Peter Brabek-Letmathe auch immer spricht, setzt sich sein österreichischer Habitus durch und wird als angenehm empfunden. Es ist nicht immer der Inhalt, mit welchem er besticht, sondern der natürliche Charme eines Weltbürgers, der viel Sicherheit ausstrahlt. Als operativer Nachfolger des rhetorisch starken Helmut Maucher ist er seinem Meister trotz anfänglicher Zweifel gefolgt.
Dr. Christoph Franz, CEO Swiss
Der Deutsche an der Spitze der Airline Swiss trotzt elegant der Anti-Deutschland-Welle in der Schweiz. Seine anfänglich wirkende Überheblichkeit hat sich gelegt, und heute verkauft er sein Unternehmen öffentlich mit Charme und rheinländischem Witz, dem gut zuhörende Schweizer folgen können. Seine Reden hält er völlig frei von Hilfsmitteln, schweift, wenn es denn passt, kurz ab und findet genau an der richtigen Stelle wieder zu dem Satz zurück, wo er begann. Die ruhige, leicht sonore Stimme gefällt den Zuhörern. Es ist diese Tonlage, die sich auf den Erfolg der Rede positiv auswirkt. Die Bewunderung ist ihm sicher, denn der Herr der Lüfte ist unter den wenigen, die die freie Rede in Perfektion beherrschen.
Calvin Grieder, CEO Bühler AG, Uzwil
Ein hervorragendes Beispiel, wie aus einem rhetorisch wenig erfahrenen Top-Manager ein mitreissender Redner werden kann, ist Calvin Grieder, CEO der Bühler AG, Uzwil. Grieder, körperlich ohnehin begünstigt, steht vor seinen Mitarbeitern und Kunden als Führungspersönlichkeit, die in freier Rede ein Ziel vorgibt und dessen Umsetzung verlangt. Er ist damit ein glanzvolles Beispiel, wie auch in der Schweizer Industrie den hohen Ansprüchen globaler Präsenz nachgelebt werden kann.
Valentin Landmann, Anwalt
Langsam, bedacht und höchst präzise formuliert der Schweizer Top-Anwalt die Situationen seiner Mandanten. Grundlage seiner Rede ist die messerscharfe Analyse, mit welcher er seine Zuhörer zum Staunen bringt. Mit weltmännischer Gelassenheit, aber punktgenauen Formulierungen, ist der auch von den Medien geliebte Anwalt ein Sympathieträger, der genau weiss, wie er welche Situation formulieren muss, damit selbst die Gegner den Beifall nicht verweigern.
Doris Fiala, Nationalrätin FDP
Aus dem einstigen «Mami der Partei», der Zürcher FDP Politikerin Doris Fiala, ist eine strahlende Nationalrätin und Europaparlamentarierin geworden. Die Leidenschaft, mit welcher sie ihre Anliegen parteiintern und -extern vorträgt, ist geblieben. Doris Fiala ist gerade mit ihrer Sprache eine beispielhafte Zürcher Politikerin geworden, die vom breit fliessenden Dialekt nicht gehindert wird, rasch auf den Punkt zu kommen. Damit gewinnt sie die Herzen in Zürich, Bern und im Europaparlament in Strassburg.
Peter Rothenbühler, Chefredaktor «Le Matin»
Der elegante, spitzzüngige Bieler, dessen Karriere schon bei Ringier in der deutschen Schweiz ganz nach oben führte, ist heute auch zum Star der Westschweizer Journalisten geworden. Als Chefredaktor von «Le Matin» und nun auch in der Geschäftsleitung von Edipresse, hat Peter Rothenbühler seine zugriffige mediale Sprache bewahrt, die bei seinen Zuhörern und Zuschauern Beifall bis Entzücken auslöst. In ihm fallen Erfahrung, Witz und Können fast ideal zusammen.
Roger Köppel, Chefredaktor «Die Weltwoche»
Der ambitionierte Verleger und Chefredaktor der leicht rechtslastigen «Weltwoche» hat sich einen herben Charme bewahrt, der seine Leser wie Zuhörer stets neu herausfordert. Roger Köppels Stil wie Sprache extravagant zu nennen, ist keine Übertreibung, legt der bekannte Journalist doch Wert darauf, als «Marke» einen hohen Wiedererkennungswert zu formen. Seine intellektuellen Fähigkeiten übertreffen seinen Auftritt; gerade die daraus entstehende Spannung lässt ihn oft zum Mysterium werden. Köppel beweist, indem er immer wieder neue Wortspiele erfindet, dass vermutete Geheimnisse ihren Reiz haben. (harry holzheu/mc/ps)