Von Alexander Saheb
Moneycab: Welche Wertstabilität haben Schweizer Immobilien in den Zeiten der Finanzkrise?
Donato Scognamiglio: Schweizer Immobilien sind grundsolide. Die Preise von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen haben im letzten Jahr rund 2% zugelegt. Seit Ende 2008 tendieren die Preise seitwärts. Bei Renditeliegenschaften hat die Finanzkrise einen regelrechten Boom ausgelöst. Fallende Börsenkurse, hohe Volatilität der Aktienkurse und die Rezession verunsichern die Anleger. Die Sicherheit von Immobilien wird geschätzt und gesucht. Schweizer Renditeliegenschaften haben in den letzten Monaten zu einer regelrechten Preisrally angesetzt.
Wie stark muss man nach Wohn- und Geschäftsliegenschaften differenzieren?
Mehrfamilienhäuser sind bezüglich Wertentwicklung und Mieten sichere Anlagen, Geschäftshäuser hingegen sind aufgrund der höheren Konjunkturabhängigkeit mit grösseren Risiken verbunden. Mehrfamilienhäuser sind im Vergleich zu gemischt genutzten Objekten bzw. Geschäftsliegenschaften kaum von der Finanzkrise betroffen. Herr und Frau Schweizer brauchen immer ein Dach über dem Kopf. Rund 70% der Bewohner der Schweiz sind und bleiben Mieter. Der Leerstand bei Mehrfamilienhäuser ist im Jahr 2008 um 0.1% auf ein Niveau von 3.2% gesunken.
Anders bei Büro- und Gewerbeobjekten. Die sich vermehrt auch in der Schweiz abzeichnende reale Krise, einhergehend mit Stellenabbau, führt zu einer Reduktion der nachgefragten Flächen. Büro- und Gewerbeobjekte, insbesondere wenn sie neu auf den Markt kommen, bekommen dies zu spüren. Der IAZI Swiss Property Benchmark® zeigt, dass die Leerstände bei Büroobjekten im Jahr 2008 um 0.8% auf 5% zugenommen haben. Bei gemischt genutzten Objekten war die Zunahme mit 0.3% auf 4.5% etwas geringer.
«Rund 70% der Bewohner der Schweiz sind und bleiben Mieter.»
Donato Scognamiglio, CEO IAZI
Wo können derzeit bei Wohnliegenschaften die sichtbarsten Preiskorrekturen verzeichnet werden?
Bei Anlageliegenschaften finden momentan keine Preiskorrekturen nach unten statt. Anders aber bei selbst genutztem Wohneigentum (Einfamilienhäuser, Eigentumswohnungen). In Nobelgemeinden, in Tourismusorten sowie im Top-Preis-Segment bzw. bei den 10% teuersten Objekten an sehr guten Lagen stellen wir seit Ende 2008 eine leichte Veränderung fest. So wurde 2008 für jedes zehnte Einfamilienhaus mehr als 1.6 Mio. CHF bezahlt. Im ersten Quartal 2009 lag die Grenze unter 1.4 Mio. CHF. Bei Eigentumswohnungen stellen wir eine vergleichbare Entwicklung im Top-Segment fest. Im mittleren und unteren Preissegment hingegen ist die Nachfrage aufgrund der historisch tiefen Zinsen hoch.
Die Pensionskassen sind unter Druck, sicher werden viele Wohnliegenschaften mit vorbezogenen Geldern erworben. Stabilisiert das den Markt?
Der Vorbezug von Vorsorgegeldern zum Erwerb von Wohneigentum erhöht die Nachfrage nach den eigenen vier Wänden. Bekanntlich ist jedoch heute die Mehrheit der Schweizer Pensionskassen von einer Unterdeckung bedroht. In Zeiten einer Unterdeckung kann, sofern das Reglement der Pensionskasse dies vorsieht, die Vorsorgeeinrichtung die Auszahlung des Vorbezugs zeitlich und betragsmässig einschränken. Dies wird vermehrt dazu führen, dass diese Zusatznachfrage wegfällt bzw. verzögert wirksam wird.
Gleichzeitig suchen diese Kassen selbst auch Anlageliegenschaften. Wird die Nachfrage nicht zu künftig wieder anziehenden Preisen führen?
Pensionskassen sind heute auf der Suche nach Sicherheit. Rund 40% ihrer Anlagen sind in Obligationen und je rund 20% in Aktien und Immobilien investiert. Die Nachfrage nach Schweizer Direktanlagen an guten Lagen mit vertretbarer Rendite ist hoch. Dies insbesondere aufgrund der stabilen Netto Cash Flows dieser Anlageform. Die mit Aktien in letzter Zeit gemachten Ergebnisse waren sehr schlecht und selbst bei den als sicher geltenden Obligationen gab es in den letzten Jahren auch Verluste.
Anders bei Immobilien. Die Transaktionspreise für Renditeliegenschaften, gemessen am SWX IAZI Investment Real Estate Price Index, haben insbesondere im ersten Quartal 2009 stark zugelegt und zu einer Performance von 3.9% geführt. Sobald sich die Finanzmärkte erholen, wird die Anlage Immobilie an Glanz verlieren und nicht mehr im gleich starken Umfang Preissteigerungen ausweisen können.
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Die Wohnungsmieten haben sich gemäss einer IAZI-Studie 2008 deutlich um 3,7 Prozent erhöht. Mit welcher Entwicklung rechnen Sie 2009, und wohin könnte sich der Markt 2010 bewegen?
Die erwähnte Analyse zeigt, wie sich die Mieten in bestehenden Mietverhältnissen (Bestandesmieten) entwickeln. Sie sagt nichts aus über das Niveau bzw. die Entwicklung von neu abgeschlossenen Mietverträgen. Die Entwicklung der Bestandesmieten hängt unter anderem von der Hypothekarzinsentwicklung ab. Neu wird dazu ein für die gesamte Schweiz gültiger, durchschnittlicher Referenzzinssatz von der Schweizerischen Nationalbank berechnet. Dieser durchschnittliche und auf die Zinsentwicklung verzögert reagierende Index ist Mitte 2009 erstmals auf 3.25% gefallen. Dies wird es Mietern erlauben, auf den 1. Oktober eine Mietreduktion zu verlangen. Sollten die Hypothekarzinsen Ende 2009 bzw. Anfang 2010 wieder ansteigen, werden die Mieten, aufgrund der Berechnungsart des Referenzzinssatzes, erst verzögert steigen. Bei neu abgeschlossenen Wohnungsmieten hingegen ist primär die aktuelle Marktsituation entscheidend. In vielen Regionen und Städten der Schweiz (wie z.B. Genf und Zürich) sind die Leerstände sehr tief. Wir rechnen im 2009 und 2010 nicht mit fallenden, sondern mit weiter steigenden Marktmieten.
«Sobald sich die Finanzmärkte erholen, wird die Anlage Immobilie an Glanz verlieren und nicht mehr im gleich starken Umfang Preissteigerungen ausweisen können.»
Donato Scognamiglio, CEO IAZI
Bei Büroflächen gibt es mittlerweile ein grosses Angebot. Geraten die Mietpreise 2009 und 2010 unter Druck?
Die bestehenden Büromietverträge sind in der Regel mehrjährige Verträge, deren Mieten indexiert sind. Diese Mieten kommen erst unter Druck, wenn die Verträge auslaufen und neu verhandelt werden. Die Leerstände bei Büro- und Gewerbeobjekten haben letztes Jahr aber bereits zugenommen und liegen heute schweizweit bei rund 5%. Zunehmende Leerstände erhöhen den Druck auf die Büromieten. Kurzfristig ist kaum mit einer raschen Erholung der Konjunktur und damit nicht mit steigenden Büromieten bei Neuabschlüssen zu rechnen.
Viele Anleger setzen seit 2008 stark auf Immobilieninvestments. Wie hat das die Preise für Renditeliegenschaften beeinflusst?
Die Transaktionspreise sind alleine von März 2008 bis März 2009 um 10.5% angestiegen. Die Performance lag bei stolzen 14.9%. Alleine im ersten Quartal 2009 stiegen die ausgewerteten Marktpreise um 2.8%. Die Anzahl der attraktiven Standorte bzw. gute Objekte sind aber rar. Institutionelle Investoren investieren zudem tendenziell nur in grössere Objekte (im Mittel 10 Mio. CHF) in der Nähe von Schweizer Zentren.
Gemäss Ihrem SWX IAZ Real Estate Total Return Index konnte mit Renditeliegenschaften 2008 eine Performance von 6,6 Prozent erzielt werden. Muss man in den kommenden Jahren mit geringeren Werten aufgrund höherer Preise evtl. auch sinkenden Mieten rechnen?
Die Performance von 6.6% setzt sich aus einer Wertsteigerung der Immobilien von rund 2.4% im Jahr 2008 und einem Netto Cash Flow Return von 4.2% zusammen. Alleine im ersten Quartal 2009 sind die Preise bereits um 2.8% gestiegen. Der Netto Cash Flow Return ist bei Immobilienportfolios mittelfristig sehr stabil. Eine Reduktion der Bestandesmieten bei Wohnungen ist frühestens auf Herbst 2009 zu erwarten. Dies alles spricht gegen eine wesentlich geringere Performance. Bei Büro- und Gewerbeobjekten dagegen könnte sich aufgrund weiter zunehmender Leerstände ein Korrektur bei den Netto Cash Flows und Werten ergeben.
Welche aktuellen Gefahren verorten Sie auf den Segmenten des Immobilienmarktes?
Insgesamt rechnen wir nicht mit einem Immobiliencrash, wie wir das in den USA erlebt haben. Abgesehen von Hot Spots wie Genf, der Zürcher Goldküste und den bekannten Tourismusregionen sind kaum wesentliche Korrekturen zu erwarten. Voraussetzung ist aber, dass die Zinsen tief bleiben und die Zuwanderung nicht weiter einbricht. Eine gewisse Gefahr sehen wir in der hohen Liquidität gewisser Banken. Diese könnte, einhergehend mit dem tiefen Zinsniveau, dazu verleiten die Belehnungsregeln zu lockern.
Bei Renditeliegenschaften sind wir etwas vorsichtiger. Die aktuell bezahlten Preise sind im Verhältnis zu den erzielbaren Mieten hoch. Sobald die Finanzmärkte sich erholen, werden diese Anlagen relativ gesehen weniger begehrt sein. Investoren, welche mit Immobilien eine Buy and Hold Strategie verfolgen, werden aber auch in Zukunft mit stabilen Netto Cash Flow Returns von 4 bis 5 Prozent rechnen dürfen.
Der Gesprächspartner:
Prof. Dr. Donato Scognamiglio (1970) studierte in Bern und an der William E. Simon Graduate School of Business Administration in Rochester (NY) Betriebs- und Volkswirtschaftslehre sowie an der ETH Zürich Statistik. Er promovierte an der Universität Bern, ist Dozent für Real Estate & Finance und ist Titularprofessor der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern. Er ist vom Schweizer Bundesrat gewählter Vertreter der Schweizer Hypothekarschuldner im Verwaltungsrat der Pfandbriefbank Schweizerischer Hypothekarinstitute und vom Regierungsrat des Kantons Zürich gewähltes Mitglied der Eidgenössischen Schätzungskommission. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.
Das Unternehmen:
Das Zürcher Informations- und Ausbildungszentrum für Immobilien AG (IAZI) zählt sich zu den führenden Beratungsunternehmen im Immobiliensektor. Es wurde 1994 gegründet und beschäftigt mittlerweile mehr als 40 Mitarbeitende. Das IAZI ist unabhängig von Banken und anderen Immobilienakteuren. Zu den Kernkompetenzen zählen statistische Modelle, Benchmarking, Bewertungen und Immobilien-Portfolioanalysen sowie zugehörige EDV-Datenbanken und -Applikationen. Das IAZI publiziert regelmässig Informationen zum Schweizer Immobilienmarkt und wirkt an verschiedenen Ausbildungen mit.