von Patrick Gunti
Herr Jost, wie würden sie die aktuelle Situation der Markenartikelhersteller in der Schweiz generell beschreiben?
Einerseits positiv, weil unsere Konsumenten Markenartikel wollen und deren Innovationen gerne aufnehmen. Anderseits aber auch schwierig, angesichts der Konzentration im Handel, der Fokussierung auf den Preis und dem daraus entstehenden Druck auf die Margen.
Die Promarca hat die Interessen der Markenartikler während über 80 Jahren relativ zurückhaltend vertreten resp. kommuniziert. Jetzt gehen Sie aber in die Offensive – was sind die Gründe?
Wir sind es leid, einseitig und fälschlicherweise als Preistreiber gebrandmarkt zu werden. Wir möchten aufzeigen, was Marken-Unternehmen für den Konsumenten, den Handel und die Wirtschaft ganz allgemein leisten und in einigen anstehenden, politischen und wirtschaftlichen Weichenstellungen unsere Anliegen für faire und förderliche Rahmenbedingungen einbringen.
«Der Wunsch, dem Konsumenten den Zugang zu preiswerten Produkten zu ermöglichen, ist sicherlich legitim. Aber noch wichtiger ist es, die Konkurrenzfähigkeit der Schweiz langfristig zu sichern.»
Alexander Jost, Präsident Promarca
Die Promarca hat in Zusammenhang mit dieser Thematik in Deutschland eine Untersuchung in Auftrag gegeben. Was sind die wichtigsten Resultate dieser Studie?
Sie hat aufgezeigt, dass zwischen Wohlstand und hohem Preisniveau eine gewisse Korrelation besteht: die erfolgreichen Volkswirtschaften der EU, namentlich die skandinavischen Länder, Finnland, Irland, England und Luxemburg haben ein ähnlich hohes Preisniveau wie die Schweiz. Der Schweizer Konsument gibt überdies europaweit den kleinsten Anteil seines Einkommens für Konsumausgaben aus. Umgekehrt hat gerade die «Geiz-ist-geil-Welle» in Deutschland in eine Sackgasse geführt mit Abstrichen an der Qualität des Angebots, mangelnder Innovationskraft, dem Verschwinden gewerblicher Strukturen und dem Verlust an Arbeitsplätzen.
Was folgern Sie daraus?
Der Wunsch, dem Konsumenten den Zugang zu preiswerten Produkten zu ermöglichen, ist sicherlich legitim. Aber noch wichtiger ist es, die Konkurrenzfähigkeit der Schweiz langfristig zu sichern. Dies erfordert, dass hausgemachte Probleme wie Überreglementierung, ineffiziente Prozesse und überholte Strukturen, die lediglich die Kosten in die Höhe treiben, ohne dem Produkt oder der Dienstleistung einen Mehrwert zu verleihen, schrittweise und nachhaltig ausgemerzt werden. Dabei ist es wichtig, jene Elemente, welche das Wesen des schweizerischen Angebots charakterisieren – Qualität, Zuverlässigkeit, Ökologie, usw. – nicht im Zuge einer Nivellierung nach unten über Bord zu kippen!
Der Erfolg der der Billiganbieter macht aber an der Schweizer Grenze nicht halt. Der Preiskampf läuft seit Jahren, rein auf den Geldbeutel bezogen zum Wohle der Konsumentinnen und Konsumenten. Wo wird sich denn der Schweizer Konsument in 10 Jahren noch vom beispielsweise deutschen Konsumenten unterscheiden?
Ich bin überzeugt, dass zwischen dem deutschen und dem schweizerischen Konsumenten – ungeachtet aller Vielfalt und individueller Präferenzen – markante Unterschiede bestehen, die sich kulturell und historisch erklären lassen. Beim Schweizer nehmen das private Umfeld und die Kulinarik einen hohen Stellenwert ein und er ist entsprechend auch bereit, ins Wohnen und Essen zu investieren. In Deutschland, so will mir scheinen, nimmt die Stellung in der Gesellschaft eine deutlich höhere Bedeutung ein und so geht ein guter Teil der privaten Aufwendungen in Urlaub und Auto, was umgekehrt wieder bei den Konsumausgaben eingespart werden kann. Eine gewisse Angleichung ist nicht ausgeschlossen – hoffentlich eher nach oben als Folge einer wirtschaftlichen Erholung in Deutschland -, aber fundamentale Unterschiede werden in 10 Jahren kaum zugeschüttet werden.
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Ihre Organisation bemängelt den Konkurrenznachteil der in der Schweiz produzierenden Unternehmen. Wie sehen für Sie denn die konkurrenzfähigen Rahmenbedingungen aus?
Um als Anbieter von Produkten und Dienstleistungen zu bestehen, müssen wir uns dem Kostenumfeld Europas annähern, wobei dieses zunehmend von den kostengünstigen Strukturen Zentraleuropas beeinflusst wird. Überall, wo «Swissness» für den Konsumenten einen Mehrwert an Image oder Qualität bringt, sind Preisunterschiede auch in Zukunft berechtigt. Die zukünftigen Rahmenbedingungen sollten dieser Forderung durch eine Liberalisierung des Aussenhandels und durch die Elimination interner Ineffizienzen Rechnung tragen, gleichzeitig aber auch im Sinne gleich langer Spiesse den lokal und international tätigen Unternehmen faire Bedingungen sichern.
Und nur unter diesen Bedingungen können Sie auch die Einführung des Cassis de Dijon-Prinzips zustimmen?
Innerhalb der EU gilt das Cassis de Dijon Prinzip auf Gegenseitigkeit. Es ist nicht einzusehen, weshalb die Schweiz – nachdem sie 1992 den EWR abgelehnt und in den Bilateralen 1 und 2 auf ein ausgewogenes Paket gepocht hat – nun plötzlich ihren Handelspartnern einseitige Vorteile einräumen sollte, welche allenfalls kurzfristig dem Konsumenten dienen, aber langfristig den Wirtschaftsstandort Schweiz schwächen. Entsprechend befürworten wir das Cassis de Dijon Prinzip auf Gegenseitigkeit oder andernfalls den Ausbau bestehender und die Schaffung neuer, bilateraler und multilateraler Abkommen.
Promarca hat die «Marken-Mehrwert-Initiative» ins Leben gerufen. Der Name verrät viel – was aber verfolgen Sie konkret für Ziele mit dieser Aktion?
Wir wollen mit Fakten belegen, welche Leistung Marken und Markenunternehmen für Konsumenten, Handel und Volkswirtschaft erbringen und dies auch nach aussen kommunizieren. Der Konsument braucht sich nicht zu schämen, wenn er ein Markenprodukt wählt – er wählt schliesslich Sicherheit, Qualität und eine seinem persönlichen Profil entsprechende «Stimmigkeit» des Produkts. Und Politiker, die sich hinter die Anliegen der Markenunternehmen stellen, helfen einen wichtigen Motor für die Schweizer Wirtschaft, unsere Innovationskraft und unser Ansehen im Ausland zu stärken.
«…mindestens gleich wichtig scheint mir allerdings, dass die Weko endlich die Abhängigkeit mancher Firmen von Coop zur Kenntnis nimmt und eventuelle Missbräuche von Einkaufsmacht nicht zulässt.»
Alexander Jost
Sorgen bereitet Promarca auch die Konzentration im Detailhandel. Haben Sie Angst, dass diejenigen Handelsunternehmen, die Markenartikel führen, den Druck erhöhen werden, resp. weiter erhöhen werden?
Mit dem Eintritt der Deutschen Discounter und dem Dauerthema «Hochpreisinsel Schweiz» kommen die traditionellen, schweizerischen Handelsunternehmen unter Druck. Sie begegnen diesem Druck durch Preisnachlässe und einer Erweiterung der sogenannten «Einstiegslinien» und der Eigenmarken. Um diese Verteidigungsstrategie zu finanzieren, werden sie auch weiterhin versuchen, einen Teil des Drucks auf ihre Lieferanten abzuwälzen.
Noch ist der Entscheid der Weko zum Zusammengehen von Migros und Denner nicht gefallen. Der Deal kann nicht im Sinne der Markenartikler sein – glauben Sie, dass die Weko Ihre Bedenken teilt?
Wenn Denner Denner bleibt, ist die Fusion mit der Migros für die Markenunternehmen nicht unbedingt die schlechteste Lösung. Wir hoffen, dass die Weko aber der Erhaltung des Angebots an die Konsumenten ihr Augenmerk schenkt und einer allfälligen, arbiträren Einschränkung desselben in Zukunft zu begegnen weiss. Mindestens gleich wichtig scheint mir allerdings, dass die Weko endlich die Abhängigkeit mancher Firmen von Coop zur Kenntnis nimmt und eventuelle Missbräuche von Einkaufsmacht nicht zulässt.
Mit Lidl steht nach Aldi ein weiterer deutscher Discounter vor dem Markteintritt in der Schweiz. Lidl führt im Gegensatz zu Aldi ein breites Markenartikel-Sortiment. Was erwarten Sie sich von Lidl?
Falls Lidl kommt, dürfte er erst mal kräftig auf die Pauke hauen, um sich als Preisführer bei den Leader-Marken zu etablieren. Vom Aldi-Eintritt in den Schweizer Markt wird er auch mitbekommen haben, wie wichtig ein attraktives Frische-Angebot ist. Auf internationale Unternehmen kann Lidl auch Druck im Ausland aufsetzen, falls sich die Schweizer Niederlassung nicht in seinem Sinne kooperativ zeigt.
Allerdings vermute ich, dass Lidl kein Interesse daran haben kann, in die Schweiz vorzupreschen, um schlussendlich ähnlich unrentable Verhältnisse vorzufinden wie im Stammland Deutschland. Ich erwarte deshalb eine Strategie, die sich bei einer Preisführerschaft – aber nicht unbedingt Preiskrieg! – , jedoch auf etwas höherem, eben schweizerischem Niveau einpendeln wird.
Herr Jost, besten Dank für die Beantwortung unserer Fragen.
Zur Person:
Alexander F.O. Jost wurde 1943 in Zürich geboren.
-Primarschule, Kantonales Real-Gymnasium, Universität in Zürich, Abschluss als Dr.iur. (während des Studiums u.a. als Reiseleiter tätig, von 1968-1970 Resident Manager Ost-Afrika für Kuoni-Reisen, mit Sitz in Nairobi, Kenia).
-Von 1973-2004 bei Nestlé, mit folgenden Stationen:
- 3 Jahre Jurist am Konzern-Hauptsitz in Vevey
- 2 Jahre in den Philippinen in Fabrikbuchhaltung, Einkauf, Regional-Verkaufsleiter, Product Manager Kindernährmittel
- 12 Jahre in Japan, sukzessive als Verkaufsleiter Findus Produkte, Product Manager Kaffee, Marketing Manager, Finanz-Direktor, Chief Operating Officer, President Nestlé Japan Ltd.
- 2 Jahre stellvertretender Zonenchef Asien & Oceanien Nestlé S.A. in Vevey
- 5 Jahre Zonenchef Afrika, Mittlerer Osten & Zentral-Asien Nestlé S.A. in Vevey
- 3 Jahre Leiter der neu gebildeten Region Norden (Schweden, Norwegen, Dänemark, Finnland, Island) mit Sitz erst in Helsingborg, Schweden, dann Kopenhagen, Dänemark
- 4 Jahre Marktchef Nestlé Schweiz, Vevey/La Tour-de-Peilz
-Seit Ende 2004 pensioniert
-Seit Juni 2004 Miteigentümer und Präsident des eigenen Familien-Unternehmens, ein Orangen-Produktions- und Vertriebsgeschäft, mit Standorten in Spanien und in der Schweiz.
-Beratungsmandat in Äthiopien und Sudan.
-Seit Mai 2005 im Verwaltungsrat der Emmi AG.
-Seit Mitte 2005 Präsident des schweizerischen Markenartikelverbandes Promarca
Zu Promarca
Promarca ist der schweizerische Verband der Markenartikelhersteller im Konsumgüterbereich (Food/Near Food). Der Verband vertritt die Interessen von 89 Mitgliedsunternehmen, die einen Gesamtumsatz von rund 9 Mrd. Franken erzielen und ca. 17’700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Schweiz beschäftigen.