«Deutsche Unternehmen sind aufgrund der fehlenden Basis im Stammmarkt und aufgrund der geringen Renditen im Land anfällig für Übernahmen», sagte Knipper der «Financial Times Deutschland» (Montag). «Meine grosse Sorge ist, dass von einer deutschen Bauindustrie im Weltformat kaum noch etwas übrig bleibt.» Knipper warf Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) vor, die verbliebenen grossen deutschen Baukonzerne mit unfairen Bedingungen allein zu lassen. Dazu zähle er abgeschottete Märkte wie in Spanien. «Wir alle wollen offene Märkte. Aber dann brauchen wir auch gleiche Wettbewerbsbedingungen in den einzelnen Märkten», sagte der Chef-Lobbyist der deutschen Baubranche. «In diesem Punkt würde ich mir von Herrn Brüderle mehr Kampfeswillen wünschen.»
Keine Schützenhilfe aus Berlin
Brüderle hatte Hilfe für Hochtief im Abwehrkampf gegen ACS abgelehnt. Die Spanier besitzen rund 30 Prozent der Hochtief-Aktien und streben die Mehrheit an. Unterstützende Worte für Hochtief kamen überraschend vom Hedgefonds Hermes, nachdem der Londoner Investmentfonds Centaurus Capital Hochtief bereits zur Aufgabe des Widerstandes aufgefordert hatte. Der Manager Hans-Christoph Hirt von Hermes sagte dem «Handelsblatt» (Montag), Übernahmeversuche unterstütze Hermes nur in Ausnahmefällen, wenn sie etwa Synergien oder strategische Vorteile versprächen.
Weitere Abwehrmassnahmen
Auf der jüngsten Hauptversammlung von Hochtief hatte Hirt auf die Unterbewertung des Konzerns an der Börse hingewiesen. Allein die knapp 55-prozentige Beteiligung an der australischen Baugesellschaft Leighton entsprach über mehrere Jahre der gesamten Hochtief- Börsenbewertung. Hochtief bereitet zurzeit weitere Massnahmen zur Abwehr der Übernahmepläne vor. Noch am Montag wollte der sogenannte Ad-Hoc-Aufsichtsrat über die nächsten Schritte beraten. Der Ausschuss des Kontrollgremiums, in dem kein Vertreter der spanischen Anteilseigner sitzt, war eigens zur Abwehr der als feindlich angesehenen Übernahme gegründet worden. ACS hatte vor gut drei Wochen angekündigt, seinen Anteil zunächst auf über 30 Prozent auszubauen, um die Beteiligung dann über Zukäufe an der Börse auf über 50 Prozent aufzustocken.
ACS will indirekte Beteiligung an Leighton nicht ändern
Der spanische Baukonzern ACS hat eigenen Aussagen zufolge kein Interesse an einer Komplett-Übernahme der australischen Hochtief-Tochter Leighton. Die Spanier treten dem Eindruck entgegen, sie wollten mit der geplanten Übernahme des deutschen Konkurrenten Hochtief den Status Quo bei der australischen Mehrheitsbeteiligung ändern. «Wir haben nicht vor, irgendetwas an unserem indirekten Anteil an Leighton, den wir über Hochtief halten, zu ändern», sagte eine ACS-Sprecherin am Montag. ACS versucht, Hochtief feindlich zu übernehmen. Der deutsche Konzern hält knapp 55 Prozent an Leighton.
Hochtief hofft auf australische Börsenaufsicht
Die Zeitung «The Australian» hatte den ACS-Manager Angel Garcia Altozano mit den Worten zitiert, es gebe zwar keine Pläne, Leighton vollständig zu übernehmen. Allerdings hätte er lieber 100 Prozent als nur 55 Prozent der Anteile. Hochtief hofft in seiner Abwehrschlacht gegen ACS auf die australische Börsenaufsicht ASIC. So könnte ASIC die Spanier zu einem Übernahmeangebot für die wertvolle Hochtief-Tochter Leighton zwingen. Dies hatten die Essener am vergangenen Dienstag beantragt. «Giftpille» heisst der Schachzug im Börsianer-Jargon.
«Giftpille»
Ein Zwang zu einem Angebot für Leighton dürfte die verschuldeten Spanier im Kampf um Hochtief in die Knie zwingen, glauben Analysten. Leighton ist nämlich ein Schwergewicht: Das Unternehmen ist mit einem Börsenwert von rund 10,5 Milliarden Australischen Dollar (7,4 Mrd Euro) etwa doppelt so viel wert wie Hochtief. Die ASIC-Regeln besagen, dass ein Investor, der durch Übernahme eines Mutterunternehmens mehr als 20 Prozent an einem australischen Tochterunternehmen erlangt, ein volles Übernahmeangebot vorlegen muss. Dies gilt auch, wenn der Investor mit mindestens 20 Prozent an dem Mutterunternehmen beteiligt ist. Dies ist längst der Fall: ACS ist mit einem Anteil von 29,98 Prozent grösster Hochtief-Aktionär. (awp/mc/ps/04)