Von Streiks wie bei AEG bleibt der Autozulieferer verschont. Die Schliessung könnte jedoch gewissermassen unter «mildernden Umständen» über die Bühne gehen. So soll der gesamte Continental-Standort Stöcken, der weit mehr als 3000 Beschäftigte zählt, mit zusätzlichen Jobs in anderen Bereichen entschädigt werden. Der Preis, den Wennemer für die Stilllegung am Stammsitz zahlen muss, ist nach jetzigem Stand auf den ersten Blick aber nicht allzu hoch.
Noch Vieles wage
Bei den am Dienstag von Continental-Vorstand sowie Gewerkschaft IG BCE und Betriebsrat erzielten «Grundlagen für eine Lösung» ist vieles noch vage. So spricht die Arbeitnehmerseite zwar davon, betriebsbedingte Kündigungen seien ausgeschlossen – Conti dagegen von einem «möglichst weitgehend sozialverträglichen Personalabbau». Continental stellt als Entschädigung für den Standort 30 neue Jobs in der Lkw-Fertigung «in A ussicht», auch der Bereich Forschung und Entwicklung soll zusätzliche Arbeitsplätze erhalten – wie viele, ist bisher unklar. Zur geplanten Qualifizierungsgesellschaft stehen ebenfalls noch Verhandlungen an, etwa über die Dauer. Es sei noch nicht alles in trockenen Tüchern, hiess es am Mittwoch in Verhandlungskreisen. Bis Mitte Februar ist eine endgültige Einigung angestrebt.
«Das ist nur eine Galgenfrist»
In der Belegschaft der Pkw-Reifenproduktion in Stöcken sorgte der Durchbruch bei den Verhandlungen nicht gerade für Jubelstürme – im Gegenteil: «Der Kompromiss taugt doch nichts», wetterte ein Conti- Mitarbeiter. «Das ist nur eine Galgenfrist. Die Leute sind Ende 2007 ihren Job trotzdem los.» «Wir sind doch nur kleine Fische», schimpfte ein Beschäftigter vor dem Werkstor. «Den Bossen da oben sind wir egal.» Er hofft, nun in der Lkw-Reifenfertigung in Stöcken unterzukommen. Ein anderer Conti- Arbeiter meint frustriert: «Es geht hier ums Geld, die Tschechen sind gnadenlos billig.» Da könne Deutschland als Standort nicht mithalten.
Kostenvorteile in Tschechien
Der Standort Tschechien spielt wie andere Billiglohnländer in den Überlegungen Wennemers eine grosse Rolle. Als er Ende November ankündigte, die Pkw-Reifenproduktion in Stöcken Ende 2006 schliessen zu wollen, nannte er als Grund: Das Wachstum in der Reifensparte sei geringer ausgefallen als erwartet. Und: Grundsätzliche Strategie des Konzerns sei es, dass bei einer «Marktabschwächung in kostenintensiven Produktionsteilen» Standorte mit niedrigen Kosten ausgelastet und Kapazitäten an Standorten mit hohen Kosten abgebaut werden. Ergo sollte die Fertigung in Stöcken, die bereits mehrfach auf der Kippe stand, als kleinster und aus Vorstandssicht teuerster Standort endgültig dran glauben. Dafür kündigte das Unternehmen eine Betriebsvereinbarung vom Frühjahr 2005. Darin hatte die Belegschaft etwa längeren Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich zugestimmt, um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Die Betriebsvereinbarung gab der Pkw-Reifenproduktion aus Gewerkschaftssicht zudem eine Produktionssicherheit bis Ende 2007.
«Sozialpartnerschaft» könnte beschädigt sein
Wennemers Vorgehen löste einen Proteststurm aus. Gewerkschaften, Betriebsräte und Politiker aller Parteien warfen ihm «grenzenloses Profitstreben» vor. Die Produktion in Stöcken sei profitabel. Tausende von Conti-Beschäftigten gingen auf die Strasse. Am Montagabend noch drohte IG BCE-Chef Schmoldt für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen mit Streiks bei Continental. Nach dem Durchbruch am Dienstag zeigte sich Wennemer zufrieden. «Mit diesem guten Kompromiss können wir leben.» Doch bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen sein Vorgehen in Sachen Stöcken für den künftigen Umgang zwischen Unternehmensführung und Arbeitnehmerseite hat. Die von der Gewerkschaft IG BCE und dem Betriebsrat betonte «Sozialpartnerschaft» könnte unabsehbare Schäden davongetragen haben. Der stellvertretende Betriebsratschef von Stöcken, Michael Deister, sagte am Mittwoch: «Wir sind auf jeden Fall gebrannte Kinder.»
(awp/mc/hfu)