Im Zeitalter der zunehmenden Geschwindigkeit etabliert sich auch eine neue Kultur im Strategiebereich: Die Wegwerfstrategie. Waren Strategien früher zehn oder mehr Jahren verbindlich, werden sie heute meist schon nach einem Jahr obsolet.
Von Helmuth Fuchs
Gestern wahr, heute obsolet, morgen vergessen
Stabilität kommt von Vertrauen und Vertrautheit. Kundenbeziehungen sind profitabel, wenn sie möglichst stabil und langfristig sind. Die Realität vor allem im Finanzsektor zeigt heute ein ganz anderes Bild. Was gestern noch als strategisch deklariert wurde, meist um schmerzhafte und einschneidende Massnahmen wie die Reduktion der Mitarbeiterzahl zu rechtfertigen, ist heute nicht mehr gültig und morgen vergessen. Aktuelles Beispiel die Informatik Strategie eines grossen Schweizer Finanzdienstleisters. Vor vier Jahren der fundamentale Entscheid, die Informatik auszulagern an ein grosses Informatikunternehmen mit der Begründung, Informatik sei nicht das Kerngeschäft eines Finanzdienstleisters und noch wichtiger: Dieser Entscheid führe schon in den nächsten Jahren zu massiven Einsparungen.
Jetzt der wiederum fundamentale Entscheid, die Informatik wieder selbst zu betreiben mit der Begründung, Sie ahnen es, der Entscheid führe zu massiven Kosteneinsparungen.
Bilanz optimiert, Mitarbeiter frustriertDas Hauptproblem bei diesen isoliert und kurzfristig betrachtet sogar erfolgreichen Übungen ist, dass die wichtigste Unternehmenssubstanz, nämlich die Mitarbeiter, nachhaltig geschädigt wird. Im vertraulichen Gespräch herrscht die nackte Frustration. Mangels Alternativen verbleiben diejenigen im Unternehmen, die nicht die besten Chancen auf dem Markt haben (die besten wechseln im Rhythmus und im Schlepptau ihrer Vorgesetzten das Unternehmen). Der Grossteil ihrer Energie verwenden sie darauf, auch die nächste strategische Reorganisation (in zwei Jahren) zu überleben. Die Performance der so motivierten Mitarbeiter synchronisiert sich mit der Qualität der Dienstleistungen nach unten.
Echte Mitbesitzer statt nur teilhabende ManagerDa die Top-Manager der grossen Finanzinstitute zwar überdurchschnittlich am Gewinn partizipieren aber praktisch kein Risiko mittragen, ist auch die Identifikation mit dem Unternehmen sehr gering (vor allem wenn der Erfolg ausbleibt). Für sie ist es zu einfach, bei Stellenantritt grosse Abschreiber zu tätigen (hat der Vorgänger zu verantworten), eine mit Hilfe teuer entlöhnter Berater definierte Strategie zu verkünden (lässt meist den Aktienkurs kurzfristig steigen), um sich dann nach zwei bis drei Jahren mit einer tollen Abfindung (dauernd angepassten Options- oder Aktienpakete) zu verabschieden.
Die Lösung ist relativ einfach. Dem lokalen Markt entsprechendes Salär, keine Optionen sondern nur Aktien und diese mit einer Sperrfrist von mindestens sechs Jahren und in Abhängigkeit des Erfolges über die gesamte Dauer der Sperrfrist. Damit würde das Interesse an einem nachhaltigen Erfolg der eigenen Ideen merklich steigen. Die Mitarbeiter könnten wieder grösseres Vertrauen in die Interessen ihres Managements fassen.
Unmöglich, weil man damit keine guten Manager finden könne? Dann schaue man sich in der Hotellerie um. Junge Leute führen 5-Stern Häuser mit 100 und mehr Mitarbeitern, bewältigen Umbauprojekte mit zweistelligen Millioneninvestitionen und dies zu Salären, die auf der vierten Führungsstufe einer Grossbank für lange Gesichter sorgen würden. Und die Kundenzufriedenheit der führenden Hotels kann sich sorglos mit derjenigen der führenden Banken messen.