Aus dem betreffenden Fonds finanziert die Hochschule mehr als ein Drittel ihrer laufenden operativen Kosten. Der Fonds habe zwischen Juli und November des laufenden Geschäftsjahres 22 Prozent seines Wertes verloren, so Harvard-Präsidentin Drew Faust.
Zu enge Verzahnung zwischen Bildungs- und Finanzsystem
«Vor allem die amerikanischen Universitäten sind jahrelang sehr erfolgreich darin gewesen, ihre finanziellen Mittel zu mobilisieren und durch geschickte Veranlagungen zu vermehren. Die Finanzkrise zeigt jedoch auch, dass selbst der Bildungssektor mit dem Finanzsystem eng verflochten und dadurch auch verwundbar ist», sagt Andreas Schleicher, Leiter der Abteilung Indikatoren und Analysen bei der OECD in Paris, gegenüber pressetext. Laut dem Fachmann bleibt das Problem aber längst nicht auf dem amerikanischen Kontinent, sondern droht unter bestimmten Umständen auch westeuropäischen öffentlichen Institutionen. «Bildung ist immer ein langfristiges Investment in die Zukunft. So sollte man sich nicht zu sehr auf kurzfristige Renditeaussichten konzentrieren», gibt Schleicher weiter zu bedenken.
«Noch nie da gewesenen Einbussen»
Der Marktverlust des grössten Harvard-Hochschulfonds in den Vereinigten Staaten, der 37 Mrd. Dollar umfasst und von Börsenfachleuten gemanagt wird, verbuchte sein letztes Minus im Jahr 1974. Damals rauschte die Finanzsituation der Hochschule um zwölf Prozent in den Keller. Trotz des Vermögens berechnet die prestigeträchtige Universität ihren Studenten fast 45.000 Dollar im Jahr an Studiengebühren. Dass die Finanzmarktkrise selbst nicht vor ehrwürdigen Institutionen halt macht, zeigt sich darin, dass Faust von «noch nie da gewesenen Einbussen» spricht und bereits zu einer Periode «finanzieller Zurückhaltung» ausgerufen haben soll. Ebenfalls wird darüber spekuliert, dass neben Harvard auch Yale, Princeton und Duke Einbussen feststellen.
Verluste grösstenteils hausgemacht
Dabei scheinen die hohen Verluste der milliardenschweren Stiftungsfonds der Eliteunis grossteils hausgemacht. Schliesslich sind diese Fonds von Kapitalerträgen abhängig. Einem Bericht der Süddeutschen Zeitung nach überwiesen die Universitäten in den vergangenen Jahren rund 35 Prozent des Vermögens an Beteiligungsgesellschaften, Hedge Fonds und Risikokapitalfirmen oder investierten in Rohstoffe bzw. Ländereien. Die Renditegier bei der Veranlagung scheint das grundsätzliche Problem zu sein. So erschienen sichere Schatzbriefe und Bundesanleihen wegen ihrer geringen Ertragsaussichten nicht attraktiv genug. «Obwohl die Spekulationen mit einer breiten Streuung der Investments hohe Renditen erzielten, scheint nun Schluss damit zu sein», unterstreicht Schleicher auf Nachfrage.
Schlechte Referenz
Der hohe Verlust kommt für die Harvard University sehr ungelegen, da der Andrang an den Eliteuniversitäten derzeit hoch ist. So haben Tausende Berufsanfänger ihren Job an der Wall Street verloren und fliehen zurück auf den Campus. Da die Bildungseinrichtungen bisher und auch in Zukunft auf die Erträge aus den Fonds angewiesen sind, könnte der Ausbau der Kapazitäten ins Stocken geraten. Da die Hedge- und Beteiligungsfonds-Anteile nicht an der Börse öffentlich gehandelt werden, lassen sich die Stiftungsfonds nicht auf Abruf schnell zu Geld machen. Vielmehr drücken hektische Verkaufsbemühungen den Preis weiter nach unten. Hinzu kommt, dass Mäzene und Ex-Studenten immer weniger Universitätsspenden ausgeben. (pte/mc/ps)