Emanuel Berger, VR-Delegierter Victoria-Jungfrau Collection

von Patrick Gunti


Herr Berger, der Umsatz der Victoria-Jungfrau Collection lag 2008 mit 93,6 Mio. Franken nur unwesentlich unter Vorjahreswert, allerdings waren 10,2 % weniger Übernachtungen zu verzeichnen, der EBIT reduzierte sich um 10,6 % und der Konzerngewinn fiel auf 3,8 Mio. Franken. Welche generelle Bilanz ziehen Sie für das vergangene Jahr?


Es ist zutreffend, dass wir mit rund 10 % tieferen Frequenzen, durch besseren Verkauf, einen nahezu gleichen Erlös wie im Vorjahr zu erzielen vermochten. Die Abweichung des EBITDA zum Vorjahr war marginal. Durch höhere Abschreibungen auf Sachanlagen fiel der EBIT rund 10 % tiefer aus als im Vorjahr. Im Vorjahr konnten wir durch einen Verkauf von Sachanlagen einen ausserordentlichen Gewinn erzielen, was im Berichtsjahr nicht zu bewerkstelligen war – dies erklärt den Gewinn-Rückgang der Konzernrechnung.


Über zwei Drittel des Jahres befanden sich die Hotels auf Kurs, dann wurden die Folgen der weltweiten Wirtschaftskrise spürbar. Wie wirkte sich die Krise im letzten Quartal aus?


Wir waren hervorragend unterwegs und auf Budgetkurs – oder besser – bis sich im letzten Viertel des Jahres die Welt-Wirtschaftskrise ankündigte. Unmittelbar wurden Buchungen, von Individualgästen und auch für Tagungen, in Frage gestellt.


Aus welchen Ländern war der grösste Rückgang an Gästen zu verzeichnen?


Es handelt sich bei der jetzigen Krise um ein globales Ereignis. So wurden die Segmente Kongresse und Veranstaltungen unmittelbar am stärksten betroffen. In der Festtagszeit waren Rückgänge aus Deutschland und Russland zu verzeichnen.


«Wir sehen in der gegenwärtigen Herausforderung eine zusätzliche Chance, uns auch auf die Zukunft vorzubereiten.»


Welche Erwartungen haben Sie für das laufende Geschäftsjahr?


Wir sehen in der gegenwärtigen Herausforderung eine zusätzliche Chance, uns auch auf die Zukunft vorzubereiten. Auf der einen Seite ist dies die Hinterfragung aller unserer Leistungen, Strukturen und Vorgehen, mit dem Ziel der Steigerung der Nachhaltigkeit und Effizienz. Auf der andern Seite wollen wir unsere Mitarbeitenden schulen und motivieren, sowie einen vorgezogenen Unterhalt unserer Einrichtungen und Gebäulichkeiten auslösen, mit dem Ziel, dem Gast von morgen einen noch angenehmeren Aufenthalt, einen gesteigerten Erlebniswert zu bieten.


Mit welchen weiteren Massnahmen begegnen Sie der Krise?


Wie gesagt, Schulung und Motivation, die Förderung unseres ‹Collection›-Gedanken, mit dem Ziel der Karriereplanung innerhalb unserer Gruppe stehen zu oberst unserer Prioritäten. Damit ist auch die Verfeinerung unseres Qualitäts-Managements eingeschlossen – alle unsere Betriebe sind ISO-zertifiziert. Es liegt auf der Hand, dass wir unser Verhalten an den Märkten, in den Bereichen Marketing, Sales und PR intensiviert haben. Mit Kurzarbeit in Interlaken und Luzern wollen wir unsere qualifizierten Fachkräfte für unsere Unternehmung erhalten.
Nun, wie begegnet man einer Krise? Durch haushälterisches Wirken ‹hinter den Kulissen› und noch verwöhnendere Gastfreundschaft und Aufmerksamkeit gegenüber dem Gast.


Welche Veränderungen können Sie beim Buchungsverhalten der Gäste feststellen?


In den letzten Jahren ist das Buchungsverhalten generell kurzfristiger geworden; heute ist es nochmals markant kürzer geworden. Festzustellen ist, dass viele Firmen ihre Planung für Tagungen und Seminare zurückgestutzt haben. Aus diesem Segment erwarten wir eine schwächere Nachfrage. Dagegen verspüren wir verstärkte Buchungen aus dem Individual- und Ferien-Bereich. Es mag sein, dass Unruhen in Thailand und andere Instabilitäten entfernter Tourismusdestinationen uns vermehrt Gäste aus der Schweiz und den Nachbarländern bescheren. Die kürzere und sichere Anreise per Auto und Bahn mögen dazu beitragen.


Erwarten Sie als Folge der Krise auch eine Verschiebung der Herkunftsländer?


Sicherlich, beeinflusst auch durch die Wechselkurs-Bedingungen. Deshalb ist es für eine Hotel-Unternehmung wie die unsrige wichtig, in der Marktbearbeitung breit vorzugehen. Hier liegt u.a. auch ein weiterer Vorteil unserer ‹Grösse› als Gruppe, gegenüber dem Einzelbetrieb.


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Ist die Luxushotellerie von der globalen Rezession stärker betroffen als die Hotellerie im Allgemeinen?


Das Tagungssegment der 5*-Hotellerie ist sicher stärker betroffen, da es gegenwärtig für eine Unternehmung fast unschicklich wirkt, eine Sitzung im Luxus-Hotel anzuberaumen. Dagegen geniesst unsere Hotellerie wiederum mehr Verlangen für Produkte-Präsentationen – und natürlich Individualferien.


Wenn wir die Resultate der einzelnen Hotels ansehen, sticht das Resultat des Bellevue Palace in Bern heraus, das den Turnaround geschafft und 2008 wieder einen Gewinn erwirtschaftet hat. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe für das positive Abschneiden?


Das BELLEVUE PALACE  konnte unter der neuen Leitung eine Revitalisierung erleben. Es präsentiert sich heute aufgeschlossener, frischer und flexibler, mit einem Hauch von Glamour und Lifestyle. Es ist deshalb am Markt gut angekommen und hat den Turnaround geschafft.


Was prägte das Geschäftsjahr in den anderen Häusern, dem Victoria-Jungfrau Grand Hotel + Spa in Interlaken, dem Palace Luzern und dem Eden au Lac in Zürich?


Alle Betriebe haben ihre Projekte. Beim EDEN AU LAC hoffen wir, demnächst die Baueingabe für eine umfassende Renovation dieses herrlichen, traditionellen Hauses vornehmen zu können. Das PALACE LUZERN zählt auf viele Sonnentage – gibt es doch nichts schöneres als das Terrassen-Restaurant am Vierwaldstätter-See. Oder auch im Restaurant «Jasper» mit dem einzigen Michelin-Stern in Luzern zu tafeln. Auch das VICTORIA-JUNGFRAU Grand Hotel & Spa wartet mit vielen tollen Überraschungen für den Sommer auf.


«Wir schätzen uns überaus glücklich, wiederum langfristig orientierte Aktionäre für unsere Unternehmung gefunden zu haben.»


Welchen Effekt hatte die UEFA EURO 2008 auf die Übernachtungszahlen, vor allem in den Spielstädten Bern und Zürich?


Die Euro08 hat bei uns vielfältige Spuren hinterlassen. Das BELLEVUE PALACE war Herzstück der Niederländer-Festszene und das VICTORIA-JUNGFRAU konnte ebenfalls viele Holländer beherbergen. Leidtragend war das EDEN AU LAC, inmitten der Züricher Fussball-Fanmeile. Dort wurde der traditionelle Hotel-Gast vertrieben und das Fan-Publikum entspricht nicht ganz der Eden-Klientele.


Mit einer Eigenkapitalquote von fast 50 Prozent ist die Victoria-Jungfrau Collection gut gerüstet für die Zukunft. Fassen Sie auch ein weiteres Wachstum der Gruppe ins Auge?


Es ist unser erklärtes Anliegen, unsere gesunde Bilanz-Struktur zu erhalten. Einem Wachstum – vornehmlich im Management – stehen wir positiv gegenüber. Dabei ist vordringlich, dass ein neuer Betrieb bestens zu uns – zu unsern vier Luxus-Hotels an bester Lage – passen muss.


Die UBS hat sich aus dem VJC-Aktionariat verabschiedet, teilweise auch Swiss Re und die Roche-Stiftung. Dafür haben die Berner Kantonalbank und die Gebäudeversicherung Bern ihre Anteile deutlich erhöht und die Finanzgesellschaft Terramaris ist mit 14,6 Prozent eingestiegen. Wie kommentieren Sie die Veränderungen im Aktionariat?


Der Rückzug der UBS, die immerhin über 20 Jahre in unserem Aktionariat vertreten war, hatte sich bereits abgezeichnet. Wir schätzen uns überaus glücklich, wiederum langfristig orientierte Aktionäre für unsere Unternehmung gefunden zu haben.


Herr Berger, besten Dank für das Interview.





Zur Person:
Emanuel Berger (1941) hat nach Abschluss der Ecole Hotelière Lausanne, Aus- und Weiterbildungen am Unternehmerseminar der Hotellerie und der Cornell University in den USA, nach Tätigkeiten in führenden Hotels rund um den Globus, 1971 die Führung des VICTORIA-JUNGFRAU übernommen. Mit seiner Frau Rosmarie, die sich der Betreuung von Renovationen und Umbauten annimmt, bringen sie den Palast VICTORIA-JUNGFRAU zu neuem Glanz. 1986 wird E. Berger als Delegierter in den Verwaltungsrat berufen. Auf anfangs 2007 haben Herr und Frau Berger die operative Verantwortung für die Führung des Interlakner Flaggschiffhotels in jüngere Hände übergeben. E. Berger betreut als Delegierter des Verwaltungsrates die Entwicklung der vier Hotels und ist Coach für deren Betriebsleiter.


Zur Victoria-Jungfrau Collection AG:
Zur kleinen, exklusiven Hotel-Gruppe der VICTORIA-JUNGFRAU COLLECTION gehören das VICTORIA-JUNGFRAU Grand Hotel & Spa in Interlaken, das PALACE LUZERN am Vierwaldstätter See, das BELLEVUE PALACE in Bern sowie das EDEN AU LAC in Zürich. Während sich die Häuser in Interlaken, Luzern und Zürich im Besitz der Victoria-Jungfrau Collection AG befinden, wurde für das BELLEVUE PALACE in Bern ein Pachtvertrag mit der Eigentümerin – der Eidgenossenschaft – unterzeichnet.

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