Unternehmerinnen und Unternehmer spenden, schenken und stellen ihre Mitarbeitenden während der Arbeitszeit frei für Miliz- und Ehrenämter. Das gemeinnützige Engagement von Unternehmen (Corporate Citizenship) ist in der Schweiz weit verbreitet und hat Tradition. Wissenschaftler um Theo Wehner, Professor am Zentrum für Organisations- und Arbeitswissenschaften der ETH Zürich, haben dieses Engagement in einer schweizweiten Unternehmensbefragung untersucht. Mit Unterstützung des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes, des Schweizerischen Gewerbeverbandes und von Economiesuisse haben die Forschenden zwischen Januar 2008 und März 2009 mehr als 2’000 Unternehmerinnen und Unternehmer befragt. Davon stammten 90 Prozent aus klei-nen und mittleren Unternehmen (KMU).
Mitarbeitende werden einbezogen
Die Studie zeigt, dass sich rund drei Viertel der Unternehmen (76%) für gesellschaftliche Anliegen einsetzen – sowohl passiv in Form von Spenden und Schenkungen als auch aktiv, in dem sie Mitarbeitende freistellen (Corporate Volunteering), kostenlose Schulungen anbieten oder ihre Infrastruktur zur Verfügung stellen. Damit stehen die Schweizer Unternehmerinnen und Unternehmer im internationalen Vergleich gut da. Obwohl sich in Deutschland und den USA insgesamt mehr Unternehmen gemeinnützig engagieren, pflegen prozentual mehr Schweizer Firmen aktive Formen der Corporate Citizenship (72%). Auch in Bezug auf das so genannte Corporate Volunteering sind Schweizer Unternehmen im Ländervergleich gut aufgestellt (42%).
Für Theo Wehner kommt diese Feststellung nicht unerwartet. «So wie Miliztätigkeit in der Schweiz seit jeher als eine wichtige Stütze der Zivilgesellschaft gefördert wird, sind auch schweizerische Unternehmen traditionell als Mitglieder ihrer Gemeinden aktiv, früher nannte man das beispielsweise Service Public oder Philanthropie, heute Corporate Citizenship», sagt der ETH-Professor. Vom unternehmerischen Engagement profitieren in der Schweiz vor allem der Sport (71%), die Kultur (59%) und das Bildungswesen (53%). Erst an vierter Stelle folgt das Sozialwesen mit 38 Prozent.
Auch in schlechten Zeiten engagiert
Die ETH-Studie gibt Hinweise darauf, dass Corporate Citizenship in der Schweiz stabil ist: 95 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass ihr Engagement in den nächsten Jahren gleich bleibt oder sogar steigt. Nur ein halbes Prozent der Unternehmen möchte sich künftig nicht mehr für soziale Anliegen einsetzen. Dass das gesellschaftliche Engagement der Firmen in der Schweiz von der aktuellen Wirtschaftskrise unberührt bleibt, befinden auch ausgewählte Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und wirtschaftsnahen Verbänden, welche die Forschenden im Anschluss an die Studie befragten.
Unabhängig von Unternehmensstrategie
Die Studie zeigt auf, dass die Firmenleitung das gemeinnützige Engagement in der Regel als persönliches Anliegen versteht (71%) und davon keine betriebswirtschaftlichen Gewinne erwartet. Obwohl sich die Unternehmer von ihrem Engagement positive Wirkungen auf das Ansehen der Firma, die lokalen Standortbeziehungen oder das Betriebsklima erhoffen, ist solches Handeln häufig nicht in eine übergreifende Unternehmensstrategie eingebettet. So wird das gemeinnützige Engagement nur selten (25%) und wenn, dann unsystematisch kommuniziert. Fast drei Viertel (72%) der befragten Firmen geben an, den unternehmerischen Nutzen des Engagements nicht zu evaluieren.
Die Forschenden der ETH Zürich sehen einen Vorteil darin, dass Coporate Citizenship in der Schweiz keiner kurzfristigen Profitorientierung folgt. «Die Forderung aus Teilen der Wissenschaft und von Consultingfirmen nach strategischer Ausrichtung des gesellschaftlichen Engagements können wir aufgrund der Ergebnisse unserer Studie nicht unterstützen», erklärt Theo Wehner. Der ETH-Professor ist überzeugt, dass sich gesellschaftliches Engagement gerade deshalb Autonomie, Vielfalt und Nachhaltigkeit leisten kann, weil es nicht mit kurzfristigen Nutzenerwartungen konfrontiert wird und somit kaum im Fokus betriebswirtschaftlicher Prüfmechanismen steht. (ETH/mc/pg)